Problem -  Schwieriger Teenager; am Ende der Kraft (lange Geschichte)

Feuerelfe 1968

Neues Mitglied
Hallo zusammen; aus lauter Verzweiflung wende ich mich das erste Mal in meinem Leben an Forumsteilnehmer:

Mein Sohn, heute fast 15 Jahre alt, ging nie allzu gern in die Schule. Die ersten Jahre haben seine Großeltern väterlicherseits nach der Schule auf ihn aufgepasst und sichergestellt, dass er die Hausaufgaben macht und der Ranzen pikobello für den nächsten Tag gepackt ist. Er wollte in der 4. Klasse unbedingt erreichen, aufs Gymnasium zu kommen; was er mithilfe der Großeltern auch geschafft hat. Irgendwann ab der 5. Klasse ging es dann los: Verweigerung, weiterhin zu den Großeltern zu gehen, zu viel Druck auf die Erfüllung der Aufgaben, Hausaufgaben, üben (sagte der Junge); Tränen auf beiden Seiten. Es begann der schulische Abfall. In der 5. und 6. Klasse ging es noch einigermaßen; keine herausragenden Zensuren, aber stabil genug, um weiterhin versetzt zu werden. Aber die Abneigung gegen die Schule, gegen das System Schule, wurde offensichtlicher und massiver. Keine Hausaufgaben, keine Lernmittel mitgenommen, keine Mitarbeit in der Schule. Er wurde eher zum Kasper und nervte damit jeden; die Lehrer und die Schüler. Es ging so weit, dass er quasi als Motivation von der 7. in die 8. Klasse versetzt wurde, weil die Schule an ihn geglaubt hatte. In der 8. fiel er dann dahingehend auf, dass er sich mit Kopfhörern in den Unterricht gesetzt hatte und nur noch körperlich anwesend war. Geschwänzt hat er nur ein oder zwei Mal.

Es kam, wie es kommen musste, wir mussten uns überlegen, wie es weiter gehen soll. Sitzenbleiben und an der Schule bleiben wollte er auf gar keinen Fall. Also haben wir mit ihm entschieden, auf eine IGS zu wechseln. Er kam also dieses Schuljahr übergangslos in die 9. Klasse auf die IGS. Da er Legastheniker ist war es sein größter Wunsch, in die IPad Klasse zu kommen. Das haben wir für ihn erreicht. Anfangs lief es gut, er macht gut mit, fast schon zu viel. Nach zwei, drei Monaten fing er wieder an, gar nichts zu machen. Es ging wieder von vorne los: keine Materialien dabei, nur Albernheiten im Kopf, Stören im Unterricht, massive Konfrontation mit Lehrern, sehr hohes Aggressivitätspotenzial. Eine Lehrerin ist dabei fast zusammen gebrochen. Also Gespräch mit der Schulleitung, keine Einsicht des Jungen. Nach ein oder zwei Monaten auf der IGS lernte er Schüler kennen, die mit Drogen hantierten. Da er schon immer sehr interessiert und offen für das Thema Drogen war, hat er freudig das geschenkte Extasy genommen und konsumiert. Damit ist er erwischt worden und die Folgen erläutere ich später. Ritalin hat er auch geschenkt bekommen und konsumiert, kiffen ist ganz groß. Bekifft zur Schule, Suspendierung vom Schultag am gleichen Tag. Gespräch mit der Lehrerin: er ist nicht beschulbar; Bitte um Einweisung in die Klinik).

Blick in die Vergangenheit:

