Frage -  Ein behindertes Kind- was nun?

annika85

Neues Mitglied
:Lesen
Hallo Forumnutzer! :zwinker:

Mein Name ist Annika. Ich komme aus Frankfurt und studiere in Idstein im Taunus Ergotherapie.
Zurzeit haben wir u.a. auch ein Fach, welches sich Behindertenpädagogik nennt. Innerhalb dieses sehr interessanten Fachs dürfen wir die Gelegenheit nutzen und eine Semesterarbeit verfassen.
(Titel: Wir erwarten ein behindertes Kind!- Eltern in der Entscheidungsphase nach der pränatalen Diagnostik)
Gerade für nicht- Betroffene stellen sich immer wieder Fragen wie:
- Warum lässt man sich untersuchen?
- Was geht den werdenden Eltern durch den Kopf und was fühlen sie, wenn sie die Diagnose bekommen oder kurz vor der Untersuchung stehen
und
- Wie verarbeiten die Eltern die Nachricht?
Dies sind nur Teilsequenzen meiner Ausarbeitung.
Ich kann viel philosophieren, wie Eltern sich fühlen, aber das möchte ich nicht, denn ich denke darüber können nur Betroffene urteilen und es steht auch nicht- Betroffenen nicht zu darüber zu urteilen.
Aus diesem Grund habe ich dieses Forum aufgesucht und ich würde mich sehr freuen, wenn sich ein paar Mitglieder zu meiner Fragestellung:
" Was fühlt man vor der Untersuchung"
und
"Was gehen einem für Fragen durch den Kopf, wenn man die Diagnose bekommt"?
Ich wäre allen Forumnutzern um einen kleinen Beitrag sehr sehr dankbar!!!
:anbet :bye:
 

sandra

Aktives Mitglied
Hallo,

hmmmm, ich denke das ist eine sehr schwierige Situation.
Ich weiß nicht ob du das Forum Rehakids kennst, ich habe mich dort angemeldet, weil mein Sohn ein ADHS ler ist, und ich immer am Hadern bin, ob er nicht evtl auch eine schwache Form von Autismus hat.
Darüber hinaus, arbeite ich in einem Kindergarten, den zur Zeit 3 Behinderte Kinder besuchen.
Also kann ich dir auf jeden Fall nicht aus erster Hand berichten wie man sich dabei fühlt.
Ich weiß nur, das die MEthoden, wie die Eltern damit umgehen, sehr unterschiedlich sind.
Wir haben zb 2 Kinder die eine Erbkrankheit haben.
Die Eltern haben schon das Leiden, eines Familienangehörigen miterleben müssen.
Die Eltern haben diese Untersuchung machen lassen, bei der ersten Schwangerschaft, und haben sich für das Kind entschieden, obwohl sie wussten, das es die Krankheit hat.
Beim zweiten, haben sie die Untersuchung machen lassen, aber es wäre angeblich ein negatives Ergebnis rausgekommen.
Diese Eltern, wehren und blocken alles ab. Sagen ihren Kinder nicht mal das sie krank sind, obwohl die Auswirkungen der Krankheit schon so weit fortgeschritten ist, das die Kinder es selbst mitbekommen.Eltern überfordert, und für aussenstehende leicht gesagt, aber machen wirklich sooo viel falsch. Weiter möchte ich mich da auch nicht auslassen.

Dann haben wir noch ein Kind, da dachten die Eltern, sie hätten ein gesundes Kind, aber mit der Zeit kam die Erkenntnis, das es kein gesundes Kind ist.
Diese Familie tut aber alles mögliche, und bemüht sich auch dem Kind zu helfen.
Mehr kann ich jetzt auch zu diesem Fall nicht sagen.


