Hallo,
meiner Erfahrung nach hat Kameraüberwachung eher einen negativen Effekt: Sie gibt den Menschen ein falsches Gefühl der Sicherheit, weil viele glauben, dass tatsächlich irgendwo jemand am Bildschirm sitzt und auf einen aufpasst. Das aber ist meist nicht der Fall. Ermittlungstechnisch sind die Aufnahmen solcher Kameras allerdings häufig kaum verwendbar, weil die Entfernung und die Auflösung gerade bei Dunkelheit eine zweifelsfreie Identifizierung oft unmöglich machen. Und selbst wenn es einen Glückstreffer gibt, und ein Bild tatsächlich mal einen Täter gut sichtbar zeigt, hängt die schnelle Identifizierung davon ab, dass sich der Täter bereits in den Akten befindet - oder dass das Verbrechen, oder sie Serie an Verbrechen, so schwer wiegend ist, dass Medien Zeit oder Platz dafür freiräumen, ein Fahndungsbild zu veröffentlichen.
Wirklich helfen würde im konkreten Fall, wenn die Haltestellen für die Busse aus dem Umland direkt vor dem Hauptbahnhof halten würden, und nicht ein ein paar hundert Meter weiter in einer dunklen Ecke. Wenn ich das richtig ausgerechnet habe, sind dort um die Tatzeit herum für rund 20 Minuten gar keine Busse gefahren, was auch bedeutet, dass sich dort nicht viele Leute aufgehalten haben dürften.
Solche Täter benötigen aber einen einsamen Tatort, was etwas mit der Psychologie dieser Menschen zu tun hat. Allein ist jedes dieser Mädchen wahrscheinlich ein Mensch, dem die Eltern niemals im Leben zutrauen würden, so etwas zu machen. In der Tat trauen sie dem Mädchen gar nichts zu: Das Elternhaus ist in der Regel konservativ-patriarchalisch organisiert und die Rolle der Frau klar definiert. In der Regel sind solche Familien wirtschaftlich, bildungstechnisch und emotional unterdurchschnittlich bestallt. Es mangelt an allem, und damit auch aufgrund der emotional-sozial-instutionellen Bildungsdefizite auch an Lebenschancen. Das wiederum führt zu Aggression, und zu einem Frauenbild in diesen Jugendlichen, das das genaue Gegenteil dessen ist, was man zu Hause erfahren hat.
Wenn die Einzelperson als einzelne Person auftritt, wird dies kaum, wenn überhaupt, auffallen. Zusammen gefasst in einer Gruppe, die die Summe vergleichbarer Sichtweisen ist, wird daraus eine brenzlige Mischung: Nur in einer Gruppe, in der weibliche Jugendliche mit vergleichbarer Herkunft, und vergleichbaren Rollenvorstellungen, zusammen kommen, können diese Jugendlichen so sein, wie sie gerne wären. Und nur in der Gruppe ist deshalb eine solche Tat vorstellbar: Allein sind die Beteiligten nicht stark genug, und man kann an der Anordnung während der Tat sehen, dass sich zwei der Mädchen dabei eine untergeordnete Rolle eingenommen haben. Sie standen abseits, beobachteten, während die anderen beiden die Geldbörsen forderten - vermutlich sind dies die Anführerinnen gewesen, zu denen die anderen beiden aufschauen.
Natürlich ging es zunächst einmal und vor allem um Geld. Die Tat war eine Gelegenheitstat, die nicht geplant war, denn sonst hätten sich die Täterinnen vorab bewaffnet. Wahrscheinlich haben die Täterinnen mal schnell Geld für irgendwas gebraucht. Aber im Hintergrund ging es um etwas völlig anderes - darum, die eigene Rolle innerhalb der Gruppe, aber auch sich selbst gegenüber zu festigen. Man tut es, weil man glaubt es zu können. Zum Schlag kam es an dem Moment, an dem deutlich wurde, dass das einschüchternde Auftreten als Alpha-Mädchen nicht den erwarteten Effekt hatte. Das hat die Betreffende wütend gemacht, weil sie dies als Angriff gegen sich selbst begriff.
Solche Situationen sind deshalb brandgefährlich. Jedes falsche Wort kann das Leben kosten. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass man durch ein beherztes Einschreiten die Situation "entschärfen" kann - bei Menschen wie diesen ist das Gegenteil der Fall: Was man sagt, wie man gekleidet ist, wie man sich verhält, all' dies kann die Aggression der einzelnen Täter steigern, und das noch viel mehr so, wenn sie unter Einfluss stehen, zumal sich die Gruppenmitglieder gegenseitig hochschaukeln - gerade bei weiblichen Jugendlichen mit einem solchen Rollenbild will keine als schwach gelten. Man sieht einen Helfer nicht als jemanden, der versucht, einem Menschen in Not zu helfen, sondern als jemandem, der versucht, einen einzuschränken. Täter-Gruppen wie diese projezieren dann gerne ihren Hass auf die Gesellschaft, auf ihr Leben, auf einen solchen Menschen, der damit zur Personifizierung alles Bösen im eigenen Leben wird, und damit plötzlich in einer persönlichen Beziehung zu den Tätern steht, obwohl er die gar nicht kennt. Im Extremfall können sich dann angestaute Aggressionen bis zum letzten Atemzug entladen.
Deshalb ist es leider so, dass man, wenn man zum Opfer einer solchen Gruppe wird, den Kontakt zu dieser Gruppe mit allen Mitteln auf ein absolutes Minimum zu beschränken und sich dann langsam aber bestimmt, so zielstrebig wie möglich auf die nächste Gruppe Menschen zu zu bewegen. Sollte das nicht möglich sein, zum Beispiel weil man umringt ist, ist es wichtig, sehr, sehr laut auf sich aufmerksam zu machen und dabei unbedingt das Wort "Hilfe!" zu benutzen.
Keinesfalls sollte man versuchen, mit solchen Menschen zu diskutieren - das geht nicht, und steigert nur die Aggressionen.
Viele Grüße
Ariel
Man kann am Polizeibericht sehr gut sehen, dass sich die Emotionen im Verlauf der Tat schnell hoch geschaukelt haben. Als