Hilfe! -  Sohn (5) provoziert ohne Ende!

Paddy777

Neues Mitglied
Hallo!

Jetzt muss ich Euch auch mal um Rat fragen:

Unser Sohn ist 5 und hat eine kleine Schwester (2), auf die er auch häufig eifersüchtig ist. Der Umgang der beiden ist ein Thema für sich, aber da sich das inzwischen gebessert hat, will ich das jetzt mal beiseite lassen...

Er ist sehr empfindlich, häufig fängt er sofort an zu weinen und zu meckern, wenn man ihn freundlich zurecht weist. Also z.B. wenn er jetzt mal Zähne putzen soll oder sich an den Tisch setzen soll o.ä. Am Schlimmsten ist es jedoch, wenn er beleidigt und bockig wird, wenn er "kritisiert" wird. (Ich schreibe das extra in Anführungszeichen, da wir natürlich nicht bspw. sagen: "Das machst Du falsch!" sondern ihm im Gegenteil freundlich zeigen wollen, wir er etwas - Schuhe anziehen bspw. machen soll, damit es besser funktioniert! Dann macht er häufig ein Riesentheater. Diese Überreaktion führt bei mir leider regelmäßig dazu, dass ich sauer werde. Erstens weil ich das so unangemessen finde und zweitens weil das so oft dazu führt, dass man zu spät kommt. Hier stacheln wir uns also leider gegenseitig an, denn mein Groll führt bei ihm natürlich nur zu noch viel mehr "Anti"-Verhalten. Das nimmt dann solche Formen an, dass er sich, beim Kindergarten angekommen, weigert, seine Autotür zuzumachen. Das soll ich dann machen. Also nur Provozieren ohne Ende.

Besonders auffällig ist übrigens, dass er alleine mit mir das liebste Kind der Welt ist! Aber sobald die Mama in der Wohnung anwesend ist, wird er teilweise innerhalb von Sekunden(!) unausstehlich. Nicht immer. Aber leider viel zu oft.

Für Erklärungen in einem ruhigen Moment ist er nicht empfänglich oder noch zu jung. Ich habe halt versucht ihm zu erklären, dass es für alle viel schöner ist, wenn man nett zueinander ist. Ein Großteil des Problems liegt auf jeden Fall bei mir: Ich weiß genau, dass viele Situationen mit ihm nicht so eskalieren würden, wenn ich ruhig und freundlich bleiben würde. Aber das fällt mir leider unendlich schwer! Meiner Frau geht es ähnlich: Sie wird zwar häufig noch schneller ungeduldig, aber sie wird nicht so wütend wie ich manchmal.

Habt Ihr einen Tipp für uns?

Paddy
 

Dr. Dolittle

Moderator
Teammitglied
Hallo Paddy!

Ich habe den Eindruck, daß sich in Eurer Familie bei allen Beteiligten schnell hoher Druck aufbaut. Damit kann ein Fünfjähriger noch nicht bewußt umgehen. Er sucht sich seine Reaktion nicht aus, sondern er durchlebt und durchleidet sie. Bewußte Verhaltenssteuerung in Konfliktsituationen zu erlernen ist ein sehr langer Weg und Kinder in seinem Alter stehen da noch ganz am Anfang. Sie können es auch nur sehr eingeschränkt über nachdenken lernen, sondern fast nur am Erlebten, an Eurem Vorbild und eigenen Erfahrungen.

Etwas konkreter: Wenn ihr der Meinung seid, daß er sich die Schuhe ungeschickt auszieht und ihm vorschreiben wollt, wie er es besser machen soll, dann protestiert er zu recht, denn Ihr würdet ihm die Chance nehmen, selber herauszufinden, wie es am besten funktioniert, womit Ihr ihn verunselbständigt und ihn um eigene Erfahrungen und eigene Erfolge bringt. Er wehrt sich also völlig zurecht gegen Euer übergriffiges Verhalten. Außerdem wird er es als Kritik empfinden, auch wenn ihr es positiv formuliert, denn letztlich ist es eine Kritik. Wenn er von Euch lernen will, wird er Euch beim Schuhe ausziehen beobachten und nachahmen oder um Hilfe bitten.