lg
 

Cancro

Aktives Mitglied
Ich denke auch dass das nur jemand sagen kann, der einmal in der Situation war. Ich habe immer gesagt, ich würde kein behindertes Kind auf die Welt bringen-der Meinung bin ich auch jetzt noch-aber wenn man dann wirklich vor der Entscheidung steht, ist wahrscheinlich alles anders.
Man muss wohl auch abwegen wie schwer die Behinderung wohl sein wird. Und selbst eine Fruchtwasseruntersuchung ist nicht 100%ig sicher, ob ich dann das Risiko eingehen würde ein Kind wegmachen zu lassen, bei dem noch ein Funken Hoffnung ist, dass es ein normales oder nicht ganz so schweres Leben führen könnte wie vorausgesagt. In so einer Situation klammert man sich wohl an jeden Grashalm.
Wenn man die Nackenfaltenmessung machen lässt, geht man wohl erst mal davon aus, dass alles in Ordnung ist-so war es bei mir jedenfalls. Ich hab mir bis zu dem Zeitpunkt eigentlich keine Gedanken über die Konsequenzen gemacht. Wenn sie auffällig gewesen wäre, hätte ich nur eine FWU machen lassen, wenn ich mir sicher gewesen wäre, dass ich es bei einer diagnostizierten schweren Behinderung hätte abtreiben wollen.

LG Tanja
 

nummer3

Namhaftes Mitglied
Hallo,

ich war immer vom Gefühl her überzeugt, daß es meinen Kindern gut geht und hatte deshalb auch keine Angst vor den Untersuchungen.
Beim dritten Kind hat damm der Arzt sehr lange untersucht und dann irgendwann gesagt, er hätte den Verdacht, daß die Nieren nicht funktionieren und wir das abklären müssen. Ich war geschockt, hab irgendwie alles nur noch durch Watte wahrgenommen, war irgendwie gar nicht richtig bei mir. Am Tag der Spezialuntersuchung war zum Glück mein Mann bei mir - alleine hätte ich diese furchtbare Anspannung nict überstanden. Es kam dabei dann zum Glück raus, daß alles in Ordnung ist. Und von da an hab ich sehr lange geweint, gezittert (weil sich die große Anspannung löste) vor lauter Glück.
Wobei es für mich nicht in Frage käme, ein Leben zu beenden, auch wenn es behindert ist.
Paßt zwar nicht haargenau auf dein Thema, aber die Gefühle sind sicher ähnlich...
 

steffi1977

glückliche Mama
Als meine Tante Schwanger war, hatte Sie eine Traumschwangerschaft. Selbst im 9 Monat einen Tag vor der Geburt hat sie noch Karten gespielt und ihr ging es SUPER.
Ein Tag nach der Geburt stellte sich herraus das mein Cousin schwer Krank ist und musste am 3ten Tag opperiert werden.
Er ist schwer behindert eingestuft, aber nicht vom Körperlichen sondern vom Herzen und der Lunge. Er ist mitlerweile 8Jahre alt, wurde 6mal in London bei einem Spezi opperriert (es werden noch einige folgen) und hat hier auch schon einiges hinter sich. Seine Krankheit ist weltweit "einmalig" und nur zwei Ärzte haben sich bereit erklärt dieses zu opperieren. Eine Lebenschance ist 50/50 bis zum 40Lebensjahr.
In der Schwangerschaft wurde ihr gesagt das das kleine Würmchen in ihr kern gesund ist ... tja aber das was er hat konnte man nur mit ganz speziellen Tests herrausfinden und sowas macht man ja eigentlich selten wenn keine Vorgeschichte da ist.

Die ersten 2 Jahren waren sehr schwere Jahre, als Baby durfte er nur zu bestimmten Zeiten ein Fläschchen und das noch nicht mal die volle Menge, er durfte kaum bis gar nicht weinen .......
es war eine schwere Zeit und ist es gerade zu den LondonZeiten wieder, aber meine Tante und mein Onkel würden IHN NIE wieder her geben. Es ist egal wie teuer (müssen die hälfte der Kosten selbst zahlen) egal wie schwer egal wie hart und egal wie oft, der kleine schwer kranke Junge ist UNSER HELD und hat dieses Leben genauso verdient wie jedes andere Kind auch.

Ich habe meine Tante und meinen Onkel mal gefragt was Sie gemacht hätten wenn die es in der SS erfahren hätten ?? Sie sagten wir würden nichts anders machen.

