Wichtig -  Down-Syndrom... Teil 3 / an werdende Eltern eines Kindes mit Trisomie 21

S_A_M

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Noch ein paar Worte an werdende Eltern, die für ihr Kind die Diagnose „Trisomie 21“ bekommen haben oder damit rechnen müssen, sie wohlmöglich in nächster Zeit zu bekommen:

Alle werdenden Eltern sollten sich neben der Vorfreude auf ihr Kind auch mit dem Gedanken tragen können, dass es nicht vollkommen perfekt sein kann. Es könnte z.B. blind oder gehörlos zur Welt kommen, durch Unfälle, Impfschäden usw. eine Behinderung bekommen, diverse Verhaltensstörungen entwickeln - oder eben mit einer Chromosomenanomalie geboren werden, denn die wenigsten sind pränatal feststellbar. Die, die ich als am schwerwiegendsten erlebe, sind es bis heute nicht, da sie "zu selten" auftauchen.

Viele Dingen kann man nicht voraussehen und vielem begegnet man ohnehin so, als wäre man dagegen immun und es würden einen selbst ohnehin nicht (be)treffen.

Beim Down-Syndrom ist es ähnlich: man meint, es würde einem selbst schon nicht passieren ein solches Kind zu bekommen, entsprechende Untersuchungen sollen meist nur diese Gewissheit geben. Wenn es dann doch passiert, ist man eben die statistisch gesehen 700ste Mama, die ein Kind mit Trisomie 21 in sich trägt.

Dann ist man geschockt, man will es nicht wahrhaben, man will "es" nicht haben, so wie es ist, wollte man es nicht. Und nichts ist leichter als sich selbst zu sagen: "Das Kind hätte kein Leben, es ist behindert, wird nur leiden und nie "etwas werden". Ich bzw. wir hätten mit einem solchen Kind kein Leben."

Ich bin wirklich keine Gegnerin der Abtreibung, aber ich finde, viele Eltern machen es sich gerade im Hinblick auf Down-Syndrom zu leicht. Sie lassen Tests und Untersuchungen machen, eigentlich weil sie nur hören wollen "Alles ist so, wie Sie es sich wünschen".

Dann hören sie "Down-Syndrom" und nehmen dankbar alle negativen Schilderungen und Prognosen, wollen und müssen es, um ihre Entscheidungen zu rechtfertigen, die bis dahin allein der theoretische Begriff "Down-Syndrom" stützt - ohne den Begriff mit Informationen und Realität zu füllen.

Eine Behinderung an sich kann und sollte man nicht schön reden und eine Trisomie 21 bringt zweifelsohne Probleme mit sich. Man hat in seinem Kind sicher keinen zukünftigen Einstein, aber erst recht kein lebloses, dummes Etwas, sondern ein lebendiges, wissbegieriges Kind, das früher oder später sein eigenes Leben haben und sich - sofern es seine Eltern denn zulassen - von diesen lösen wird.

Das Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom wird sehr, sehr oft schwieriger gesehen als es tatsächlich ist. Gern übersehen werden z.B. die vielen Möglichkeiten, betroffene Kinder heutzutage sehr gut zu fördern und Familien zu unterstützen, die sich für ein Kind mit Behinderung entschieden haben. Es ist einfacher zu sagen, dass alles ganz furchtbar und absolut hoffnungslos ist.

Es fehlt den meisten Eltern der Mut, sich Zeit für die Entscheidungsfindung auszubitten. Oft werden sie gedrängt, den Abtreibungstermin noch am Tag der Diagnosestellung festzumachen.

Ausschlaggebend dafür ist, dass leider in vielen studierten (Arzt-)Köpfen noch immer das Bild des "unbildbaren, ewig grinsenden, sabbernden Idioten" herumspukt, wenn es um Trisomie 21 geht. Die meisten Frauen kriegen mit der Diagnose in etwa vermittelt: "In Ihnen steckt ein schwerstbehindertes Monster-Kind, das furchtbar aussieht, ständig krank sein wird, mit dem Sie täglich zum Arzt und zu Therapeuten rennen müssen, das nichts gescheites lernen wird, das unverständlich spricht, sich wie ein Mehrsack bewegt, ihnen die Zeit für ihren Partner stielt, das sie seine Geschwister vernachlässigen lässt, dass ihnen vom Tag seiner Geburt an nicht eine ruhige Minute mehr gönnen wird und Ihnen lebenslang wie ein Klotz am Bein hängt".

Und es ist kein Schönreden wenn ich aus Erfahrung sage: So ist es heutzutage einfach nicht mehr und es ist wichtig, auch das mal deutlich zu machen.

Denn gerade die diagnosevermittelnden ÄrztInnen, von denen sich die geschockten Eltern als erstes Informationen, Rat und Hilfe erhoffen, wissen in oft Fällen selbst nur soviel, wie sie in veralteten Lehrbüchern gelesen oder vor Jahren auf der Uni gelernt haben.

Wie bei jedem Kind ist es unmöglich, genaue Entwicklungsprognosen abzugeben und obwohl von Anfang an klar ist, dass Kinder mit Trisomie 21 "mehr" in allem brachen, ist ihr Leben und das Leben mit ihnen meiner Erfahrung nach (und nach der Erfahrung unzähliger betroffener Familien) erfüllt und trotz aller behinderungsbedingter Schwierigkeiten ein insgesamt gesehen glückliches. Ich kenne kein Kind, das an seinem Down-Syndrom leiden würde...

Mein Anliegen ist es nicht, Down-Syndrom schönzureden oder das Leben mit einem betroffenen Kind leichter zu schildern als es ist. Aber es stört mich, dass es ständig nur darum zu gegen scheint, ein Kind mit Down-Syndrom als das "Ende eines bislang glücklichen Lebens" zu sehen.

Es wird in den zahlreichen Eltern-Foren oft gefragt, wer wann welche Pränataldiagnostiken hat durchführen lassen, wie das alles ablief, wann man das Ergebnis bekommt usw. Es wird vom Stress erzählt, von der Warterei, von der Freude, wenn es "negativ" ausfällt, vom Schock, wenn es "positiv" ausfällt, von der Trauer, von Schmerzen beim Abbruch usw. - aber selten fragt jemand: "Wer weiß, wie das Leben mit einem solchen Kind überhaupt ist? