Hi,
ich bin neu hier.
Die ADS-Geschichte interessiert mich, weil bei meinem Sohn eine Form, bzw. einige Symptome von ADS diagnostiziert wurde.
Er ist jetzt 13, hochintelligent, stinkfaul, egoistisch bis hintengegen, liebenswürdig, charmant, zart, ängstlich, im Verhältnis zu Altersgenossen klein und großkotzig.
Die Schule mochte er noch nie. Seinen ersten Schultag feierte er nicht, im Gegenteil, er ging hin wie ein Verurteilter. Das wurde im Laufe der Jahre nicht besser. Bis Ende Vierter hatte er eine Lehrerin, die nach dem Prinzip ..."das Glas ist halb leer" arbeitete. Außerdem hatte er kurz nach Schulantritt die Trennung unserer Partnerschaft zu verarbeiten, bei der seine Welt erst einmal vollständig zusammenbrach.
Danach hat er mehrere Jahre lang versucht, seine Familie zusammenzuhalten, was ihm natürlich nicht gelang. Kunststück, wenn einer partout nicht will...
Nach der Grundschule habe ich durchgesetzt, daß er auf eine Gesamtschule kam.
Auch hier wieder Pech: er haßt seinen Klassenlehrer. Und sein Klassenlehrer hßt ihn. Außerdem wurde er stigmatisiert durch das Jugendamt.
Das kam durch Intervention eines Nachbarn in dem Haus, in dem ich wohne. Weil ich einige Wochen lang einen Schlafgast hatte, der viel Pech im Leben hatte und wieder Fuß fassen wollte, fand dieser Nachbar das Wohl meines Sohnes gefährdet und eilte zum Jugendamt, mich anzuschwärzen.
Weil jeder Mensch, auch ich, nicht vollkommen ist, weil ich berufstätig war, weil ich fand, daß der Hort, in den er nachmittags ging, sich zu sehr um meine privaten Belange kümmern wollte, und weil mein Ex versuchte, hintenrum das alleinige Sorgerecht zu erschleichen, resultierte mein auf die Anschwärze folgender Besuch beim Jugendamt darin, daß die gesamte Familie einen sogenannten "Familienhelfer" aufgebrummt bekam, den wir nun seit mehr als drei Jahren nicht mehr los werden, obwohl er uns tierisch auf die Nerven fällt. Dieser Familienhelfer wollte partout mit der Schule "zusammenarbeiten", was zum Ergebnis hatte, daß mein Sohn kein normaler Schüler mit gewissen Frechheiten mehr war, sonderen als "Problemkind" eingestuft wurde.
Kinder verhalten sich aber so, wie man es von ihnen erwartet.
Mein Problemkind wurde wirklich eines.
Er weiß auch gut, wie man die Lehrer auf die Palme bringt, und diese Tätigkeit übte er aus, so lange und so gut es ging. Der gegenseitige Haß wird seitens des Lehrers natürlich mit pädagogischer Sorge verbrämt, und die Gespräche, die ich mittlerweile schon mit dem Schulpersonal und dem Familienelfer hatte, sind beinahe Legion.
Die Situation verschärfte sich dahingehend, daß mein Sohn seitens der Schule im letzten Jahr auf "pädagogischen Sonderförderungsbedarf" von einer dort arbeitenden Lehrerin mit der entsprechenden Zusatzqualifikation untersucht wurde, wobei natürlich der Sonderbedarf festgestellt wurde und man mir seitdem Druck macht, meinen Sohn von dieser Schule zu nehmen und trotz hoher Intelligenz in eine Sonderschule abzuschieben. Noch lieber wäre dem Lehrer ein Internat, deren Loblieder er ständig in den höchsten Tönen singt.
Die Auswertung des Schulgutachtens fand kurz vor den Weihnachtsferien statt, und die Tatsache, daß mein Sohn sich, seitdem er nur noch bei mir zu Hause ist, mehr Mühe gibt und versucht, "brav" zu sein, wurde unberücksichtigt gelassen.
Was ich noch anmerken muß, weil es nicht unwichtig für die Gesamtsituation ist: nach der Trennung zog mein Ex in eine Wohnung, die von der meinen durch ca. sechs Häuser getrennt ist. Unser Sohn bekam, um die Trennung seiner Eltern abzufedern, zwei Heime.
Im ersten Trennungsjahr pendelte er zweitäglich zwischen denWohnungen hin und her. Später probierten wir es wochenweise. Dann alle zwei Wochen. Zum Schluß zwei Wochen Mutter, eine Woche Vater.ange eit wußte meine sohn erst nach längerem Nachdenken seine eigene Adresse, die offiziell bei mir war.
