Ring frei! -  Christophorus-Schule

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Elfe66

Guest
Hallo,

mein Mann und ich haben gestern abend einen Bericht über hb-Kinder im TV geschaut. In dieser Reportage wurde auch über die Christophorus-Schule in Braunschweig berichtet.
Ich stand dem ganzen eigentlich früher immer sehr positiv gegenüber, habe auch selber mal ein bißchen recherchiert und überlegt, unseren großen da hin zu schicken. Im Endeffekt war es uns aber viel zu viel Geld.

Nach dem Bericht gestern muß ich sagen, bin ich ganz froh, daß beide Kinder jetzt zu einer "normalen" Schule gehen.
Vielleicht lag es auch an der Berichterstattung, aber es kam mir so vor, als würden die Kinder da in eine ganz bestimmte Schiene gedrückt, nach dem Motto "wir sind anders und uns versteht eh keiner und nur hier unter gleichgesinnten fühlen wir uns wohl"

Meine Kinder sind beide hb und haben in ihren Klassen (3. bzw. 6. Klasse) keinerlei Probleme mit Mitschülern, Lehrern etc.
Sie haben Freunde, können sich auch mit den "normalen" Kindern verständigen ( in dem Bericht kam es so rüber, daß das nicht möglich sei!!!) und auch sonst sehe ich null Probleme.

Was ich auch sehr irritierend fand ... ein Mädchen wurde an der Schule "nachgetestet", ob ihre Werte denn noch ok wären???
Wenn ein Kind einmal hb ist, dann bleibt es das doch auch und ist es plötzlich nicht mehr.
Was passiert mit einem Kind, was bei so einem Test nicht die erforderliche Prozentzahl bringt? Muß es dann dich Schule verlassen???
Kam mir alles etwas suspekt vor.

Vielleicht hat ja einer von Euch Erfahrungen mit dieser Schule oder eine Meinung dazu.
Würde mich sehr interessieren, wie ihr darüber denkt.

Viele Grüße

Petra
 

Mermaid

Mitglied
Hallo Petra,

ich habe auf der Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig mein Abi gemacht und auch den Bericht gesehen. Meine Schulzeit ist allerdings schon zehn Jahre her, und seitdem scheint sich auf der Schule doch so einiges geändert zu haben. Ich dachte eigentlich, die "B-Klassen" (Hochbegabten-Klassen) gäbe es in ihrer alten Form nicht mehr, da mal von einer integrativen Stufe die Rede war, aber in der Dokumentation kam es mir so vor, als ob die Trennung noch existierte.

Die "Nachprüfung" kam mir auch komisch vor - als ich dort im Internat war, gab es so etwas nicht, und es gab auch nur eine Schulpsychologin. Jetzt sind es ja einige mehr. Damals haben wir in der "Kontaktwoche" die Tests gemacht und hatten Probeeunterricht - am Ende gab es die Ergebnisse und die Empfehlung; das war alles. Keine weiteren Tests mehr; den Sinn habe ich auch nicht verstanden.

Ich hatte allerdings während meiner Christophorus-Zeit auch oft den Eindruck, daß die Trennung zwischen dem "normalen" und dem "B"-Zweig durchaus vorhanden war; man war halt überwiegend mit den Leuten aus dem Internat oder aus der eigenen Klasse zusammen... und viele hatten Vorurteile den anderen gegenüber. Auf der anderen Seite gab es in der Oberstufe aber auch einige wenige gemischte Kurse (Sport, aber auch Latein, Japanisch), wo die Schüler prima miteinander auskamen. Den B-Schülern wurde nie eingeredet, daß sie etwas Besseres oder Überlegenes seien; nach außen hin wurden sie aber oft als Vorzeige-Schüler hingestellt.

