Vater-Tochter-Beziehung

Sandini

Neues Mitglied
Es geht ansich nicht um mich, sondern um einen guten Bekannten, dem ich versuche, seit Wochen einen Rat zu geben. Die Situation ist wie folgt: Mann (52), geschieden, hatte vor Jahren eine Affäre, aus der ein Mädchen (16) hervorging. Zwischen den Eltern des Mädchens kam es zum Bruch, zuletzt hat er die Kleine im Kinderwagen gesehen. Über die Jahre hinweg gab es keinen Kontakt, aber irgendwie behielt er Mutter und Kind immer im Auge, also er wußte, wo sie wohnen. Jetzt nach einer gescheiterten Beziehung versucht er einen völligen Neuanfang, möchte seine Fehler der vergangenen Jahre wieder gut machen. Er hat Kontakt zur Mutter des Mädchens aufgenommen, es kam zu einem Treff, er ist stolz wie Atze auf seine Tochter. Nur spielt die nicht so mit, wie er es gerne hätte. Ist für mich logisch, für ihn eine Riesenproblem, er fühlt sich abgewiesen... sie spricht kaum mit ihm, antwortet nicht auf seine SMS, pflegt aber mit ihren anderen Halbgeschwistern einen regen Gedankenaustausch, sobald er dazu kommt, wird sie stumm.
Hat hier jemand Erfahrung, wie sich solche späten Vater-Tochter-Beziehungen entwickeln?

Das alles Zeit braucht, weiß ich, mir gehts darum, ob evtl. hier jemand so ein Problem schon mal hatte und wie er es erfolgreich gemeistert (oder auch nicht) hat.
 

hitnak

Namhaftes Mitglied
Hallo,

das ist leider eine sehr komplexe Frage, auf die es wohl keine defintive Antwort gibt. Kinder machen sich auf die Suche nach ihren Eltern. Eltern machen sich auf die Suche nach ihren Kindern. Und dabei passiert es immer wieder, nach all diesen Jahren, dass der Suchende feststellen muss, dass der Gesuchte nicht so reagiert, wie er oder sie es erwartet hat, denn Kinder haben nach Jahren neue Eltern, Väter und Mütter neue Kinder, die Bindung ist nicht mehr da, aber dafür die Frage, ja auch der Vorwurf, wo der andere all die Jahre über gewesen ist, und warum er jetzt wieder auftaucht.

Es gibt verschiedene Denkansätze für den Umgang mit dieser Situation: Sein lassen, sagt der Eine. Zeit geben, miteinander reden, sich langsam aneinander annähern, erklärt der Andere. Welcher der richtige Ansatz ist, kann wohl kaum jemand vorweg sagen: Wenn der, die Eine nicht will, dann kann der, die Andere dagegen nichts machen, außer zu sagen, dass man immer da ist, wenn man gebraucht wird, und das auch so zu signalisieren, mit Karten zu Weihnachten und Geschenken zum Geburtstag, während er, sie darauf hofft, dass das Signal irgendwann, irgendwie gehört und gesehen und gefühlt wird. Aber zwingen kann man dazu niemanden, deshalb sollte man es nicht versuchen. Die Gefahr, dass man den Anderen bedrängt und verfolgt, nicht nur mit seiner Person, sondern auch mit den Geistern der Vergangenheit, die vor allem bei Kindern immer da sind, ist sehr groß, und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass man das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich wollte, dass der Andere nur noch mehr auf Distanz geht. Auf der anderen Seite bleibt nur das Sein lassen, was auch keine gute Möglichkeit ist, weil derjenige, der es nicht versucht, nie wissen wird, was gewesen wäre.

Selbst den Einsatz eines professionellen Vermittlers, zum Beispiel eines Familientherapeuten, wird nichts bringen, wenn die Person, zu der man eine Beziehung aufbauen will, keine Beziehung will, denn man kann diese Person ja nicht dazu zwingen. Man kann mir ihr reden, und ihr vorschlagen, mal so etwas zu machen, aber die Tatsache, dass der Vater die Handynummer der Tochter hat deutet darauf hin, dass schon geredet wurde, und dass die Tochter keine Lust auf ihren Vater hat. Man könnte nochmal mit ihr reden, aber man bräuchte dazu richtig gute Argumente, warum der Kontakt zu diesem Menschen etwas wirklich Wichtiges und Richtiges für dieses Mädchen wäre.