Wenn Ihr dann in einer Situation mal sehr unter Zeitdruck steht (was im Regelfall Euer Fehler sein wird, denn Ihr müßt genügend Pufferzeit einplanen), dann könnt Ihr ihm sagen, daß es gerade ganz furchtbar eilig ist und Ihr deswegen ausnahmsweise etwas selber machen müßt, was er eigentlich schon alleine kann. Als begründete Ausnahme wird er das eher akzeptieren können. Aber erwartet nicht, daß er in solchen Streßsituationen irgendetwas lernt, außer Euer Gehetze zu ertragen.

Das Zähneputzen sollte ein Teil des Abendrituals sein, also einer vorhersehbaren, gleichförmigen Abfolge der Ereignisse, die in der Zeit vor dem Zubettgehen stattfinden. Je weniger er damit überrascht wird, desto selbstverständlicher wird er es mitmachen.

Wie/Wann äußert sich eigentlich seine Eifersucht? Darf er bei der Versorgung seiner kleinen Schwester mithelfen? Er ist immerhin drei Jahre älter und sollte dementsprechend auch als großer Bruder einbezogen werden.

Zu guter Letzt:
Ihr habt ja selber schon erkannt, daß Ihr zu ungeduldig seid. Dann ist doch eigentlich klar, woran Ihr beide arbeiten müßt. Geduld ist im Umgang mit Kindern ganz wichtig. Ich möchte Euch dazu die Bücher von Lienhard Valentin empfehlen, der in seinen Büchern viele gute Hinweise und Denkanstöße für Eltern darlegt, bei denen das Thema mehr Gelassenheit häufig im Mittelpunkt steht.

Ich hoffe, meine Hinweise helfen Euch weiter.

Dr. Dolittle
 

Paddy777

Neues Mitglied
Hallo!

Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort!
Das Problem liegt schon darin, dass wir uns nicht in seine Situation hineinversetzen können und sein Verhalten nach Erwachsenen-Maßstäben beurteilen. Dass dies falsch ist, ist mir bewusst. Ich will natürlich versuchen, das zu ändern.

Aber wie sollen wir ganz konkret reagieren, wenn er mal wieder "unmöglich" ist? An sein Alter und seine Vernunft appelieren? Einfach warten, bis er es vielleicht doch irgendwann von selbst tut? (Beispiel Autotür...) Drohen ist natürlich kein geeignetes Mittel, aber wie machen wir ihm deutlich, dass sein verhalten unangemessen ist?

LG Paddy
 

Dr. Dolittle

Moderator
Teammitglied
Die Autotür war doch bloß eine Folge einer bereits eskalierten Situation, oder habe ich das falsch verstanden? Wenn er sauer ist, weil Ihr etwas falsch gemacht habt, dann hat er auch das Recht, dem Ausdruck zu verleihen. Hab in so einem Moment die Größe, das zu übergehen und mach die Autotür selber zu.

Ganz allgemein solltet Ihr als erstes darüber nachdenken, warum er sich so verhält und vor allem, ob es wirklich unangemessen ist. In "Mit Kindern wachsen" von Jon Kabat-Zinn gibt es eine schöne Geschichte von einer Mutter, die völlig verzweifelt ist, weil sie ihrem Sohn nicht abgewöhnen konnte, den Käse vom Brot zu nehmen und separat zu essen, anstelle mit dem Brot. Der Fall wurde in der Gruppe besprochen und sie wurde gefragt, warum er das Brot und den Käse unbedingt zusammen essen soll. Sie hatte keine Antwort darauf und hat erkannt, daß sie völlig umsonst so oft mit ihrem Kind gestritten hat.

