Hallo,
und vielen Dank. Jetzt sehe ich wenigstens ein bisschen klarer.
Ich vermute auf Grund Deiner Angaben, dass Deine Freundin in dieser Wohngruppe gelandet ist, um eine drohende Kindesentnahme abzuwenden - also um zu verhindern, dass Ihr Kind vom Jugendamt in eine Pflegefamilie gegeben wird. Dies ist entweder als Teil einer Vereinbarung mit dem Jugendamt geschehen sein; möglicherweise liegt auch ein Gerichtsbeschluss vor, der dies bestimmt, was allerdings unwahrscheinlich ist: Deine Freundin ist, vorausgesetzt, dass Ihr die Geschäftsfähigkeit nicht abgesprochen worden ist, dafür zu alt. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sie völlig freiwillig, und zu ihrem Schutz, und zum Schutz des Kindes, vor dem gewalttätigen Ex-Partner dort ist, denn eine betreute Wohngruppe ist nicht nur kein Ort, der in solchen Situationen ausreichenden Schutz bietet, weil jeder weiß, wo sich diese Einrichtungen befinden - es würde auch potentiell eine Gefährdung der anderen Mütter und Kinder in der Gruppe darstellen.
So oder so oder so gilt jedoch eines: Diese Wohngruppen haben eine bestimmte Aufgabe, und sie haben Regeln und Vorgaben, die dabei helfen sollen, diese Aufgabe zu erfüllen. Ganz gleich ob man freilwillig, auf Grund einer Vereinbarung oder gar wegen eines Gerichtsbeschlusses dort ist, muss man sich an die dort geltenden Regeln und Vorgaben halten - oder die Konsequenzen tragen, die dann mit großer Wahrscheinlichkeit darin bestehen würden, das Kind an eine Pflegefamilie zu verlieren.
Natürlich könnte man jetzt sagen, dass das Erpressung ist, dass man doch nicht einfach jemanden zu etwas zwingen kann, in dem man ihr damit droht, das Kind wegzunehmen. Aber: Das Kindeswohl muss im Vordergrund stehen. Ist dies nicht gewährleistet, zum Beispiel weil die Mutter Probleme mit der Lebensgestaltung hat, und zeigt die Mutter auch keine Fortschritte darin, ihren Alltag auf tragfähige, stabile Füße zu stellen, dann schadet das dem Kind, und es wird notwendig, sich Gedanken über Alternativen zu machen. Dass man von einem Menschen fordert, seine Freiheiten einschränken zu lassen, als Gegenleistung dafür ihr Kind behalten zu dürfen, schränkt die grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte übrigens erst dann ein, wenn ein Gerichtsbeschluss vorliegt, und das wird dann vom Grundgesetz erlaubt, weil Artikel Zwei, Absatz Zwei deutlich erklärt, dass die Freiheitsrechte durch Gesetze eingeschränkt werden dürfen. Vor einem Gerichtsbeschluss jedoch ist es eine freiwllige Entscheidung: Altes Leben mit allen Freiheiten, oder Kind und weniger Freiheit. Man hat die Wahl.
Dies ist wohl grob umschrieben die Situation, in der sich Deine Freundin nun befindet: Es wirkt auf Grund deiner Beschreibung offensichtlich, dass sie in der Vergangenheit einen Hang dazu bewiesen hat, fragliche Entscheidungen zu fällen, denn sonst würden ihre Finanzen nicht fremd betreut. Ich halte es auch für gut möglich, dass weitere Dinge vorgefallen sind, die Du hier nicht berichtet hast: Man wird nicht einfach so mit 27 in eine Mutter-Kind-Gruppe aufgenommen - in der Regel geht man davon aus, dass Menschen in diesem Alter ihr Leben wenigstens einigermaßen im Griff haben.
Nun ist sie aber eben in dieser Gruppe, und sie ist vor allem dort, um bestimmte Dinge zu lernen - Dinge, die vor allem ihrem Kind und seinem Wohl nützen sollen, auch wenn es am Ende natürlich auch ihr selbst nützt, weil sie hoffentlich irgendwann ein produktives, selbstverantwortliches, stabiles Leben leben können wird. Aber das ist ein hartes Programm, wenn man solchen Müttern nicht nur die Gebrauchsanweisung für Kinder, sondern auch das Manual für ihr eigenes Leben vermitteln muss.
Und es ist noch schwieriger, wenn die Betreffende das eigentlich nicht lernen will - ich lese aus einigen Deiner Posts heraus, dass das bei Deiner Freundin der Fall sein könnte: Du schreibst von "Stress", den die Betreuerinnen machen, und dass sie "darunter zusammenbrechen wird".
Leichter wird es sicherlich nicht dadurch, dass Du, nachdem sie dort eingezogen ist, wahrscheinlich wissend, was sie dort erwartet, versuchst, das Ganze durcheinander zu wirbeln, und ich habe ein bisschen den Eindruck, dass Du nicht wirklich weißt, und nicht wirklich siehst, wie groß die Probleme dieser Frau sind, und dass Du deshalb bestenfalls die zweite Geige spielst.
Ich kann verstehen, dass das Personal bestenfalls zurück haltend auf Dich reagiert: Sie hat gerade eine traumatische Beziehung hinter sich, dann ist sie in dieser Einrichtung gelandet, und dann kommst Du, fängst eine Beziehung mit ihr an, und zählst schon die Tage: Nicht zwei Monate, nicht acht Wochen seid Ihr zusammen, sondern zwei Monate und vier Tage. Wie viele Tage werden noch folgen? Es ist eine harte Frage, ja, aber leider ist es eine Frage, die ihre Berechtigung hat, wenn man jemanden mit einer solchen Vorgeschichte und solchen Problemen vor sich hat - mal abgesehen davon, dass sie sich zur Zeit auf ihr Kind, und nicht einen neuen Partner konzentrieren soll. Das Kind braucht die gesamte Aufmerksamkeit der Mutter, und es braucht Stabilität. Das sind die Dinge, die sie dort lernen soll.
Du findest 30 Minuten Ausgang wenig.
Wie viel Ausgang, glaubst Du, haben andere Mütter von Neugeborenen, die mit ihren Kindern zu Hause leben? Wolltest Du das Kind mit in den Ausgang nehmen? Ein Baby im Kinderwagen im kalten Winter? Im Café? Oder hättest Du gerne gehabt, dass einfach mal die anderen Mütter für ein paar Stunden auf das Kleine aufpassen?
Wenn Dir Deine Freundin wirklich am Herzen liegt, dann solltest Du versuchen, Dich in sie hinein zu fühlen. Du solltest sie unterstützen, Ihr Leben in den Griff zu bekommen, und Dich selbst dabei hintan stellen. Auch wenn das bedeutet, dass Ihr Euch mal ein paar Wochen nicht seht. Du solltest in einen Dialog mit dem Personal der Einrichtung treten, und Dir erklären lassen, was passiert, aber Dir auch raten lassen, wie Du sie unterstützen kannst.
Viele Grüße,
Ariel