Mein Exmann und ich sind seit 9 Jahren getrennt. Wir hatten eine sehr schlechte, sehr destruktive Beziehung mit viel toxischem Streit – und da mein Exmann sich nicht beherrschen konnte, auch immer vor den Kindern. Mein Exmann war sehr unzufrieden mit mir, da ich nicht so funktionierte wie er wollte. Seit der Geburt meines Sohnes war mein Mann zu Hause und ich habe das Geld verdient. Es war nicht exorbitant viel, so dass ich die Ausgaben immer im Blick haben musste. Das hatte meinen Exmann sehr genervt und ich war die Jahre über immer die Spaßbremse. Die Wut ließ er an mir aus. Er hatte sehr psychopathische Züge. Mal sehr nett und im nächsten Augenblick *BÄM* suchte er nach Streit und verwickelte mich in selbigen. Immer mit dem Ergebnis, dass er sich zurückzog, ein paar Bier reinzog und irgendwann betrunken und/oder bekifft war. Im Laufe der Jahre konnte ich nicht mehr entscheiden, ob er oder ich Recht hatte, ich hatte nur noch Watte im Kopf und bewegte mich wie eine Marionette. Irgendwann lernte er bei einer Schulung ein sehr junges Mädel kennen und trennte sich von mir. Ich kann sagen: zum Glück, ansonsten hätte ich den Absprung nicht geschafft. Nach und nach konfrontierte er mich mit neuen Freundinnen, die ja alle viel toller waren als ich. Ich habe sehr lange gebraucht, um von diesem Konstrukt los zu kommen. Es dauerte 5 oder 6 Jahre. Zwischendurch hatten wir es nochmal versucht, aber ich merkte schnell, dass ich wieder diese Watte im Kopf hatte durch seine Manipulationen. Prompt hatte er dann wieder eine Freundin. Ich konnte den Absprung wirklich nur schaffen, weil ich mir selbst ein Kontakt und Sprechverbot auferlegt hatte. Ich habe mehrere Jahre nicht mit ihm gesprochen, sondern nur über SMS oder Mail mit ihm kommuniziert. Dies diente zu meinem eigenen Schutz. Die Kinder (meine Große entstand aus einer Beziehung vor meinem Exmann) haben das nicht verstanden und mich angeklagt. Mein Sohn war bei der Trennung seinerzeit ca. 6 Jahre alt. Wir wohnen im gleichen Ort, nur ca. 500 m voneinander entfernt. Besuche waren also überhaupt kein Problem.

Irgendwann 6. Klasse hatte mein Sohn entschieden, dass er im wöchentlichen Wechsel bei jedem von uns leben wollte. Ich hatte sehr große Bauchschmerzen damit, da ich ja wusste, wie mein Mann sein kann; nämlich manipulativ und destruktiv. Aber zum Wohle des Kindes habe ich zugestimmt. Außerdem hatte ich gehofft, dass es ihm damit schulisch besser geht und sich der Knoten im Kopf löst.

Wir hatten vorher schon ein sehr offenes Besuchsrecht. Ich hatte die Kinder an 9 Tagen und er an den restlichen 5 Tagen. Meine Tochter hatte im Alter von 16 Jahren nach einem Urlaub und Streit mit meinem Exmann und seiner derzeitigen Freundin und heute Frau entschieden, nicht mehr dorthin zu gehen und brach das Besuchsrecht ab. Heute ist sie 19. Sie haben mittlerweile wieder einen ganz guten Kontakt.

Da mein Sohn sehr „anders“ ist haben wir natürlich geschaut, ob es irgendwelche Defizite oder das alles krankheitsbedingt sein kann. Wir haben folgendes durch: Diagnose ADS oder ADHS nicht gegeben, keine Konzentrationsstörungen, kein Asperger, Legasthenie: ja, Dyskalkulie: nein, IQ durchschnittlich 136; in einem Teilbereich 150. Schilddrüse ist ok.

Letztes Jahr war es ganz schlimm (also in der Zeit 7. und Wechsel n die 8. Klasse): er hatte plötzlich ganz viele Schnitte an beiden Oberarmen. Wir hatten seit der 6. Klasse Kontakt zu einer psychotherapeutischen Praxis, wo er ab und zu Gesprächstermine hatte. Dort wurde ich nach einer Sitzung hereingerufen und mir wurde mitgeteilt, dass wir umgehend in eine Klinik fahren sollten und bekamen eine Einweisung mit. Ein totaler Schock: er war suizidal. Also Einweisung in die geschlossene Abteilung der Kinder und Jugendpsychartrie. Er blieb eine Woche, wurde dann wieder entlassen, weil er rebellisch wurde und keine akute Gefahr mehr bestand. Aber er hat die Aufmerksamkeit genossen, die er dann in der Klasse am Gymnasium und von uns Eltern hatte. Das war dann der Zeitpunkt, an dem ich wieder beginnen musste, mit meinem Exmann zu sprechen. Mein Sohn hatte dann entschieden, dass er nicht mehr bei mir, sondern bei meinem Exmann leben wollte. Ich habe sehr darunter gelitten…. Er hatte in der Zeit den Kontakt zu mir komplett abgebrochen.