Konkret zu deiner Frage: Nein, appelliert nicht an sein Alter oder seine Vernunft. Dafür ist er zum einen zu klein, zum anderen ist das kein Argument, sondern ein Druckmittel. In den von mir empfohlenen Büchern werdet ihr viele gute Hinweise finden, darum nochmal der Hinweis darauf. Alleine über Antworten hier im Formum werdet ihr Eure grundlegenden Erziehungsprobleme nicht lösen können. Hilfreich könnte auch ein Elternkurs sein, wie er in vielen Städten angeboten wird, damit ihr dort ein paar Grundlagen vermittelt bekommt, die es Euch erleichtern, auf Euren Sohn angemessen einzugehen.

Zum Verdeutlichen Deiner Ansicht hock Dich ganz einfach zu ihm hin und sage ihm in kurzen, einfachen Worten, was Du von ihm möchtest und warum. Bleib dabei immer unter dreißig Wörtern, sonst verliert er die Aufmerksamkeit. Keine langatmigen Grundsatzdebatten!

Eine Anmerkung noch: Ich verstehe deine Äußerungen so, daß Ihr Euch bisher nicht besonders systematisch mit dem Thema Kindererziehung auseinandergesetzt habt. Das finde ich recht blauäugig.

Habt Ihr wirklich gedacht, Kinder seien kleine Erwachsene und ihr bräuchtet Euch nicht aktiv auf Eure Elternrolle vorzubereiten?

Das ist nicht böse gemeint, ich bin bloß etwas verwundert, wie es zu dieser Konstellation kommen konnte. ?(
 

Ilona

Moderator
Teammitglied
Wie schon gesagt wurde man muss mit Kindern viel mehr Zeit einplanen.
Eine Aktion die für uns ein paar Sekunden Zeit beansprucht kann für Kinder extrem kompliziert sein, da sie den Bewegungsablauf erst lernen müssen.
Ein kind muss etwas 1000 mal gemacht haben bis es es kann und noch mal so oft bis die Routine da ist um annähernd an uns Erwachsene heran zu kommen.

All das haben wir aber schon gelernt nur erinnern wir uns nicht bewusst an die Zeit des lernens.

Wenn man nun dem Kind diese Aufgabe des lernens weg nimmt und lernen ist nun mal für Kinder der Lebensinhalt, jedes Kind lernt jeden Tag ohne es bewusst zu merken, dann signalisiert man ihm damit das darfst du nicht lernen, egal was man dazu sagt.
Natürlich kann man versuchen wie Dolittle schon schrieb dem kind positiv zu vermitteln, dass für das lernen leider gerade nicht die Zeit ist aber je öfter man das sagt resigniert es irgendwann "Ich lern das sowieso nicht" oder reagiert eben wie in eurem Fall mit Wut und Trotz der in dem Moment einzigen Möglichkeit sich verständlich zu machen, da ein Kind in dem Alter Dinge oder Situationen noch nicht aus der Perspektive einer dritten Person sehen kann.
Es kann sich und sein oder das verhalten anderer reflektierend betrachten.
kinder sind Bedürfnismenschen. Das bedeutet sie haben ein Bedürfnis, für sie ist es nun das wichtigste auf der Welt das bedürfnis zu befriedigen. Der Weg ist egal nur das Ziel zählt.
Daher werden sie wenn ein Weg funktioniert hat diesen auch immer wieder versuchen zu gehen.

Ein Beispiel was sicher jeder kennt.
Einkauf. Das Kind quengelt an der Kasse (Das Regal mit Süßigkeiten in Kinderaugenhöhe an den Kassen wird im übrigen von den Psychologen die einen Supermarkt einrichten auch Quengel-Kassen genannt, sagt meiner meinung ja schon viel aus) das es einen Schokoriegel haben möchte.
Wie reagiere ich nun als Erwachsener darauf?
Gebe ich dem quengeln nach lernt das Kind O.K. ich brauche also nur quengeln und bekomme das was ich will.
Bleibt man standhaft und sagt nein,lernt das Kind o.K. mit quengeln komme ich nicht weiter und wird nach wahrscheinlich einigen weiteren Versuchen einen anderen Weg wählen.
 