In meiner Stufe gab es übrigens eine Schüler, die freiwillig wieder gegangen sind, z. B. wegen Heimweh oder weil ihre Noten sich so sehr verschlechtert hatten (das waren aber in der Regel die, die auf ihrer alten Schule nie Probleme hatten, weder sozial noch mit Zensuren, und eigentlich auch keinen Grund zum Wechseln gehabt hätten). Man wurde auch nicht verspottet, wenn man mal etwas Falsches im Unterricht sagte. ;-)

Zum Bericht: Ich fand ihn teilweise reißerisch, aber das war natürlich vom Sender bewußt so inszeniert. Durch den jungen Pianisten wurde zudem - wie so oft - suggeriert, daß jeder Hochbegabte ein Spezialtalent haben müsse. Oder zu Ausrastern oder Kriminalität neige (so wie der kleine Junge oder "Dagobert"). Die Christophorusschule wurde als Rettungsanker dargestellt, obwohl tatsächlich viele hochbegabte Kinder in ihrer jetzigen Schule prima zurechtkommen.

Wie gesagt, als ich dort war, war es eine andere Zeit; die staatlichen Schulen haben damals fast gar nicht gefördert und das Thema weitgehend ignoriert. Ich war froh, daß ich (als hochbegabter Underachiever) die Möglichkeit hatte, und meine Tochter würde ich auch jederzeit nach Braunschweig schicken, wenn sie es möchte (nein, nicht als Werbung gedacht ;-) ).

So, das ist jetzt lang geworden... Wenn Du noch Fragen hast, her damit. :D

Mermaid
 
E

Elfe66

Guest
Hallo Mermaid,

dann ging es mir ja nicht alleine so, daß ich den Bericht etwas irritierend oder wie Du richtig sagst "reißerisch" fand.

Leider wird es ja sehr oft so dargestellt, als wären Hochbegabte immer auch Hochleister und hätten jeder für sich eben auch ein ganz besonderes Talent, wie z.B. dieses "Musikgenie".

Die, die ich kenne, haben sicher ein größeres Potential, haben eine schnellere Auffassungsgabe und Interesse an vielleicht ungewöhnlicheren Dingen, als "normale" gleichaltrige Kinder.
Meine Kinder sind aber weder kleine Komponisten oder Schach-Großmeister und ich hoffe auch nicht, daß sie später mal irgendeine kriminelle Karriere machen ;D

Sicherlich gibt es viele Kinder, für die die Christophorus-Schule sehr gut geeignet ist, aber bestimmt ist sie nicht für jedes hochbegabte Kind die richtige Wahl.

:winken:
 

Mermaid

Mitglied
Hallo Petra,

leider habe ich noch keine Reportage gesehen, in der das Thema Hochbegabung wirklich "realitätsnah" (sprich: ohne Klavier- oder Schach-Wunderkinder) vermittelt wurde. Die sind mir auch in der Christophorusschule nicht begegnet, sondern nur die von Dir angesprochenen wißbegierigen Kinder mit schneller Auffassungsgabe und großem intellektuellen Potential.

Klar kann die Christophorusschule für sich beanspruchen, die erste deutsche Schule gewesen zu sein, die Hochbegabtenklassen eingerichtet hat. Wie gesagt, zu meiner Schulzeit gab es noch keine Alternativen. Aber heute gibt es so viele staatliche Schulen, die ebenfalls fördern. Für Kinder, die auf ihrer Schule glücklich sind und auch Freunde haben, gibt es m. E. keinen Grund, auf ein (dazu noch teures; das ist halt einfach so) Internat oder auch eine andere Schule zu wechseln.

Liebe Grüße
Mermaid
 
U

ute heidorn

Guest
Hallo Mermaid,

deiner Meinung kann ich voll und ganz beipflichten.
Längst nicht alle hb-Kinder haben Probleme oder sind verhaltensauffällig. Diese Entwicklung ist immer auch sehr vom Umfeld und der Schule bzw. dem Kindergarten abhängig, nicht nur vom Kind.

Gruß von Ute
 
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