Spiele ohne Grenzen
Quelle: http://www.zeit.de/2006/45/Titel-Computerspiele-45
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In dem Artikel steht ja nun im wesentlichen nichts wirklich neues drin aber die letzten Absätze (auf Seite 4) fand ich dann doch in der Klarheit für eine breite Öffentlichkeit sehr neu:
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[....] (Hervorhebungen von mir)
Die Leistungskrise insbesondere von Jungen, in Schulstatistiken und Pisa-Studien dokumentiert, führte Pfeiffer zu der Frage: Könnte es sein, dass zwischen Schulergebnissen und Mediennutzung ein Zusammenhang besteht? Die Ergebnisse der Umfrage sind schlagend. Die zunehmende Geschlechterdifferenz in den Schulleistungen korrelliert auffällig mit der unterschiedlichen Nutzung von Computer und Fernsehen durch Mädchen und Jungen. Daraus folgt keine monokausale Erklärung des Schulversagens aus dem Medienkonsum. Aber das Glotzen und Daddeln erscheint doch als alarmierendes Symptom einer Krise der Jungen. Der durchschnittliche Zehnjährige in Dortmund verbringt pro Jahr der Studie zufolge sage und schreibe 1430 Stunden vor dem Fernseher und an der Playstation – das ist fast ein Drittel mehr Zeit als im Schulunterricht, der mit 1140 Stunden jährlich zu Buche schlägt. 64 Prozent der Zehnjährigen in Dortmund haben in ihrem Zimmer einen eigenen Fernseher, 56 Prozent eine eigene Spielekonsole. (In München, einer stärker durch die Mittelschicht geprägten Stadt, sind die Geräte nur halb so verbreitet.)
Zwischen den Geschlechtern tut sich eine Schere auf: Mehr Jungen als Mädchen gehen auf Hauptschulen, bleiben sitzen, brechen die Schule ab. Mädchen bekommen mehr Gymnasialempfehlungen, schließen besser ab, steigen häufiger zwischen den Schultypen auf. Mädchen haben seltener Fernseher und Spielekonsolen in ihren Zimmern, und sie nutzen Computerspiele, zumal solche ohne Jugendfreigabe, wesentlich weniger häufig als Jungen. Nur drei Prozent der zehnjährigen Mädchen spielte zum Zeitpunkt der Befragung nicht altersgemäße Computerspiele, bei den Jungen waren es 21 Prozent.
Bei den Viertklässlern gibt es eine genau bezifferbare Beziehung zwischen Computerspielnutzung und Schulnoten in Deutsch, Sachkunde und Mathematik: Wer eine eigene Konsole im Zimmer hat, liegt in diesen Fächern eine halbe Note unter dem Durchschnitt. Unterscheidet man noch zusätzlich, wie häufig verbotene Spiele genutzt werden, so zeigt sich, dass die Noten umso mehr sinken, je häufiger Spiele mit Freigaben ab 16 und 18 genutzt werden. Zehnjährige Jungen, die Spiele ab 18 noch nie genutzt haben, liegen in Deutsch über dem Klassendurchschnitt, wer sie häufig nutzt, wird im Durchschnitt fast um eine ganze Note abgehängt. Schüler, die über eine eigene Spielekonsole verfügen, haben signifikant schlechtere Schulergebnisse als diejenigen, die solche Geräte nicht besitzen.
Lernerfolge werden durch das Geballere am Nachmittag gelöscht
Die Medienwirkungsforschung wird nach Kenntnisnahme der Daten Pfeiffers nicht länger an ihrer industriefreundlichen These festhalten können, ein schädlicher Einfluss von Killerspielen ließe sich nicht nachweisen. Ohnehin erinnert diese Haltung stark an die Realitätsverleugnung der Zigarettenindustrie, bevor man die gesundheitsschädliche und Sucht erzeugende Wirkung ihrer Produkte eindeutig beweisen konnte. Die Nutzung von dumm und roh machenden Gewaltmedien ist nicht erst dann problematisch, wenn ein ohnehin verwirrter Junge vom virtuellen zum realen Amokläufer wird. Gewalt als Unterhaltung ist ein Risikofaktor für die Bildungskarriere – vor allem für Kinder in den ohnehin »bildungsfernen« Schichten.
[...]
Die Medienverwahrlosung so vieler Jungen hierzulande ist ein Skandal. Bei der Suche nach Lösungen darf es nicht darum gehen, männliche Aggressivität unter Verdacht zu stellen und zu tabuisieren. Im Gegenteil: Jungs brauchen reale Möglichkeiten, ihre ganz normale männliche Aggressivität einzusetzen und sie lernend, spielend abzubauen. Der daddelnde Junge, der narzisstisch-depressiv in seinem Zimmer hockt und ganze Nachmittage damit verbringt, verbotene Gewalt- und Kontrollfantasien auszuleben, ist das Inbild misslingender, weil unerwünschter Männlichkeit. Er sollte daher nicht dämonisiert werden, sondern Verständnis und Zuwendung erfahren. Jungen brauchen Auswege in eine produktivere Männerrolle, als die Spiele sie anbieten. Wir können es uns nicht leisten, sie in den virtuellen Horrorwelten verkommen zu lassen, mit denen die Computerspielindustrie ihre Fantasie vergiftet.