Heinrich B

Mitglied
Möglicherweise ist dem lieben Knaben aber auch irgendetwas sehr gegen den Strich gegangen
und zwar so sehr, daß ein unterbewußter Schmerz noch lange nachwirkt.
Dies lässt er nun in verschiedenen Situationen aus, indem er winzige Dinge sehr stark
dramatisiert.
Möglicherweise hängt es mit seinen Verhältnis zu seiner lieben Schwester zusammen,
vielleicht ist auch etwas anderes passiert ?
 

grete

Neues Mitglied
@ Dr. Dolittle,
wie kommst du denn darauf, dass sich Paddy777 als Elternteil nicht mit dem Thema auseinandergesetzt hat?
Auch wenn 5 Bücher oder 3 Kurse zur Kindererziehung gelesen/besucht werden, dann kann man beim eigenen Kind vor Fragen stehen, deren Antwort man noch nicht weiß - weshalb sollte man sich sonst an ein solches Forum wenden?

Ich finde Paddy777 reflektiert über seine Situation und sein Verhalten. Und ich finde es ungerecht so über ihn zu urteilen weil er nicht weiter weiß. Das ist keine Hilfe.

Was meinst du mit "Konstellation"? Mutter, Vater, Kind? Das wäre ganz schön heftig. Du hast schon Menschen netter geantwortet, die sich scheinbar weitaus weniger mit ihrer Elternrolle auseinandergesetzt haben als der Themeneröffner.

Grete
 

Heinrich B

Mitglied
Original von grete
... dann kann man beim eigenen Kind vor Fragen stehen, deren Antwort man noch nicht wei￟ ...
Und mei￟t fhrt die Sicht eines anderen auf ein solches Problem schnell
zu einer unerwartet einfachen, mei￟t spontanen L￶sung.

Wenn es also nicht m￶glich ist, der Ursache des Verhaltens auf die Spur zu kommen,
dann bringt vielleicht ein Aufenthalt des Buben bei den lieben Gro￟eltern oder bei
so einem t￶ften (Gro￟-) Onkel wie mir eine Entspannung und auch neue Einsichten.
 

Paddy777

Neues Mitglied
Vielen Dank für die Antworten und das Verständnis von einigen.

Sicherlich habe ich das Thema anlässlich eines krassen akuten Falls eröffnet. Es ist aber nicht so schlimm, wie es vielleicht manche deuten. Inzwischen habe ich bereits einen sehr viel entspannteren Umgang mit meinem Sohn. Und häufig ist er total lieb und benimmt sich gut.

Schwierig ist halt immer die Situation, wenn er sich von seiner Schwester gestört fühlt. Wir möchten erreichen, dass er ihr in ruhigem Tonfall sagt, wenn es ihn stört, was sie tut. Oder uns Bescheid sagt. Je nach Laune bei ihm klappt, das mehr oder weniger gut. Aber ich zumindest bleibe jetzt in den allermeisten Fällen wesentlich ruhiger. Aber manchmal muss man eben was sagen, und da nervt es, dass er häufig dann tödlich beleidigt ist. Aber er wird ja auch älter...

Nochmal danke! :druecker

Paddy
 

Dr. Dolittle

Moderator
Teammitglied
Für den Umgang mit seiner Schwester ist wichtig, daß Ihr immer daran denkt, daß er Euch in allem nachahmt. Wenn Ihr grob werdet, egal wann und zu wem, ahmt er das nach. In der akuten Situation könnte Ihr mit der Verteilung von Aufmerksamkeit arbeiten. Wenn er nicht einsieht, liebevoller mit seiner Schwester umzugehen, kümmert Ihr Euch ein paar Minuten nur um sie und sagt ihm, er darf wieder mitspielen, sobald er wieder lieb ist.

Die tödlich beleidigte Reaktion ist vermutlich alterstypisch. Behandelt ihn trotzdem freundlich und verständnisvoll, aber geht nicht allzu sehr auf seine Eskapaden ein.
 
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