Ich bewundere die beiden Tag für Tag, die beiden geben den kleinen ein "normales" Leben und selbst mit der Krankheit muss er seine Aufgaben erledigen. Er wird nur leicht in Watte gepackt (siner Krankheit angemessen).
Die Kraft der Eltern ist bewundernswert, viele in unserem Umfeld fragen sich oft wo sie das her nehmen. Ich kann ganz klar sagen "schaut euch den kleinen Helden an und ihr wisst es" :)

So ich hoffe ich habe nicht gelangweilt und bin nicht an deinem Thema vorbei :]
 
U

User4

Guest
Bei meinem ersten Kind hatte ich einen auffälligen Trippletest, der Verdacht auf Downsyndrom wurde später aber bei weiteren Tests ausgeschlossen.
Ich hatte mir damals sehr viele Gedanken gemacht darüber, was wäre wenn...

Mein Sohn ist dann im 8.SS-Monat verstorben. Trotz aller positiven Tests...

Dann wurde ich wieder schwanger und die Frage stand wieder: testen lassen oder nicht? Letzten Endes kam ich zu dem Schluß, dass ich mir das erspare, weil es mir egal wäre, wenn eins meiner Kinder behindert wäre, ich würde es trotzdem bekommen wollen und lieben...
 

Lys

Namhaftes Mitglied
Also ich kann nicht ganz passend zum Thema schreiben....denn ich wusst ein meiner traumhaften ersten Schwangerschaft nichts vom Down Syndrom meiner Tochter.

Aber ich KANN sagen, dass ich froh bin, sie zu haben....und dass ich froh bin, damals KEINE spezielle Diagnostik gemacht zu haben, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich sie wirklich bekommen hätte, wenn ich es vorher gewusst hätte.

Weiterhin kann ich sagen, dass ich jetzt in meiner neuen Schwangerschaft ganz bewusst auf den ganzen Zauber verzichte, da ich niemals in die Situation kommen möchte, über das Leben oder den Tod eines Babys entscheiden zu müssen.

Meine Tochter ist behindert, ja. aber sie geniesst ihr Leben in vollen Zügen und ich denke nicht, dass es nicht "lebenswert" ist, oder dass irgendjemand das beurteilen kann.

Ich habe natürlich schon Angst, ob mit diesem neuen Baby alle sin Ordnung ist....aber keine Pränatal-Diagnostik der Welt kann einem diese angst wirklich nehmen. Im Gegenteil, wenn man Pech hat, verstärkt die Diagnostik die Unsicherheit und Angst nur, oder sie ist eventuell sogar dafür verantwortlich, wenn dem kind was geschieht. (Eventuell durch FU ausgelöste Fehlgeburt, Verletzung des Ungeborenen etc.)

Ausserdem neigen leider sehr viele der "Götter in Weiss" dazu, bei eventuell in der Schwangerschaft festgestellten Behinderungen gleich mal zur Abtreibung zu raten, ohne der Schwangeren eine vernünftige beratung zu bieten.....ich möchte nicht wissen, wie viele Behinderte nur wegen falscher oder mangelnder Aufklärung
abgetrieben werden....und wie viele Familien das später bereuen......

Gruss Lys
 

annika85

Neues Mitglied
Ich möchte mich zunächst für die Antworten bedanken!
Ich spreche hier ein sensibles Thema an und weiß es sehr zu schätzen, dass ihr mir antwortet!!!
Egal ob Sandra von Eltern aus dem Kindergarten, Cancro über ihre Gedanken , nummer3 von Ihren Emotionen und der so wichtigen Unterstützung, Steffi von ihrer Tante(Wie kommst du darauf, dass du langweilst???), Mongruadh von ihren Einstellung und Lys von ihrer Tochter erzählt.
Ich bin unerfahren. Ich kann zwar ähnlich wie Steffi von Bekannten erzählen, aber das sind andere Gefühle, Gedanken oder Einstellungen, wie wenn man selbst betroffen ist.
Apropos: Das mit "dem Held" und "nie wieder loslassen".... Unsere Bekannten hatten auch ein behindertes Kind zur Welt gebracht. Aus Erzählungen müssen die Eltern, so wie vermutlich viele Betroffene, etliche Untersuchungen durchgemacht haben, nicht gewusst haben ja/nein und haben sich dann für das Kind entschieden. Wenn man heute den Kleinen sieht, dann sieht man einen kleinen Strahlemann bei dem man meinen könnte, dass er ganz bewusst lebt. Voller Freude, immer einen verschmitzten Spruch auf Lager. Er hat einen 2 Jahre jüngeren, total gesunden Bruder, und der zieht ihn mit. Er kann dadurch unheimlich an fehlender Entwicklung aufholen. Logisch, die Behinderung bleibt, er geht mittlerweile auch auf eine Sonderschule, aber die Eltern meinten letztens: Der Kleine (natürlich sein Bruder auch) macht unser Leben erst lebenswert.....
Ich finde das berührt... :rolleyes:
Nochmals danke an alle die sich bis jetzt geäußert haben!!! :druecker
(schöne Feiertage)
 