Ein, zwei Monate später musste mein Exmann ihn wieder in die Klinik bringen; wieder brauchte er diese „Ausszeit“; aber wieder hatte ihn die Klinik nach ein paar Tagen entlassen, weil sie auch nicht wussten, was der Junge hat. Wir waren in der Zeit auch mit dem Jugendamt im Kontakt, die auch nicht wirklich hilfreich waren. Letztendlich können sie nichts machen, wenn der Junge nicht will. Nach dem zweiten Klinikaufenthalt haben wir privat einen Therapeuten gesucht und gefunden. Dort ist er ein paarmal hin. Er hat sich Hobbys gesucht und wieder mehr mit Freunden gemacht. Er war fröhlich.

Im März d. J. stand er plötzlich vor meiner Tür und wollte bei mir bleiben. Er hatte einen Streit mit Papa gehabt. Danach wollte er auch nicht mehr mit meinem Exmann reden. Da ich große Angst um ihn hatte (von wegen suizidal) habe ich ihn aufgenommen. Von März bis zum Anfang des neuen Schuljahres lief es ganz gut: anstrengend war er trotzdem. Er wusste, dass er auf dem Gymnasium nichts mehr reißen musste, er wusste, dass er die Schule wechseln wird. Wir sind in den Urlaub gefahren. In der Zeit bei mir hatte er für sich entschieden, dass er keinen wöchentlichen Wechsel mehr will, sondern einen Wechsel alle 6 Monate. Er würde sich nirgendwo zu Hause fühlen. Wir Eltern haben zugestimmt – alles zum Wohle des Kindes. Dann brach mein Junge im Sommer die Gespräche mit dem Therapeuten ab, weil er sie als nicht mehr notwendig erachtete.

Seit Mitte September ist er also wieder bei meinem Exmann. Und wieder wird es immer schlimmer. Die zweite Frau meines Exmannes ist schwanger und der Entbindungstermin ist ausgerechnet in der Zeit des Geburtstags meines Sohnes. Gut, das ist nun blöd, aber nicht zu ändern.

Ich muss dazu sagen, dass mein Exmann in der Zeit als Jugendlicher auch kein einfaches Kind war: Punk, von zu Hause weggelaufen, Drogen und Alkohol konsumiert; wollte Freiheit. Genauso ist mein Sohn auch – oder mein Sohn meint, so sein zu müssen… heute geht mein Exmann einem ordentlichen Beruf nach und ist Heilpädagoge geworden.

Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Mein Sohn lehnt mich wieder einma komplett ab (ich habe einen Stock im Ar***), aber erzählt mir in seltenen Momenten Dinge und seine Weltsicht. Ihm schwebt grenzenlose Freiheit ohne Regeln vor (die es nicht gibt, was er aber nicht versehen will). Freunde hatte oder hat er immer schon wenig gehabt. Das Jugendamt ist weiterhin mit uns in Kontakt und schlägt eine Internatsunterbringung vor. Aber das ändert ja nichts an seiner Schulphobie… er wird dort genauso wenig erledigen und fliegt dann auch dort von der Schule.

Ach ja, der Konsum von Extasy an der Schule und das Propagieren von Drogen und die Regelverletzungen gegenüber der Schule und den Lehrern haben ihm nun eine Suspendierung vom Unterricht bis zum 04.02.19 eingebracht. Wir können von Glück sagen, dass die zweite Frau meines Exmannes zu Hause ist, um ihn ein wenig im Blick zu haben. Eigentlich müsste sie das nicht machen, das habe ich ihr auch gesagt. Eigentlich könnte sie die Verantwortung direkt an uns übergeben. Die schulischen Dinge erledigt er natürlich NICHT…

Ich für mich kann nur sagen, dass ich ganz schlecht los lassen kann. Ich bin in Gedanken ständig bei ihm und muss auch ganz viel weinen (Erläuterung: ich bin 50; können auch Wechseljahre sein). Ich bin blockiert und kann nur ganz schlecht etwas für mich tun. Glücklicherweise habe ich seit drei Jahren auch wieder einen Partner an meiner Seite, der mein Fels in der Brandung ist.

