brauche Rat -  Wutanfälle in der Schule

Lorino2

Lorino2
Hallo,
mein Sohn wird im Mai acht und hat bereits ein Jahr Vorschule hinter sich. Er ist jetzt in der ersten Klasse und in "schönster Regelmäßigkeit" bekommt er Wutausbrüche der heftigsten Sorte gegenüber seinen Lehrerinnen. Wenn ihm etwas nicht erlaubt wird, dann rastet er vollkommen aus - er beschimpft und bedroht die Lehrerinnen auf´s Übelste und jetzt wollte er sogar von der Schule abhauen. Wenn sein Ausbruch vorüber ist, dann entschuldigt er sich immer von sich aus und es tut ihm auch leid. Nur weiß ich jetzt nicht mehr weiter. Ich bekomme laufend Anrufe von seiner Klassenlehrerin, die auch nicht mehr weiß wie sie ihm entgegentreten soll.
Habt ihr vielleicht ein paar Tipps für mich?
Zu hause passieren solche Ausbrüche so gut wie gar nicht mehr. Mal geht er gerne zur Schule und manchmal halt nicht. Die Diagnose ADHS steht noch aus - er wurde bereits getestet und ist auch schon in Psychologischer Behandlung ...

Danke!
Lorino2
 

cordu

Namhaftes Mitglied
Hallo Lorino

wir haben dasselbe Problem.
Sohnemann bekommt, aber Gott sei Dank nur gelegentlich, auch totale Wutanfälle.
Hinterher weiß er oftmal sogar nicht mehr was er gemacht hat.
Wir sind als es anfing in eine Beratungsstelle. Wirktlich geholfen hat das nicht.
Jetzt wurde er ausgetestet und wir haben die Diagnose ADS. Im Februar wird er eine Therapie anfangen und wir sind sehr darauf aus das die Schule miteinbezogen wird. Auch wegen dieser Wutanfälle. Ich glaube es ist sehr wichtig das Therapeut und Schule wissen was so abgeht. Dann kann man es auf beiden Seiten besser beurteilen.
Da ihr aber schon in Behandlung seid, wird es ja wahrscheinlich ähnlich laufen. Ich meine die Absprache Kind, Eltern, Schule, Therapeut.

Was bei meinem noch geholfen hat. Ich habe ihm auch zuhause immer zu verstehen gegenen das er mit Zorn und Wut nichts erreicht, auch nicht in der Schule.
Ein Tip den ich auch noch gelesen habe, dieses Kind wird von dem Lehrer bei Gefahr im Verzug für eine Runde austoben auf den Schulhof geschickt.
Finde ich auch nicht schlecht.

LG :bye:Cordu

upps leider etwas lang geworden
 

Lorino2

Lorino2
Hallo Cordu,

weißt du denn, wie sich die Lehrer deinem Sohn gegenüber verhalten?
Die Klassenlehrerin von meinem Sohn will ihm auch helfen, weiß aber nicht wie.
Ich werde nächste Woche auch nochmal gezielt bei der Pyschologin nachfragen.

Ich muß schon sagen, es geht mir manchmal ziemlich stark an die Nerven, wenn solche Anrufe aus der Schule kommen :traene
 

cordu

Namhaftes Mitglied
Hallo Lorino,

tja, wie verhalten sich die Lehrer meinem Sohn gegenüber?
Es ist sehr schwer für sie. Natülicherweise haben sie es nicht so "einfach" wie ich. Ich kann ihn in sein Zimmer schicken bzw. bringen (im Moment des Wutes kann man ihn nicht schicken, würde nicht ankommen bei ihm). Die Lehrer haben ja auch noch den Rest der Klasse und der muß ja auch geschützt werden. Außerdem haben sie , meiner Meinung nach , nicht den blassesten Schimmer was und wie ADS sich auswirken kann. Sie können auch nicht damit umgehen das Marius eigentlich von der emotionalen Reife her nicht wie ein 12-jähriger "funktioniert". Deshalb ist uns auch so wichtig das die Therapeutin die Schule/Lehrer mit einbezieht. Ich bin mir nämlich am Anfang der Probleme ganz schön blöd vorgekommen als man mir von Lehrer Seite aus mehr oder weniger unterstellte ich möchte meine Erziehungsfehler als ADS hinstellen.
Was bei den Lehrern auch noch fehlt ist das konsequente Einhalten von angedrohten Strafen. Da kann ich mir den Mund fusselig reden, sie schaffen es einfach nicht.