Ysahi

auf dem sonnendeck
hallo annika,
auch wenn es vielleicht etwas am thema vorbei ist, da ich selber eben auch noch keine erfahrungen gemacht habe, wollte ich ein paar eindrücke loswerden. ich gebe lys völlig recht und habe das leider auch schon mehrfach beobachten müssen. sehr viele ärzte gehen sehr vorschnell mit der empfehlung um, eine schwangerschaft lieber abzubrechen, als ein kind mit down-syndrom oder anderen erkrankungen zu bekommen. auch ist deren rat bei auffälligen pränataltests (egal welcher art) oder bei auffälligkeiten in der anamnese eher einseitig (z.B. mutter berichtet, dass als sie noch nicht wusste, dass sie schwanger war viel geraucht, getrunken, gekifft und ecstasy genommen hatte - rat des arztes: auf jeden fall abtreiben! kind ist jetzt übrigens gesund und munter und hat keine krankheiten oder verhaltensauffälligkeiten).

ich denke, wenn bei der diagnosemitteilung die beratung umfassender in eben beide richtungen (schwangerschaftsabbruch UND bzw. oder leben mit dem behinderten kind / aufklärung über die krankheit (nicht nur negative aspekte eben) ablaufen würde, würden viele eltern sicher auch anders mit der gestellten diagnose umgehen können. viele ärzte haben schlicht und einfach keine ahnung, dass es z.b. selbsthilfegruppen oder vereine etc gibt, die auch schwangere beraten und ihnen zeigen, dass eben ein leben mit behindertem kind unheimlich schön und bereichernd sein kann. vielleicht könnte man da mal eine studie machen, wieviele ärzte eher vorschnell einem abbruch zustimmen, bzw. ihn sogar noch empfehlen. ich denke die ergebnisse wären erschreckend.

naja... das wollte ich mal dazu sagen...
 

pseudomonas

Aktives Mitglied
Hallo, ich war mal in einer solchen "ähnlichen" Situation gewesen. Unsere Tochter ist 2005 auf die Welt gekommen und wir dachten sie wäre gesund. Ich habe in der Schwangerschaft keine Untersuchungen machen lassen, die z.B. erkennen können ob mein Kind Behindert sein könnte. Ich dachte immer, ich bin ja jung und gesund und in meiner Familie gab es bisher keine solche Behinderungen. (eigentlich naiv, so etwas zu glauben - mir passiert sowas nicht!)
Na ja, am zweiten Tag nach der Geburt unserer Kleinen wurden wir plötzlich von der Ärtzin ins Arztzimmer gerufen. Ich dachte, dass sie unsere Kleine nur regulär untersuchen wollte, statt dessen sprach sie die Vermutung aus, dass unsere Kleine das Down-Syndrom haben könnte! Es war schrecklich das zu hören. Sie meinte unsere Kleine hätte einige Anzeichen, wie kleine Ohren, sie würde ständig ihre Zunge aus dem Mund strecken und sie hätte eine durchgezogene Lebenslinie an ihren Handinnenflächen.
Für mich brach eine Welt zusammen. Ich konnte nicht glauben, dass unser süßes Baby so krank sein sollte. Ich war erst 23 Jahre alt und das war mein erstes Kind. Ich war mit dieser Situation völlig überfordert.
Es war ja nur eine Vermutung und wir mussten ihr am Montag darauf Blut abnehmen lassen für die Chromosomenanalyse. Der erste Ergebnis würden wir erst eine Woche später bekommen.
Diese Zeit der Ungewissheit war die Schrecklichste in meinem Leben, vor allem weil es auch mein Verhältnis zu meiner Tochter beeinflusste. Ich war nicht fähig mich um die Kleine zu kümmern, ich habe nur geweint und ich hörte auf alles was andere Leute über das Aussehen unserer Kleinen sagten (auch wenn sie nichts von der Vermutung der Ärztin wussten).
Die Hebamme, die zur Nachsorge zu uns nach Hause kam, wusste von der Vermutung der Ärtzin, dass unsere Kleine vielleicht das Down Syndrom haben könnte und sie sagte dann sofort, dass sie es sicherlich hätte, alle Merkmale an ihrem Aussehen würden darauf hindeuten. Ich war völlig fertig, immer wenn diese Frau bei uns war und wieder zur Tür hinaus ging, waren meine Hoffnungen, doch ein gesundes Kind zu haben wie weggepustet.
Ich bereute es damals, dass ich in der Schwangerschaft keine Untersuchungen gemacht hatte, die so etwas feststellen konnten, denn hätte ich gewusst, dass ich ein Behindertes Kind bekommen würde, hätte ich es wahrscheinlich nicht bekommen (das hört sich zwar ziemlich hart an, aber damals habe ich so gedacht.)
Diese grausige Woche und der schwere Start für uns, nahm dann schließlich ein Ende, als die Klinik bei uns anrief und die Ergebnisse der Chromosomenanalyse unserer Kleinen verkündete: Unsere Kleine war gesund! Und heute ist sie eine fröhliche und völlig gesunde fast zwei jährige...
 

