Nordsterns Blog

Nordstern

Mensch
Hi,

Nun hab ich mir hier jahrelang die Seele aus dem Leib geschrieben und
denke manchmal, es müsste nun alles leer sein ( :-D), aber eigentlich mag ich dieses Schreiben immer noch zum Reflektieren und als eine Art Tagebuch-führen ... vielleicht schaff ich es ja doch ab und an, meinen Alltag in die Tasten zu hauen. Für eine regelmäßige Teilnahme reicht es nun leider wirklich nicht mehr ...


Seit 5 Monaten arbeite ich nun in der Praxis - ganz kurz und schon ganz schön lang gleichzeitig. Hausärztin zu sein ist ein toller Beruf - aber auch einer der wirklich viel Kraft und Einsatz fordert. Für so viele unterschiedliche Menschen gleichzeitig präsent zu sein, ihnen bei Weichenstellungen und Ängsten, Fragen und Entscheidungen zu helfen ...


Dabei war mir vorher gar nicht so bewusst, dass vielleicht das zentrale Thema für die meisten meiner Patienten überhaupt "älter werden" ist. Wenn die Vierziger schon länger vorbei sind, kommt es zusehends zu größeren und kleineren Zivilisationskrankheiten und Einschränkungen - dann zuehmend bis hin ins höchste Lebensalter.

Das macht vielen Menschen eine Menge Frust oder Angst, Wut oder Verunsicherung. Die Art, wie die Menschen damit umgehen, dass auf einmal dauernd der Rücken weh tut oder der Blutdruck ansteigt, dass sich ein Alterszucker eingestellt hat oder dass Schlimmeres passiert, ist so verschieden wie die Menschen.

Mein Augenmerk liegt ziemlich klar auch darauf, was das mit mir macht; denn schließlich werde ich mit meinen Patienten (sofern es mir gegeben ist) alt werden und teile damit ihre Erfahrungen.

Wie stell ich mir mein Leben in fünf Jahren vor oder in zehn? Was mach ich eigentlich, wenn ich dauerhaft Tabletten schlucken soll oder irgend eine dieser Krankheiten bekomme?

Spannende Frage, wenn die ersten Krampfadern aufgetreten sind oder der Nacken schmerzt ... 8)


Wir haben auch nicht wenige schwer kranke Patienten zu betreuen. Manche, bei denen das Herz so geschädigt ist, dass wirklich jeder Tag der letzte sein kann oder welche, die weit fortgeschrittenen Krebs haben - wie schaffen die es, aus jedem einzelnen Tag noch einen guten Tag zu machen und was kann ich Ihnen dafür mit auf den Weg geben?

Was kann ich von denen lernen und was bekomm ich alles zurück, so dass die Bilanz einigermaßen ausgeglichen ist? Wie grenz ich mich ab, ohne zu weit weg zu sein und wo enden Empathie und "Helfenwollen"?


Fazit nach diesen ersten 21 Wochen: spannende Tage - jeder einzelne! Ziemlich farbig und im positiven Sinne aufregend ... aber genau das brauch ich ja vom Leben :sonne!


Lili
 

Tanja

Namhaftes Mitglied
Ich hab mir immer einen Arzt gewünscht, der mich ernst nimmt und Zeit für mich hat.
Den hab ich jetzt gefunden.
Der mich zurückruft, wenn ich drum bitte, der mit mir meine Blutwerte diskutiert als wäre ich ihm ebenbürtig - was ich ja nie sein kann, ich habe ja keine medizienische Ausbildung.

Und der auf meine Äußerung hin "Ein Internist hat mal zu mir gesagt, ein Ultraschall wäre so wie mit dem Hubschrauber ein Gebiet im Winter abzusuchen - mehr als Schneegestöber ist da nicht zu sehen" sich die Zeit genommen hat und einen Ultaschall aller Organe und des Herzens zu machen um mir zu zeigen, dass man da doch jede Menge sehen kann.

Er hat mal gesagt, ihm macht diese Hausarztsache Spaß. Und woanders könnte er vielleicht mehr verdienen. Aber zufrieden ist er eben im Moment mit dem, was er jetzt macht.

Und diese Zufriedenheit ist spürbar.
Wenn Du bewegt, zufrieden, ausgefüllt und erfüllt bist mit dem, was Du tust, werden es Deine Patienten merken und sich gut aufgehoben fühlen. :maldrueck
 

Nordstern

Mensch
Puh, Monate vergangen und zum Bloggen bin ich gar nicht gekommen ...

Bald sind die ersten 3 Quartale rum und ich muss nur noch 5 Tagen arbeiten in diesem Jahr :banane: - das Budget ist sowieso erfüllt.

Wenn ich rekapituliere, was mich beschäftigt, sind es immer wieder:

- älter werden mit allem damit verbundenen Veränderungen und teilweise ja handfesten Einschränkungen

- Risikofaktoren - das Lieblingsthema der modernen Medizin ...

- Loslassen und Abschied nehmen

Letzteres war in den vergangenen Wochen ziemlich intensiv - ich hab mehrere Menschen auf ihrem Weg begleitet und versucht, ihnen einen eigenen Tod zu ermöglichen.

Was mich auch bewegt, sind die vielen offenen Herzen, denen ich in diesem Beruf begegne ... für mich eine echte Gratwanderung aus Nähe und genügend Abstand zu meinem Schutz.

Wenn es nach den Patienten ginge, könnte ich rund um die Uhr immer greifbar sein - und könnte ebenso gut in vielen Wohnzimmern sitzen und mich versorgen lassen ... das ist schon ein Geben und Nehmen.


