Schock! -  "Versuchskaninchen" bei Tchibo

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Marktforschung
Degerlocher als Versuchskaninchen

Tchibo testet in Stuttgarter Stadtteil höhere Preise - Auch Media-Markt erforscht Kaufverhalten
Stuttgart - In Degerloch lässt es sich gut leben. Das weiß man auch in Hamburg, dem Sitz von Tchibo. Die Manager des Handelsunternehmens haben deshalb im vergangenen Sommer beschlossen, den Stuttgarter Stadtteil als Testgebiet auszuwählen. Wohnen hier doch nette Menschen mit Überblick, schwäbisch bodenständig, keinesfalls verschwenderisch, aber im Notfall durchaus bereit, Geld auszugeben.

Seit sechs Wochen wird das Kaufverhalten der Degerlocher beobachtet. Merken die gewieften Menschen dort, wenn man ihnen für ein und dasselbe Produkt 20 Prozent mehr abnimmt als dem Rest der Republik? Ein Beispiel ist die Elektro-Pfeffermühle: Von Flensburg bis Friedrichhafen müssen Tchibo-Kunden für die Würzhilfe 14,99 Euro bezahlen, auch in anderen Stuttgarter Filialen und im Internet verlangt Tchibo diesen vermeintlichen Einheitspreis. Einen satten Aufschlag dürfen hingegen nur die Kunden der Filiale in der Degerlocher Epplestraße berappen. Hier ist die Pfeffermühle mit 17,99 Euro ausgezeichnet. Für dasselbe Produkt 20 Prozent mehr. Einfach so? "Zur Probe!" sagt der Tchibo-Sprecher. "Die Filiale in Degerloch gehört zu den so genannten Testmärkten, die wir für unsere Marktforschung brauchen."

Klar doch: der Gemischtwarenhändler Tchibo muss wissen, welcher Preis sich am Markt durchsetzen lässt und welcher nicht. Gar nicht auszudenken, wenn Tchibo die günstige Handelsware zu billig verkauft und damit ohne Not viel Geld auf der Straße liegen lässt. "Wir wollen alle Preisspannen besser kennen lernen, damit wir sie besser definieren können", sagt der Tchibo-Mann. Als besondere Prämie für die preissensiblen Degerlocher hat sich das Unternehmen auch etwas besonders Originelles ausgedacht: "Jeder Kunde, der die Angestellten auf den anderen, bundesweit gültigen Preis anspricht, wird die Waren dort auch zu dem günstigeren Preis bekommen."

Mit einer ähnlichen Methode arbeitet auch Media-Markt. "Ich bin doch nicht blöd", wirbt der Handelsriese, aber wer glaubt, dass die Metro-Tochter in allen Märkten dieselben Preise verlangt, der irrt. Im Media-Markt am Stuttgarter Hauptbahnhof wird teilweise anders ausgezeichnet als in Esslingen. "Wir sind in dem Punkt anders als andere Handelsunternehmen", sagt der Firmensprecher. Jeder Markt kaufe selbstständig ein und orientiere sich bei den Preisen an der lokalen Konkurrenz. Die unterschiedlichen Preise je nach Filiale bezeichnet der Media-Markt-Mann als Wettbewerbsvorteil. Stolz sagt er: "Preisexperimente finden bei uns jederzeit statt."

Philipp Scheffbuch, StZ
Quelle
 
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