Problem -  Tochter 18 im Streit zum Freund - Funkstille

Patchworkdad

Neues Mitglied
Hallo liebe Leidensgenoss(inn)en,

hier kommt ein langer Text, aber unser Problem lässt sich nicht in kurzen Sätzen zusammenfassen.

Wir haben ein großes Problem mit unserer Tochter (Einzelkind). Sie ist vor ein paar Tagen volljährig geworden, hat also gerade mal an den "18" genippt. Sie macht gerade ihr Abi, hat zur Zeit einen Minijob, seit einigen Wochen einen Freund und lebt ansonsten sehr zurückgezogen. Die meiste ihrer übrigen Zeit verbrachte sie in ihrem Zimmer, wo sie sich ungestört aufhalten und auch "online gehen" kann - das ist ihre Welt. Sie hatte im Haushalt keinerlei Verpflichtungen (Geschirrspüler ausräumen, Staubsaugen, Müll raustragen usw.). Sie brauchte sich um nichts zu kümmern, es wurde ihr alles gebracht, oder sie konnte sich nach Belieben bedienen. Wir haben festgestellt, dass sie sich zur Zeit für allesüberragend hält und in ihrem Verhalten sehr stur und stolz sein kann. Auf der anderen Seite war sie bis zu ihrem 13. Lebensjahr sehr fröhlich, hilfsbereit, zuvorkommend und aufmerksam.

Sie hat große Schwierigkeiten, Nähe zuzulassen und daher gibt es für sie keine beste Freundin oder einen engeren Freundeskreis. Sie ist seit etwa fünf Jahren in einer Therapie, mit der sie diese Probleme und ihre innere Aggression abbauen sollte. Anfangs durften wir gelegentlich an den Sitzungen teilnehmen, seit drei Jahren jedoch gibt es keinerlei Verbindung zur Therapeutin mehr (das war die Entscheidung unserer Tochter, wir wissen nicht warum). Versuche, mit unserer Tochter ernsthaft ins Gespräch zu kommen, blockt sie seit etwa zwei Jahren radikal und kategorisch ab. Sie hält getroffene Vereinbarungen, Regeln oder Uhrzeiten grundsätzlich nicht mehr ein. Selbst offensichtliches Lügen scheint ihr nicht auszumachen. Sie mache alles mit sich selbst aus, sagt sie. Geschieht etwas nicht schnell genug in ihrem Sinne, wird sie unvermittelt aggressiv und beleidigend; manchmal ist das für uns sehr demütigend. Sie benutzt Andere gern für ihre Vorteile und kann dann sehr liebreizend und nett sein. Nach außen kann sie sich eben sehr gut "verkaufen" - niemand würde ihr ein solches Verhalten zutrauen. Wir haben das Gefühl, dass wir, auch wenn wir die gleichen Worte benutzen, völlig verschiedene Sprachen sprechen - so als lebe sie in einer anderen Welt, zu der wir keinen Zugang haben. Seit einigen Monaten verhält sie sich auch wesentlich großkotziger als wir hier in den Forenbeiträgen anderer gelesen haben.

Vor kurzem kam es zum Eklat: sie hat kurz nach ihrem 18. Geburtstag die gemeinsame Wohnung im Streit verlassen. Der Grund dafür war, dass der Wohnungsschlüssel versehentlich innen steckte und sie bei ihrer Ankunft gegen 23 Uhr nach der Arbeit nicht reinkam. Anstatt zu klingeln, klopfen oder per Handy anzurufen, hat sie umgehend kehrt gemacht und ist zu ihrem Freund gegangen. Nachdem meine Frau sie mehrmals auf dem Handy angerufen hatte, sie möge doch bitte (und zwar wirklich "bitte" und nicht "gefälligst") zurückkommen, hat sie lautstark und wutentbrannt aufgelegt. Ihr wasserfallartiger Vorwurf war, sie sei tief verletzt, sie käme bei uns nicht mehr rein, wir hätten sie rausgeschmissen, sie bräuchte Abstand, usw. Dies erzählte sie auch sämtlichen Bekannten und bei ihrer Minijob-Arbeitsstelle. Wir fühlen uns als Eltern diesen unberechtigten Vorwürfen gegenüber bloßgestellt.