Lys

Namhaftes Mitglied
Liebe Ysahi,


ja, so eine Studie wäre bitter nötig. Aber ein ganz offene und ehrliche....

Ich kann einfach nicht verstehen, wieso die Ärzte nicht auch darauf hinweisen, dass es sehr wohl viele glückliche Familien gibt, in denen ein behindertes Kind ganz selbstverständlich mit aufwächst. Klar, sie sehen eher die medizinischen Probleme, möglicherweise auch die Kosten....aber das ist eben nur die eine Seite.

Es gibt auch die andere....allein wir sind da ein Beispiel. Ich gebe zu, ich hätte meine Kleine wahrscheinlich auch nicht auf die Welt gebracht, wenn ich es vor der Geburt erfahren hätte....aber eben auch nur aus dummer Unwissenheit!!!!! Der Gedanke macht mich noch heute, fast neun Jahre nach der Geburt wahnsinnig....ich denke, ich hätte sie wirklich abtreiben lassen!! :uebel
Naja, als junge Frau, in deren Familie und Umgebung "sowas" noch nie vorkam, kannte ich eben nur das, was in den medizinischen Büchern steht...schwer behindert, "idiotisch", dauernd krank und all die Horrormärchen.
Nun, das Leben hat mich eines Besseren belehrt. Meine Tochter ist der fröhlichste und lebenslustigste Mensch, den man sich vorstellen kann. Sie ist keinesfalls "idiotisch", sie lernt langsamer, ja, aber sie lernt....und zwar manchmal die erstaunlichsten Dinge...
sie kann Fahrrad fahren, fast schon schwimmen (wird sie dieses Jahr schaffen), lernt Lesen und Schreiben und sie ist emotional/sozial so einfühlsam, wie kaum ein gesundes Kind ihres Alters. KLar, sie hat auch ihre Probleme....aber welches Kind hat die nicht? Also die vollkommen "normalen" Kids meiner beiden Schwestern machen nicht wirklich weniger Sorgen....andere vielleicht, aber nicht weniger.

Als ich nach der Geburt die Diagnose erfuhr, dachte ich: so, das war`s, das war dann Dein Leben....kein Spass mehr, kein Urlaub, nichts....
Boah, so ein Blödsinn!!!! Ich bin zwar inzwischen geschieden (nicht wegen des Kindes!), aber ich hab wieder einen wunderbaren Partner, der keine Probleme mit meiner Tochter hat, ich hab ein sehr freundschaftliches Verhältnis zum Papa der Kleinen, er sieht sieht sie fast jeden Tag, ich hab eine "Faststieftochter", die bei mir aufwächst, ich hab einen Job, ein Haus, einen halben Zoo und auch noch jede Menge Hobbies....und es funktioniert alles, meine kleine behinderte Tochter immer mit dabei und mittendrin! Ich sehe also echt die Gründe nicht, warum man ein Kind mit DS unbedingt abtreiben sollte.....sie hat Spass ohne Ende, sie lernt und auch das Familienleben leidet nicht!