Ich würde dem Jungen so gerne helfen, aber er weigert sich. Aber in anderen Momenten wie z. B. Heiligabend (das war das erste Mal nach 9 Jahren, dass wir alle gemeinsam den Abend verbracht haben): der Junge, die große Schwester, mein Exmann, seine Frau, deren Hund, meine Ex-Schwiegereltern) lag er plötzlich ganz schwer in meinen Armen und wollte gehalten werden. Er hat sich an mich angelehnt und hat das auf dem Kopf streicheln ertragen.

Wie überwinden wir (bzw. er) die Schulphobie? Wie kann man ihm klar machen, dass er Hilfe braucht und annehmen muss? Wir erzählen ihm ja auch andauernd, dass er sein Verhalten ändern muss. In der Schule ist er totale Arsch und total asozial. Aber das ist er nicht… er ist sensibel und emphatisch. Eigentlich ist er ein toller Kerl, und das sage ich ihm auch oft.
 

Feuerelfe 1968

Neues Mitglied
Hi, irgendwann hatte ich auch mal eine Familientherapie im Sinn und auch mit meinem Exmann darüber gesprochen. Ich war dann bei dem Gespräch zwischen meinem Sohn und meinem Exmann nicht dabei, aber der Junge hat abgelehnt... keinen Bock drauf. Wir können ihn ja auch zu nix zwingen, und bevor er Märchen erzählt und total abblockt....

Zu Hause beschulen: das wäre natürlich der Knaller und für den Augenblick tatsächlich etwas, was er toll finden würde. Keine Ablenkung, volle Aufmerksamkeit auf ihn. Die große Schwester ist schon toll und “normal“, die kleine Schwester, die bald kommen wird, bekommt allein schon durch die Niedlichkeit und das Baby-sein eine besondere Stellung.

Ich habe aber keinen Schimmer, ob das in Deutschland überhaupt möglich ist, geschweige, wer soll das bezahlen? Hat jemand Erfahrung?
 

rue40

Neues Mitglied
Hallo Feuerelfe,
meine Verzweiflung hat mich nun auch das erste Mal Mitglied in einem Forum/Chat werden lassen. Bei dem was du schreibt habe ich an vielen STellen unseren Sohn (14) wieder gesehen. Verweigerung und Isolation aber auch hohe Sensibiliät und partieller Drang nach Perfektion sind da so Stichworte.
Er tut auch nichts für die Schule - ist an einer Gesamtschule und mittlerweile von der gymnasialen Stufe teilweise in den Hauptschulzweig gegangen - gibt immer wieder an "ja mach ich" kommt aber nicht zu Potte, sieht überall Doofe und Schuldige, nur keinesfalls irgendeine Verantwortung bei sich und und und.
Regeln einhalten geht garnicht, wenn wir sie dann konsequent fordern rastet er teilweise komplett aus. Gestern hat er mit blanker Faust eine Glastür eingeschlagen. Krankenhaus Notdienst, Schnitte verkleben. Konsequenz? Weiterhin mieseste Laune. Kein guten Morgen, oder wenn dann äußerst geqält, etc etc. Annähernd immer "alles blöd".
Okay da ist ein Haufen Pubertät drin, aber leider nciht nur. Aggressionen z.B. unglaublich. Da kann er einem Leid tun, aber selten schaffe ich das. Um ehrlich zu sein tue ich mir leid. Meine Geduld ist oft am Ende. Mein unglaublich geduldige und immer wieder bei Positiven ansetzende Frau, ist in Situationen wie gestern allerdings auch definitiv am Ende. Die Nächte verbringen wir mehr oder minder wach. Auch nicht gerade Gedulds- oder Gelassenheitsfördernd.
2x war er jetzt bei einem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Schon mal ein guter/wichtiger Ansatz. Der Therapeut meinte aber auch das es sein kann das er nicht erreichbar ist. Jungs 13/14, da wäre der Zug evtl. zu schnell am fahren um da noch aufspringen zu können. Wir bleiben natürlich dran.
Er hat kaum Freunde und verbringt den allergrößten Teil seiner Zeit am Bildschirm. Regeln hin, regeln her... siehe oben.
Das Zähne garnicht bis kaum geputzt werden, Unterhosen weit mehr als 3 Tages Bärte tragen ... interssiert uns schon garnicht mehr. Die existenziellen Baustelle sind einfach viel zu viel.
Was mich zusätzlich sehr belastet: er lehnt mich total ab, ignoriert mich völlig, geht mir aus dem Weg wo er nur kann. Keine Gespräche, keine Augenkontakte und schon gar keinerlei Berührung. Wenn das mal in kleinstem Masse "passiert" schreckt er auf und dreht sich weg.
Eine Vermutung: war vor 5 Jahren schwer erkrankt, unklar ob ich da lebend raus komme. Hat er sich abgelehnt gefühlt weil ich drohte zu gehen? Das amcht es für mich dann allerdings doppelthart. Hat lang zu kämpfen, bin heilfroh das es mir wieder annähernd gut geht und dnn kommt da noch was dazu. Aber das ist noch eine Vermutung.
Dazu kommt auch die Tatsache: Einzelkind. Aber nach 3 Fehl- bzw Totgeburten. Da entsteht auch eine sehr spezielle Dynamik auf vers. Ebenen.
Was mich jetzt mit am ehesten interessiert - brauche um ehrlich zu sein keine Ratschläge wie "schnapp ihn die mal und macht schöne Sachen zusammen" oder "rede mit ihm" - alles alles tausendfach probiert: Verweigerung.
Wer hattte denn ähnlich Erfahrungen und wie ist das weiter gegangen. Braucht es einfach riesen riesen große Portionen Geduld und dran bleiben und immer wieder Positives positiv Verstärken? Was hat Geholfen? Die Zeit? Das Nichtstun/sein lassen? Internat, Jugendamt, PC Entzug.... ?
Wir sind da gerade mal wieder echt am Ende, zmal es mehr und mehr und schwieriger und schwieriger wird. Hoffe in z.B. 2 Jahren darüber etwas lächeln zu können. Gerade macht das Leben so keinen Spass.