Ich lass das jetzt auch einfach mal auf mich zukommen. Ich habe dem Klassenlehrer auch schon sehr deutlich gesagt das es mir unheimlich wichtig ist das von schulischer Seite aus gleich verfahren wird wie zuhause. Das Umsetzten überlasse ich dann den Pädagogen, mal sehen was die daraus machen.

LG :bye: Cordu

schon wieder so lang, Entschuldigung
 
U

ute heidorn

Guest
Wut

Hallo Lorino,

unten ein kleiner Textauszug aus einem Skript zu dem Thema. Der kann vielleicht ein Einstieg in das Thema sein.

Die lehrerin hat über die Fachfortbildung, Bücher und Internet reichlich Möglichkeiten, sich zu dem Thema Wissen zu beschafffen. Und das ist auch ihre Aufgabe. Das die schwer ist, weiß ich, das ändert aber nichts. Die lehrerInnen bei mir in der Fortbildung empfinden diese immer als sehr hilfreich, weil wir da auch genz konkret solche Sachen üben. Also praktisch im Rollenspiel und mit Video, nicht nur als Text gelesen oder besprochen. So etwas würde ihr bestimmt auch helfen.

Gruß von Ute

Verhaltensmodifikation in der Schule
ADS-Symptomatik entsteht aus einer Kombination von genetischer Disposition und entsprechender Sozialisation in Elternhaus, Schule und durch Gleichaltrige. D.h.: Erfahrungen, Lernen und Wahrnehmen von (Interaktions-)Mustern im Kontext Schule tragen maßgeblich zur (Nicht-)Ausprägung der ADS-Symptomatik bei, weshalb der Lebensraum Schule den Auftrag hat, gute Vorbilder zu bieten hinsichtlich Strukturen, Routinen, Anregungen, was an Verhalten und Einstellungen erworben werden soll.
Konkret sollte sich die Schule Folgendes zur Aufgabe machen:
Verbesserung der Aufmerksamkeitslenkung und Selbststrukturierung durch intensive pädagogische Unterstützung:
• klare Regelsysteme
• eindeutige Anweisungen
• Klassendynamik berücksichtigen (Ruhe einfordern, Ablenkbedingungen reduzieren)
• Störungen produktiv umlenken (z.B. wer zuvor mit dem Fußball die Lampen kaputt geschossen hat, wird zum "Lichtwart" der Schule ernannt, der im Schulhaus sämtliche Glühbirnen kontrolliert und bei Bedarf den Hausmeister informiert)
• Ordnung am Arbeitsplatz (Überflüssiges vom Tisch)
• Sanktionskatalog für Fehlverhalten (wenn möglich mit inhaltlichem Bezug) ankündigen und konsequent einfordern
• Impulssteuerung durch Symbole, Handzeichen, Gestik und Mimik (wenn möglich nonverbal)
• Aufmerksamkeitslenkung durch räumliche Nähe zum Schüler (z.B. die Hand auf die Schulter legen, den Kopf in die richtige Richtung drehen, ...) und häufigen Blickkontakt
• feste (keine rollierende) Sitzordnung mit Blick zur Tafel, wenn möglich in Reichweite der Lehrkraft
• Bewegungsmöglichkeiten integrieren durch kleinere Aufträge (Tafeldienst, Karten holen, Geräte aufstellen, Blumen gießen, Telefondienst an kleinen Dorfschulen, etc.)
• Freiarbeit und Wochenplanarbeit mit strukturierender Begleitung (v.a. mit Teilergebnissicherung)
• Selbststrukturierung fordern (evt. mit Signalkarten: Stop - schau / hör / lies genau - plane sorgfältig - konzentriere dich - überprüfe Dein Ergebnis in Ruhe - gut gemacht!)
• u.ä.