Aber an diese Art Geschichten, die das Leben nunmal auch schreibt, kommen die meisten Schwangeren in einer Entscheidungsphase für oder gegen das behinderte Kind wohl eher sehr selten. Und das muss man definitiv den Ärzten vorwerfen, da sie nunmal diejenigen sind, die die "Beratungen" leiten. Es sollte meiner Meinung nach fest dazu gehören, dass man solchen Frauen auch Adressen zur "positiven", nichtmedizinischen Beratung gibt. Erst dann ist eine wirklich sinnvolle Entscheidung möglich. Erst dann wird auch das Leben der Behinderten, das vielleicht anders, aber bestimmt nicht "minderwertig" ist, auch geschützt. Und erst dann kann die Frau hinterher sagen, ja, ich hab meine Entscheidung gut informiert getroffen und kann dazu stehen.
 
C

chisi

Guest
Hallo Annika,
ich war im letzten Februar in der Situation, dass unsere Tochter laut Blutuntersuchungen bei mir, schwerst behindert sein sollte.
Ich war immer davon ausgegangen, bei jeder Untersuchung, die wir machen ließen, dass eh alles in Ordnung sei, ich es eben dann nur noch bestätigt bekomme.
Leider war es dann doch nicht so. Meine Blutwerte sprachen von Trisomie 13 und/oder 18. Das sind wirklich schwere Behinderungen und wir haben natürlich auch hin und her überlegt, was tun wir, wenn das Ergebnis negativ (also, dass eine Behinderung vorhanden ist) ausfällt.
Erst war ich mir ganz sicher, dass ich dann die SS unterbrechen würde, weil ich es mir nicht zutraute diesem Kind und meinen anderen beiden Kindern und noch meinem Mann gerecht zu werden, zumal ich gesundheitlich angeschlagen bin und dieser Stress meiner Krankheit überhaupt nicht zuträglich gewesen wäre. Mein Mann hat diese Entscheidung natürlich mit getragen, er hat voll hinter mir gestanden.
Nach 2 Tagen habe ich dann nur noch geheult und gesagt, wie kann ich mir anmaßen über das Leben oder Sterben meines Babys zu entscheiden. Ich war hin und her gerissen, ich kannte aus einer meiner früheren beruflichen Tätigkeiten die genauen Auswirkungen der Behinderungen und wußte, dass es einfach nur heftig war sowohl für die Kinder, als auch für die Eltern/Pfleger. Aber konnte ich wirklich über Leben oder Tod entscheiden???
Wir waren wirklich am Ende unserer Kräfte, dann habe ich mich nach langen Gesprächen mit meinem Mann doch für einen Abbruch entschlossen, sollte es wirklich Trisomnie 13 oder/und 18 sein, bei Trisomnie 21 (Down Syndrom) stand für uns fest, wir bekommen das Baby trotzdem.
Dann mussten wir, bevor wir zur FU konnten, erst noch zur humangenetischen Beratung gehen, wo man uns dann sehr gut beraten und auch schon beruhigt hatte.
Wir haben dann die FU machen lassen und haben zu dem Zeitpunkt zum Glück auch noch nicht gewußt, dass die Untersuchungen häufig Fehldiagnosen geben. Bei uns ist das Ergebnis gut ausgefallen, unsere Tochter sei gesund, hätte keine Anomalien der Chromosomen. Das Ergebnis des Schnelltest war schon am nächsten Tag da, das schriftliche ließ dann leider noch über 3 Wochen auf sich warten und erst da war ich dann endgültig zufrieden. Ab dem Zeitpunkt konnten wir die SS dann endlich wirklich genießen.

Ich kann nur hoffen, dass niemand in diese Situation gerät, denn es ist die Hölle!!!!

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig mit meinen Erfahrungen helfen.