Jetzt habe ich absolut nur über mich geschrieben, vielleicht sollte ich das selber ins Forum stllen. Wolle es aber Dir/Ihnn schicken. Erfahrungen teilen.
Danke.
 

Feuerelfe 1968

Neues Mitglied
Hi, meine Antwort an rue40 (ich hoffe, Du liest es....):

es ist so verdammt schwierig. Ich hoffe jeden Tag, dass dieser Alptraum irgendwann einmal vorüber ist...
Mittlerweile haben wir vom Jugendamt eine Familienhilfe über 150 Stunden bewilligt bekommen, nachdem unser Sohn schon wieder 3x von Elternteil zu Elternteil ist und nicht entscheiden konnte, wo er wohnen möchte und sich bei uns Eltern wie die wilde Sau benommen hat. Momentan ist er gerade wieder bei mir. Die Familienhilfe redet mindestens 1x die Woche mit mir und 1x die Woche mit unserem Sohn. Beim ersten Gespräch mit ihr allein konnte er sich sogar gut öffnen, sagte sie. Er hatte folgende Aussagen gemacht:

1. ich möchte einfach nur ein Teenager sein und ein Teenager-Leben führen
2. ich möchte nicht immer so früh zu Hause sein (was ja seinerzeit eine Sanktion auf seine Suspendierung von der Schule war. Jetzt darf er bis maximal 21:30 Uhr draußen bleiben, weil es der letzte Bus ist, der bei uns im Dorf eintrifft)
3. ich will nicht sagen müssen, wo ich mich aufhalte
4. ich möchte unbegrenzt Internet (jeder hat das)
5. ich möchte nicht kontrolliert und bemuttert werden
6. ich will meine eigenen Fehler machen
7. ich möchte nicht lügen müssen, wenn ich Gras im Haus habe. Darf ich welches hier haben, ohne dass es mir weggenommen wird?
8. ich fühle mich in der Schule nicht wohl. Die Lehrer hassen mich
9. ich bin nirgendwo richtig zu Hause
10. ich möchte meinen Eltern nichts erzählen

Wir haben nun folgendes vereinbart:
1. muss ich wohl akzeptieren, er ist mittlerweile 15 Jahre alt
2. wie gesagt, 21:30 Uhr ist das Maximum, außer, der Bus verspätet sich
3. da musste ich schlucken, aber was soll ich tun
4. ich habe nun 2 Std. freies W-Lan eingerichtet; aber ab und zu darf er mein Tablet mit Netflix haben. Oder bei besonderen Erledigungen (z. B. Auto saugen) vergebe ich ein Ticket über 45 Minuten zusätzlich
5. mütterliche Weckrufe morgens von der Arbeit habe ich nun eingestellt; er ist selbst dafür verantwortlich, morgens in die Gänge zu kommen
6. tja... da hat er ja recht... es ist nur schwer auszuhalten
7. die Antwort habe ich vertagt, aber ich werde es ablehnen
8. ein weiterer Schulwechsel...? Ich bin mir nicht sicher, ob das hilft
9. jetzt ist erstmal der Wechsel zwischen den Eltern 3 Monate/3 Monate geplant
10. habe ich mittlerweile auch von anderen Eltern gehört; die Jungs erzählen nichts oder nur sehr spärlich