Ganz langsam erarbeite ich mir auch ein medizinisch-soziales Umfeld und Netz; denn ohne diverse andere Kollegen aus verschiedenen Fachrichtungen, zu denen ich meine Patienten mit gutem Gewissen schicken kann, könnte ich schlecht arbeiten. Das klappt ganz gut und manche der Kollegen sind wirklich nett ...
Ich hab mich ja von diesem Sozialen in der Medizin immer eher fern gehalten, weil mir "Medizinerkreise" nie so lagen ... scheinbar geht es anderen Kollegen genauso ;-)


Was das neue Jahr neben einem seltsamen und möglicherweise ungünstigen Abrechnungssystem bringen wird? Mehr Routine für Routinearbeiten, mehr Überblick für all das, was sich im Jahresverlauf immer wiederholt, ein besseres Kennenlernen der Patienten und sicher viele bewegende Momente ... das bleibt gar nicht aus!


Jedem der das hier liest, wünsche ich eine Arbeit, die ihn ausfüllt und sich sinnvoll anfühlt - egal, was es ist :sonne!


Lili
 
P

Poldine

Guest
ich wünsch dir eine schöne weihnachtszeit und ein gesegnetes neues jahr liebe lily und dann wäre es noch schön, wenn du deine praxis in meine nähe lägen würdest, so eine ärztin wie dich hätte ich auch gern, du würdest sogar meine kleinen ticks und psychosomatischen krankheiten verstehen, nicht wahr?

bleib so!!

viele grüße aus dresden,
katja
 
U

UserD

Guest
hallo lili

ich bin auch gespannt was das neue abrechnungssystem bringt,zumindestens unwirtschaftlich für den arzt der seine patienten öfter sehen will

bei den chronischen wunden weiß ich nach 5 besuchen im quartal arbeitest du umsonst,also such dir so jemand wie mich in deiner nähe

es ist immer eine gradwanderung im sozialen bereich nicht zu sehr in die probleme und sorgen der anderen ein zu tauchen udn trotzdem noch human zu bleiben.weil jeder deine aufmerksamkeit fordert udn du auch bereit bist sie zu geben...dennoch ist es wichtig sich zu schützen um nicht irgentwann ausgebrannt zu sein...ich wünsche dir das du diese gardwanderung gut schaffst udn dir ganz viele momente schaffst dir dir und einer familie und deiner liebe gehören...ich wünsche dir ganz viel krafttankstellen im jahr 2008
:maldrueck :maldrueck

constanze
 

uschi

auf neuen Wegen
ich war zu dem Zeitpunkt las Du Dich verabschiedet hast,leider nicht da und hab es gar nicht mitbekommen :(

Auf diesem Wege, wünsche ich Dir alles alles Gute Privat und natürlich auch in Deinem Job!
Schön das Du Deine Erfüllung gefunden hast!

Es ist bestimmt nicht immer einfach,einen gesunden Abstand zu halten und dennoch so wichtig um sich selbst zu schützen

Ich wünsche Dir das Du im frischen Jahre 2008 immer wieder Tankstellen findest,die Dir gut tun und Du soviel Kraft schöpfen kannst,wie Du brauchst!

:druecker :druecker
 

Nordstern

Mensch
Hi,

Weia, das "neue Jahr" hat schon vier Monate rum ... nur noch 2/3 to go :-D.

Das neue Abrechnungssystem ist in der Tat noch sehr viel schlechter für Hausärzte mit vielen alten und chronisch kranken Patienten als anfangs gedacht und für das gleiche "Gehalt" musste ich im Quartal > 50% mehr an Patienten sehen und behandeln ... aber egal, die Patienten sind da, der Zulauf ist groß und es macht weiter Spaß :sonne

Dann hab ich parallel noch eine ganzjährige Fortbildung für Geriatrie angefangen (läuft bis Dezember) - Medizin bei hochbetagten Menschen wird ja mein Thema für die nächsten > 20 Jahre bis zur Pensionierung.

Bei all den Diskussionen darüber, wie alt wir Menschen *eigentlich* alle werden könnten, wenn wir nur die Risikofaktoren A, B. C bis Z minimieren würden, frag ich mich manchmal, OB das wirklich SO viele Menschen für sich wollen?

Wollt Ihr alle gerne einigermaßen gesund 100 werden, wenn Ihr dafür nicht mehr raucht, nicht mehr trinkt, jeden Tag genügend Bewegung habt und weniger als 2000kcal zu Euch nehmt?
Rechtzeitig Aspirin und Betablocker gegen die Alterungsfolgen nehmt, dazu Cholesterinpillen und Blutdruckmedikamente, wenn Ihr die Veranlagung zum Hochdruck geerbt habt?

Da bin ich mal gespannt ... und WER überhaupt soll uns dann alle pflegen, wenn wir so alt sind? Bei unserer Bevölkerungsentwicklung kommen die Pflegekräfte dann vermutlich von *ganz weit weg* ...

Spannende Themen für die Zukunft, langweilig ist es hier nie 8).


Außerdem gibt es vermutlich bald eine Veränderung in meinem anderen "Job" - wenn alles klappt, stell ich meinen Herzallerliebsten ein, damit er in Vollzeit das macht, was ich bisher alles *noch nebenbei* mache - zwei Vollzeit- Jobs sind einfach zuviel 8)

Das werden herrliche Zeiten - endlich eine 45 Stunden Woche in Sicht :banane:


Mein Kleinster kommt im September zu seinen Geschwistern aufs gleiche Gymnasium, die Mittlere wird mitten in der Pubertät immerhin nicht sitzen bleiben und der Große soll nun mitten im Bachelor- Studium doch noch seinen Zivildienst machen (das fiel den Verantwortlichen sehr spontan ein ...) - läuft also alles mehr oder weniger rund ;-) - eben wie das ganz normale Leben ...


Euch allen einen schönen Start in den Mai, Lili
 
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