Solltest du doch noch irgendwelche Fragen haben, melde dich einfach.
 

annika85

Neues Mitglied
Hallo mal wieder... mannoman... schon so viele Beiträge und ich schaff es einfach nicht mal zu schreiben*mir auf den Kopf hau*... :whatever

Das was pseudomonas angesprochen hat ist einfach unglaublich, aber leider Alltag. Wenn sich Eltern nicht ordentlich selbst informieren, wo sie Hilfe oder gute Informationen her bekommen, dann müssen sie sich auf die Aussagen von den behandelnden Ärzten verlassen. Diese sehen sich leider oftmals nicht als "Aufklärer" bzw. nicht als solche, die sowohl Positives als auch Negatives bieten. Und das ist, so denke ich mir wie bei jeder zunächst schrecklichen Nachricht, unbedingt notwendig. Menschen, die alltäglich nicht mit solchen Krankheiten oder Diagnosen zu tun haben sind wie vor den Kopf geschlagen.Man verlässt sich ja auch auf die Fachperson... Man weiß in dieser Situation ja nicht halb so viel über das was kommen wird, wie ein Arzt, der die Diagnose öfter stellt. Eigentlich wäre es gerade dann die Aufgabe eines guten Arztes, dem Elternpaar zunächst die größten Ängste oder Befürchtungen zu nehmen bzw. ein ausführliches Gespräch zu führen, indem ihnen aufgezeigt wird, wie das Leben mit bzw. ohne behindertem Kind aussehen kann. Denn nicht immer, so denke ich mir mal, verarbeiten es Eltern gut, wenn sie denn abgetrieben haben und dann Jahre lang daran denken "Wie wäre es jetzt mit Kind?; War es nötig abzutreiben"...etc. Das kann psychisch genauso belastend sein...
Wie gesagt, diese Vermutungen ziehe ich nur aus Vergleichssituationen...
 

annika85

Neues Mitglied
Auch was chisi sagt: Die Entscheidung machen: Lass ich "Etwas" leben oder nicht.... Ich finde diese Entscheidung treffen zu müssen, alleine, ist heftig. Natürlich kann diese Entscheidung auch ein Arzt nicht abnehmen(wobei ich mir in der Situation gut vorstellen kann, dadurch dass Eltern sehr überlastet mit der Diagnose sind, sich eventuell auch manchmal jemanden wünschen, der ihnen diese schwere Entscheidung abnimmt....kann das sein?). Beeinflussen tut er sie hingegen, wenn er nicht alle Hilfestellungen anbietet, denn nur so können Eltern Kontakt zu schon Betroffenen aufnehmen und sich informieren.

Ysahi: Den Gedankenanstoß, solch eine Umfrage zu starten finde ich wirklich interessant... Wäre ja mal eine Diplomarbeit wert... ;D Was man in diesem Zusammenhang, mit Aufklärung und Einstellungen zu Tod und Leben noch betrachten könnte wäre auch mal: Wie entscheiden sich sehr gläubige Menschen oder sehr "rationale" Menschen. Ich denke je nachdem wie man eingestellt ist bzw. von welchen"Gruppen" man beeinflusst wird, wo man sich Informationen welchen Wissensgehalt heranzieht, entscheidet man sich das Kind zu behalten oder nicht... Egal wie...

Wenn ich noch konkretere Fragen haben sollte, dann nehme ich dein angebt gerne an!!*dank dir!!* :unsch
 

annika85

Neues Mitglied
Da fällt mir ein... Fühlte sich jemand von euch nach der Diagnose in irgendeiner Art und Weise von Ärzten, seiner Religion (der Glaube, jedes Leben ist lebenswert etc.) oder durch Freunde/Bekannte, sozusagen Gesellschaftlichen Zwängen oder Einstellungen...beeinflusst. Oder konnten diese bei der Entscheidungsfindung hilfreich/eher weniger hilfreich sein. Und wenn ja wie? Das würde mich wirklich interessieren... :zwinker:
 