Hausregeln:
- Wäsche zum Wochenende abliefern oder selber waschen
- Geschirr mind. 2x die Woche ohne Aufforderung aus dem Zimmer räumen
- Pfandflaschen leeren und in den dafür vorgesehenen Schrank packen
- Punkt 2 und 3 gilt nicht nur für's eigene Zimmer, sondern auch für Gemeinschaftsräume

Erwartungen:
- kein Ausbüchsen oder Schwänzen von der Schule
- morgens ohne Aufforderung fertig machen und in die Schule gehen
- Verhalten ggü. Lehrern im Blick haben
- keine Drogen in Form von Cannabis, Tabletten, Pulver, Liquids jeglicher Art, Alkohol in der Schule oder zu Hause.

Bis heute lief es einigermaßen; jedenfalls habe ich bisher noch keinen Anruf von Lehrern bekommen. Aber man muss jeden Tag neu denken und ich bin immer noch permanent angespannt. Mit Wäsche und Geschirr müssen wir noch üben. Aber er hat wenigstens ohne zu murren gestern Wäsche aufgehängt.

Ansonsten: irgendwie in Kontakt bleiben. Neulich hatten mein Freund und ich Netflix auf dem Tablet geguckt und er hat sich dann dazu gelegt und sich ein bisschen angekuschelt...

Mir haben ja immer seine Ausraster und das Gebrüll zu schaffen gemacht. Das letzte mal bin ich ganz ruhig geblieben und habe ihn festgehalten, als er flüchten wollte. Zwar ist er abgehauen, kam aber kurze Zeit wieder.

Er will weiterhin keine Hilfe von außen. Wir waren in der KJP, aber er möchte nicht wieder dort hin.

Ich habe natürlich auch viele Sorgen wegen der Schule und weil er "darauf sch...ßt". Ein Psychotherapeut hat mir gesagt: "der Schulabschluss ist jetzt nicht wichtig; wichtig ist die seelische Gesundheit Ihres Sohnes. Es gibt nun Hilfe von außen durch die Familienhilfe. Und was möchten Sie für sich tun?"

Zeit... wahrscheinlich hilft wirklich nur Zeit... und dass man ganz ruhig mit den Jugendlichen umgeht und redet. Ein Fels in der Brandung sein.... Nur, wie lange kann man das leisten, ohne selbst vor die Hunde zu gehen? Ich werde mich demnächst heraus ziehen. Ich habe eine Einweisung vom Arzt für eine Klinik bekommen. Das dauert nun ein bisschen, bis ich dort hin kann, aber ich möchte mich dort emotional erholen und mir dabei helfen lassen, wie ich mich besser abgrenzen kann.

Mein Sohn sieht aus wie ein Penner: schlabberige Pullis und Hosen, dreckige Turnschuhe, zerrissene Jacke, Zähne nicht geputzt. Pickel ohne Ende, weil er sich ungesund ernährt (ich soll aber auch nicht mehr für ihn kochen). Aber wenigstens wechselt er täglich die Unterhosen und Socken. Vielleicht regelt sich das wirklich irgendwann von allein...

Liebe Grüße
 

rue40

Neues Mitglied
Wau, da ist ja einiges passiert. Gut strukturiert! Toll das ihr eine gute Hilfe habt. Gehe das mal in Ruhe mit meiner Frau zusammen durch und vielleicht ist da so manches dabei was auch uns weiterhelfen könnte. Das mit den Strukturen/ Regeln versuchen wir immer wieder. Allerdings nur teilweise mit Erfolg. Da widersetzt sich unser Sohn immer wieder mit seinen ganz eigenen Mitteln. Hie und da kommt dann aber doch was an. Die letzten 36 Stunden ware zumindest mal wieder etwas ruhiger und entspannter. Da muss man sich dann immer wieder daran aufbauen.
Also, vielen vielen Dank!!
 
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