LG,
Tina
Quelle: http://www.zeit.de/2006/45/Titel-Computerspiele-45
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In dem Artikel steht ja nun im wesentlichen nichts wirklich neues drin aber die letzten Absätze (auf Seite 4) fand ich dann doch in der Klarheit für eine breite Öffentlichkeit sehr neu:
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[....] (Hervorhebungen von mir)
Die Leistungskrise insbesondere von Jungen, in Schulstatistiken und Pisa-Studien dokumentiert, führte Pfeiffer zu der Frage: Könnte es sein, dass zwischen Schulergebnissen und Mediennutzung ein Zusammenhang besteht? Die Ergebnisse der Umfrage sind schlagend. Die zunehmende Geschlechterdifferenz in den Schulleistungen korrelliert auffällig mit der unterschiedlichen Nutzung von Computer und Fernsehen durch Mädchen und Jungen. Daraus folgt keine monokausale Erklärung des Schulversagens aus dem Medienkonsum. Aber das Glotzen und Daddeln erscheint doch als alarmierendes Symptom einer Krise der Jungen. Der durchschnittliche Zehnjährige in Dortmund verbringt pro Jahr der Studie zufolge sage und schreibe 1430 Stunden vor dem Fernseher und an der Playstation – das ist fast ein Drittel mehr Zeit als im Schulunterricht, der mit 1140 Stunden jährlich zu Buche schlägt. 64 Prozent der Zehnjährigen in Dortmund haben in ihrem Zimmer einen eigenen Fernseher, 56 Prozent eine eigene Spielekonsole. (In München, einer stärker durch die Mittelschicht geprägten Stadt, sind die Geräte nur halb so verbreitet.)
Zwischen den Geschlechtern tut sich eine Schere auf: Mehr Jungen als Mädchen gehen auf Hauptschulen, bleiben sitzen, brechen die Schule ab. Mädchen bekommen mehr Gymnasialempfehlungen, schließen besser ab, steigen häufiger zwischen den Schultypen auf. Mädchen haben seltener Fernseher und Spielekonsolen in ihren Zimmern, und sie nutzen Computerspiele, zumal solche ohne Jugendfreigabe, wesentlich weniger häufig als Jungen. Nur drei Prozent der zehnjährigen Mädchen spielte zum Zeitpunkt der Befragung nicht altersgemäße Computerspiele, bei den Jungen waren es 21 Prozent.
Bei den Viertklässlern gibt es eine genau bezifferbare Beziehung zwischen Computerspielnutzung und Schulnoten in Deutsch, Sachkunde und Mathematik: Wer eine eigene Konsole im Zimmer hat, liegt in diesen Fächern eine halbe Note unter dem Durchschnitt. Unterscheidet man noch zusätzlich, wie häufig verbotene Spiele genutzt werden, so zeigt sich, dass die Noten umso mehr sinken, je häufiger Spiele mit Freigaben ab 16 und 18 genutzt werden. Zehnjährige Jungen, die Spiele ab 18 noch nie genutzt haben, liegen in Deutsch über dem Klassendurchschnitt, wer sie häufig nutzt, wird im Durchschnitt fast um eine ganze Note abgehängt. Schüler, die über eine eigene Spielekonsole verfügen, haben signifikant schlechtere Schulergebnisse als diejenigen, die solche Geräte nicht besitzen.
Lernerfolge werden durch das Geballere am Nachmittag gelöscht
Die Medienwirkungsforschung wird nach Kenntnisnahme der Daten Pfeiffers nicht länger an ihrer industriefreundlichen These festhalten können, ein schädlicher Einfluss von Killerspielen ließe sich nicht nachweisen. Ohnehin erinnert diese Haltung stark an die Realitätsverleugnung der Zigarettenindustrie, bevor man die gesundheitsschädliche und Sucht erzeugende Wirkung ihrer Produkte eindeutig beweisen konnte. Die Nutzung von dumm und roh machenden Gewaltmedien ist nicht erst dann problematisch, wenn ein ohnehin verwirrter Junge vom virtuellen zum realen Amokläufer wird. Gewalt als Unterhaltung ist ein Risikofaktor für die Bildungskarriere – vor allem für Kinder in den ohnehin »bildungsfernen« Schichten.
[...]
Die Medienverwahrlosung so vieler Jungen hierzulande ist ein Skandal. Bei der Suche nach Lösungen darf es nicht darum gehen, männliche Aggressivität unter Verdacht zu stellen und zu tabuisieren. Im Gegenteil: Jungs brauchen reale Möglichkeiten, ihre ganz normale männliche Aggressivität einzusetzen und sie lernend, spielend abzubauen. Der daddelnde Junge, der narzisstisch-depressiv in seinem Zimmer hockt und ganze Nachmittage damit verbringt, verbotene Gewalt- und Kontrollfantasien auszuleben, ist das Inbild misslingender, weil unerwünschter Männlichkeit. Er sollte daher nicht dämonisiert werden, sondern Verständnis und Zuwendung erfahren. Jungen brauchen Auswege in eine produktivere Männerrolle, als die Spiele sie anbieten. Wir können es uns nicht leisten, sie in den virtuellen Horrorwelten verkommen zu lassen, mit denen die Computerspielindustrie ihre Fantasie vergiftet.
LG,
Tina