Durch ihren Freund ließ sie uns einige Tage später ausrichten, sie wolle mit uns ein Gespräch führen. Am besagten Tag ließ sie wiederum durch ihren Freund ausrichten, es finde kein Gespräch statt, sie wolle lediglich einige Kleidungsstücke aus ihrem Zimmer holen und dann wieder verschwinden. Die beiden kamen dann tatsächlich bei uns vorbei, und unsere Tochter verschwand grußlos in ihrem Zimmer, während ihr Freund mit mir Smalltalk hielt.

Auf meine Frage, wann letztendlich die gemeinsame Aussprache stattfinden solle, hat er mir einen Termin in vier Wochen(!!!) genannt, keinesfalls aber vor den Abiprüfungen. Sie sei emotional nicht in der Lage, so ein Gespräch zu führen, habe viel Stress habe und müsse sich "schließlich" aufs Abi vorbereiten - natürlich kennen wir diese Hinhaltetaktik (Anmerkung: Wir erfuhren jedoch von mehreren Bekannten kurze Zeit später, dass sie sich sehr gut (glücklich?) fühle und ausgelassen Parties feiere; von Lernstress keine Spur).

Während meine Tochter ihre Sachen packte, sprach meine Frau sie an und bat um den Wohnungsschlüssel, den meine Tochter ihr zornig schweigend entgegenwarf. Anschließend plusterte sie sich vor meiner irritiert dreinblickenden Frau auf, holte tief Luft und raunte ihr mit ausgestrecktem Zeigefinger drohend zu: "Jetzt rede ich - Du glaubst doch woch nicht, dass Du mich rausschmeißt und daß ich [ab jetzt Vogel zeigend] so doof bin, bei Dir jemals zu klingeln - aus dem Weg!" und bedeutete ihr mit einer wegwischenden Armbewegung, sie solle den Weg freimachen - ein unglaublich theatralischer Abgang, wie im Spaghettiwestern! Uns blieb - im Sinne des Wortes - die Spucke weg.

Sie hat die Wohnung dann zusammen mit ihrem Freund verlassen, ohne sich umzudrehen oder sich um irgend etwas weiter zu kümmern. Unter anderem befinden sich in ihrem Zimmer bis heute(!) mehrere Körbe voller ungewaschener Wäsche (die sie seit sie 16 ist, selbst zu waschen hatte), angefaultes Obst, überquellende Abfalleimer - alles andere, was sich in diesem "duft"-geschwängerten Zimmer befindet, mag man sich selbst ausmalen.

Wir als Eltern sind seitdem "Dreck" und "Luft" für sie, und sie hat jegliche Kommunikation mit uns eingestellt. Wir haben ihr trotzdem signalisiert, dass die Tür für sie weiterhin offensteht.

Meine Frau und unsere Tochter begegnen sich unvermeidlich jeden Tag in dem Betrieb, in dem beide arbeiten. Meine Frau belasten das Gerede von Kollegen und die arroganten Blicke meiner Tochter immer mehr.

Es soll nicht der Eindruck entstehen, wir wollten unsere Tochter loswerden, aber wir stehen als Eltern an einem Punkt, wo wir uns fragen, weshalb wir weiterhin stillhalten und uns von ihr herumscheuchen oder Termine vorschreiben lassen sollen, bis unsere "Prinzessin" sich ausgemährt hat und vielleicht zu einem Gespräch bereit ist. Letztendlich möchten wir sie mit der Realität in Kontakt bringen. Eine Rückkehr in unsere Wohnung wird aus unserer Sicht nach ihrem Auftritt nicht mehr stattfinden, dazu ist sie (s. oben) einfach zu stur. Wir haben aber auch festgestellt, dass wir uns seitdem regelrecht "befreit" fühlen, wenn sie ihren eigenen Weg geht - und weshalb sollten wir ihr "Depot" weiterhin behüten? Wir können das Zimmer für uns selbst gut nutzen. Das stellen wir uns folgendermaßen vor:

1 - Ausreichende Frist setzen, dass sie ihr Zimmer räumt
2 - Nach Ablauf der Frist selbst Zimmer räumen, Inhalt kommt weg (z.B. Sperrmüll)
3 - Weiterhin Gesprächsmöglichkeit anbieten.

Wir hätten gern ein harmonisches und liebevolles Verhältnis mit ihr, und sie hat viele hervorragende Qualitäten, die sie leider brach liegen lässt.

Wie steht ihr dazu? Gern sehen wir die Chose auch aus einem anderen Blickwinkel.


Euer Patchworkdad


PS:
Bitte keine Kommentare im Tenor "Ihr seid ja selber schuld, ihr hättet früh genug Grenzen setzen sollen", das wissen wir bereits.
 
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