Erst, nachdem mein Ex eine neue Freundin hatte, fand er sich bereit, insofern ein wenig zurückzustecken, daß er zustimmte, daß unserem Sohn eine einzige Heimat zugestanden wurde. Seit August letzten Jahres wohnt er nun "ganz" bei mir, abgesehen davon, daß sein Vater alle zwei Wochenenden den "Spaßpapa" mimt.
Während der Pendelzeit jedoch versuchte mein Ex in der Zeit, in der "sein Sohn" bei ihm wohnte, durch strenge Dressur zu ereichen, daß der Junge an der Schule bessere Leistungen brachte. Er kontrollierte ihn, gab ihm keinerlei Vertrauensvorschuß und entwickelte sich zum Prinzipienreiter. Der Sohn reagierte hierauf mit Vertrauensentzug, Lüge und Täuschung, die er mittlerweile zur Perfktion entwickelt hat.
Diese wunderbare Produkt zweier völlig unterschiedlicher Erziehungsaufassungen bekam ich nun im letzten August frei Haus angeliefert. Es versteht sich von selbst, daß an allen Erziehungsfehlern nur ich schuld sein kann, und ebenso daran, daß er eine gestörte Wahrnehmungsfähigkeit hat.
Unsere Auffassungen von Erzehung sind diametral entgegengesetzt.
Mein Ex glaubt, und wird durch seine Verwandtschaft darin bestärkt, daß Erziehung gleich Kontrolle ist.
Ich glaube, und damit bin ich bei meiner mittlerweile erwachsenen Tochter bestens gefahren, daß man nur mit Vertrauen und bedingungsfreier Liebe beim Grenzensetzen etwas erreicht. Allerdings muß ich auch gestehen, daß ich ein wenig zum "Laisser faire"-Stil neige.
Nur helfe ich damit meinem Sohn nicht, denn heute ist es so, daß ich die ganzen Fehler, die wir bei seiner Erziehung zwangsläufig machen mußten, versuchen muß, auszubügeln, bevor es zu spät ist.
Das Gute dabei ist, daß mein Sohn und ich ein herzliches Vertrauensverhältnis haben und er mich als "coole" Mutter betrachtet.
Leider weiß ich aber gerade deshalb ganz genau, daß er es beim Tricksen zur Meisterschaft gebracht hat, denn die Dressur seines Vaters konnte er nur so überstehen.
Langer Rede kurzer Sinn: auch das sogenannte ADS-Syndrom, bzw. das teilweise, das eine der zahlreichen psychologischen Untersuchungen, die mein Sohn nun schon hinter sich hat, ergab, ist nicht wirklich ein solches, sondern Ergebnis seiner be"scheidenen" Lebensumstände, die sich der arme Kerl bestimmt nicht selbst ausgesucht hätte.
Natürlich ist das weit von der Krankheit ADS entfernt, aber ich schreibe das Ganze auch deshalb, um aufzuzeigen, wie schnell heute mit solchen Schlagwörtern um sich geworfen wird, und wie schnell man es damit schafft, jemanden zu stigmatisieren und auszugrenzen.
Selbstverständlich war es meinem Sohn unmöglich, sich auf die Anforderungen der Schule einzulassen, wenn er ständig damit beschäftigt war, von einer Welt zur anderen zu pendeln. Natürlich mußte er zappelig werden, um die ständige Spannung, unter der er stand, abzubauen.
Seit August ist er viel ruhiger geworden. allerdings hat er seinen schlechten Ruf in der Schule als "Problemschüler" und "Störer" weg. Mittlerweile sieht er selbst in seinen Grenzen ein, daß es so nicht mehr weitergeht, und er ist sehr bemüht, sich besser u verhalten.
Leider ist es dafür zu spät,
Das Einzige, was ihm jetzt noch vielleicht eine Chance gibt, doch noch ein "normaler" Schüler zu werden, sehe ich in einem Wechsel unseres Wohnortes.
In etwa einem halben Jahr werde ich an meinem Geburtsort ziehen, und wenn es meinem Ex nicht gelingt, es zu verhindern, wird mein Sohn mit mir ziehen. Natürlich wird die Schulakte ihm folgen. Trotzdem wird es ein Neubeginn sein. Mein Sohn weiß das auch, und er hofft so sehr, daß es ihm gelingen wird, seine Leistungen zu verbessern. Er ist sogar bereit, eine "Ehrenrunde" zu drehen, um in der Schule Versäumtes aufzuholen.
Unsere Geschichte soll Eltern warnen. Nicht jeder, der ein gestörtes Verhältnis zur Wahrnehmung hat, hat gleich ADS.
Sondern er oder sie ist vielleicht einfach zu sehr damit beschäftigt, darauf zu reagieren, was das Leben so an Schlägen austeilt, als daß er sich mit so untergeordneten Problemen wie realistischer Wahrnehmung der Umwelt befassen könnte....