Lernerfolge fördern durch adaptive kognitive Herausforderungen:
• kleinschrittig strukturieren und vorgehen, immer mit Ergebnissicherung in Form von Merksätzen und Regeln (lernen lassen und abfragen)
• häufige kleine schriftliche oder mündliche Lernkontrollen
• abwechslungsreicher Unterricht hinsichtlich Gestaltung und Material, Aufgaben mit hohem Aufforderungscharakter
• vertiefendes Wiederholen bei schwierigen Themen
• Hausaufgabenkontrolle - immer! Ab und zu Hefte einsammeln und mit ermutigendem schriftlichem Kurzkommentar versehen
• auch dem ADS-Schüler mit positiver Erfolgserwartung begegnen
• u.ä.

Stärkung und Stabilisierung von Selbstvertrauen und Anstrengungsbereitschaft durch emotionalen Rückhalt:
• positive Rückmeldung, Lob (nicht nur für richtige Endergebnisse, sondern auch für die Anstrengungsbereitschaft und individuelle Fortschritte)
• die persönliche Lerndisposition (an)erkennen und achten (Symptomatik nicht zum Vorwurf machen), ADS scheint eher "rechtshemisphärisch" zu lernen (vgl. Freed & Parsons 2001)
• Schwächen, Rückstände und Sorglosigkeiten benennen und Hilfen aufzeigen, dadurch Zuversicht und Selbstvertrauen vermitteln
• angstfreie Lernatmosphäre schaffen
• Zeitdruck und Hektik vermeiden, Geduld zeigen
• Einfühlungsvermögen zeigen (versuchen, die Welt aus den Augen des ADS-Kindes zu sehen), Gesprächsbereitschaft anbieten ("Was könnte die Aufgabe für Deine Hand / Deinen Kopf erleichtern?")
• eine positive Grundeinstellung zum Kind pflegen und störendes Verhalten nicht persönlich nehmen (kein ADS-Kind steht morgens auf, um seine Lehrer zu ärgern)
• Kritik nur im Gespräch unter 4 Augen, kein Bloßstellen vor der Klasse!

Häufig sind dazu spezielle Methoden notwendig, da pädagogische Interventionen allein keine hinreichende Wirkung erzielen. Besonders in Gruppensituationen lassen sich durch Tokensysteme und Verstärker-Entzugssysteme (Response-Cost-Systeme) spezifische Probleme leichter fokussieren. Gleichzeitig werden die Bezugspersonen zu einem konsistenten Erziehungsverhalten mit regelmäßigem Verstärken erwünschter Verhaltenselemente angeleitet.
In mehreren Studien konnte beispielsweise gezeigt werden, dass sich die Verhaltensauffälligkeiten der ADS-Kinder und -Jugendlichen durch die Verstärkung reduzierter Aktivität oder erhöhter Ausdauer vermindern ließen.
Welche Verstärker können in der Schule eingesetzt werden?
• Soziale Verstärker (Lob, Zuwendung, ...)
o sie geben Sicherheit und wirken der Angst entgegen
o sie sind einfach und jederzeit einsetzbar
Beachte: Sie sind jedoch abhängig von der Beziehungsqualität zwischen ADS-Kind und Lehrkraft

• Materielle Verstärker (kleine Geschenke, Spielsachen, ...)
Beachte: Sie sind nicht immer verfügbar

• Beliebte Tätigkeiten (Blumen gießen, Kreide holen, Ämtchen für die Klasse, ...)

• "Token"-Verstärker (= Münzen) bzw. generalisierte Verstärker (z.B. Punkte, die in eine Belohnung eingetauscht werden können)
o sie sind in jeder Situation anwendbar
o sie zeigen bereits große Vorteile durch die Selbstbeobachtung und Selbstprotokollierung durch den Schüler (meist kommt es allein dadurch zu einer Verhaltensänderung im Sinne einer situationsangepassten Selbstdarstellung). Je nach Ergebnis des Protokolls werden Tokens vergeben
o sie sind außerordentlich wirksam
 
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