Ich denke aber, dass da Dein Bekannter richtig schlechte Karten hat. Denn man entscheidet nicht einfach, dass man jetzt seine Fehler wieder gut macht; man entscheidet nicht einfach, plötzlich nach Jahren ohne Kontakt stolz auf eine Tochter zu sein, an deren Erziehung man nicht teil genommen hat, und ist dann sauer, weil man nicht gehört wird. Denn die Tochter kennt ihren Vater zwar nicht, aber sie schleppt ein sehr schweres Gepäck mit sich rum, dass ihr von ihrem Vater aufgebürdet wurde. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass es Deinem Bekannten nur vordergründig um den Aufbau einer Beziehung zu seiner Tochter geht. Hintergründig dürfte er vermutlich eher nach einem Ausweg aus einer Lebenskrise suchen, indem er sich selbst Absolution für die Sünden der Vergangenheit erteilt: Er sieht seine vergangenen Fehler durch die Kontaktaufnahme wieder gut gemacht, sieht sein Auftreten im Leben seiner Tochter vermutlich als Erweisung einer Ehre an seine Tochter, und ihr Eingehen auf eine solche Beziehung als ihre Pflicht, auf die er als Vater ein Recht zu haben glaubt - deshalb fühlt er sich nun abgewiesen.

Womit ich das eigentliche Problem, wie es sich mir darlegt, umrissen habe: Dein Bekannter muss lernen, dass diese Sache nicht so funktioniert, wie er sich das vorstellt. Er muss lernen, die Zurückweisung zu verstehen, und zu akzeptieren, und seiner Tochter so viel Zeit zu geben, wie sie braucht - und das im schlimmsten Falle für immer. Man kann zunächst einmal den Versuch unternehmen, es ihm zu erklären, und ihn zum Umdenken zu bewegen. Aber man muss das vorsichtig tun, denn wenn er es dadurch nicht schafft, dann bleibt nur noch, ihm den Gang zum Therapeuten zu empfehlen.

Viele Grüße,


Ariel
 

Sandini

Neues Mitglied
Danke nochmals für Deine Antwort. So in etwa sehe ich das auch, er hat den Kontakt zur Tochter über die Mutter aufgebaut, und ich bin der Meinung, dass er froh sein kann, das sie ihm diesen Kontakt überhaupt ermöglicht hat. Vor dem ersten persönlichen Treffen gab es tagelang einen sehr intensiven Austausch zwischen Vater und Tochter per Telefon und SMS. Auch die Tochter hatte vor einiger Zeit versucht, ihren Vater ausfindig zu machen. Und bei dem Treffen setzte dann ihre Zurückhaltung ein. Seine andere Tochter (zu der er ein gutes Verhältnis hat) hat letzte Woche geheiratet, zu dieser Hochzeit ist die "neue" Tochter mitgefahren (600 km entfernt), hat dort ihre Halbgeschwister kennengelernt. Zwischen den Mädchen funktioniert der Gedankenaustausch, mit dem Bruder ist auch alles ganz ungezwungen, nur mit dem Vater nicht. Auf der Rückfahrt hat das Mädchen sich mit der Bekannten des Vaters (die zu der Zeit fuhr) unentwegt unterhalten, während der Vater ein Nickerchen machte. Als er munter wurde, versiegte automatisch ihr Gesprächsfluss. Dies mal als Beispiel, wie das so abläuft. Sie hat ihm vorgeworfen, er hätte sie während der Feier beobachtet, als sie sich mit jungen Männern unterhielt. Seit dem sie wieder zuhause ist, ist der Kontakt abgebrochen.
Mein Vorschlag an ihn wäre, nochmals das Gespräch mit der Mutter zu suchen, ihr zu sagen, das er beiden dankt, dass sie ihm "Zutritt" in ihr Leben gewährt haben. Und das er dem Mädchen sagt, er ist ihr Vater, egal was passiert. Das er sich freut, wenn sie (die Tochter) den Kontakt zu ihm sucht und ansonsten wird er meinetwegen 14 tägig mit der Mutter Kontakt halten. Und alles weitere wird die Zeit bringen. Bloß wie ich das in "männlich" übersetze, weiß ich nicht, denn er scheint meine Worte dahingehend einfach nicht zu verstehen. Gibt es hier einen Übersetzter? Oder sehe ich das zu einfach bzw. völlig falsch?
 
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