Lys

Namhaftes Mitglied
Liebe annika85,

ich denke schon, dass es da gesellschaftliche Zwänge gibt....in der Art: "solche" Kinder sind heute ja nicht mehr "notwendig"! Und das finde ich ehrlich gesagt ganz ganz schrecklich. Mir persönlich ist mein "solches" Kind allemal lieber als eines, das mit 16 oder 17 zum Amokläufer wird.....
ich finde es unglaublich anmassend von einer Gesellschaft, über "lebenswertes" oder "unwertes" Leben entscheiden zu wollen. Und das Ganze dann noch meistens sehr uninformiert. Ich glaube wirklich kaum ein Arzt, der die Diagnose einer behinderung einer Schwangeren mitteilt, wird ihr gleichzeitig die Möglichkeit anbieten, sich bei anderen betroffenen Familien zu informieren. Und das ist schlicht nicht fair.
Und Du hast ganz Recht, es gibt sehr sehr viele Frauen, die aufgrund der "tollen" Diagnosemitteilung abgetrieben haben und das später ein Leben lang bitterlich bereuen.

Nochmal klargestellt: ich würde keine Frau irgendwie verurteilen, die nach genauer und auch "beidseitiger" Information trotzdem eine Abtreibung eines behinderten Kindes wünscht.....es ist sicher nicht jedermanns Sache, sich mit sowas auseinander zu setzen und in manchen familiären Situationen mag es echt keinen anderen Weg geben. ABER ich verurteile ganz klar die negative Einstellung vieler Mediziner und auch vieler Menschen, die meinen, "sowas ist heutzutage nicht mehr nötig. Denn das ist eine Art von Grenze, die man nicht generell ziehen kann. Welche Behinderung ist denn noch "akzeptabel"? Oder sollten dann vielleicht nur noch "perfekte" Babys zur Welt kommen? Und was ist dann "perfekt"? Was ist lebenswert?
Sorry, ich finde wirklich, es da nur Einzelfalleintscheidungen geben....und jede Frau die schwanger wird, muss sich eben dieser Verantwortung stellen. Aber dazu sollten die Ärzte, sollte die ganze Gesellschaft dann Hilfestellung geben, Toleranz anbieten und Information, die nicht nur einseitig ist. Damit hinterher jede Frau, egal wie sie sich auch entscheiden mag, mit gutem Gewissen zu ihrer Entscheidung stehen kann.

Ich bin auch wieder schwanger, ich hab mich der Sache nochmal gestellt....und von vorneherein gesagt, dass ich keine Entscheidungen über Leben und Tod treffen will. Ich nehme an, was da kommt. Natürlich wünsche ich mir von ganzem Herzen ein gesundes Kind.....aber wenn es nicht so ist, werde ich trotzdem damit leben können. Und ich werde auch immer zu dieser Entscheiung stehen können....
 

darksaga

Namhaftes Mitglied
Hallo Annika. Ich rolle das Thema jetzt mal von der ganz anderen Seite auf. Denn ich war ein behindertes Kind. Habe selbst eine kerngesunde, putzmuntere kleine Tochter. War in einem Integrationskindergarten und von da an in ganz normalen Schulen bzw. habe auch Ausbildungen hinter mich gebracht. Durch eine Frühgeburt bin ich zu 50 % gebehindert. Ich bin heute noch froh, nicht in eine Sonderschule gesteckt worcden zu sein, meinen Eltern sei Dank (R.I.P. ihr Zwei).
 

Vanessi

shrewd and forward
@Lys, das ist ein super Posting von dir! :love1

Wir haben bei unserer Tochter bewusst auf einen NF-Messung verzichtet.
 

annika85

Neues Mitglied
Mir ist beim durchlesen nochmal eine Frage gekommen.... Vielleicht beantwortet sie mir ja der ein oder andere (bzw. die ein oder andere :zwinker:)

Habt ihr euch medizinisch gut beraten bzw. aufgeklärt gefühlt?

Ich meine, man macht so wie ihr berichtet habt, sehr schlimme Zeiten durch, wenn man die Diagnose abwarten muss ("pseudomonas" =1 Woche) und nicht weiß was kommt...
Als ihr dann das Ergebnis bekommen habt, habt ihr euch bei euren behandelnden Ärzten gut aufgehoben gefühlt? Oder genug beraten?
Ich hab mir die vorigen Postings nochmal durchgelesen und da kam mir die Frage so...
Einen schönen Pfingstmontag noch!!
 
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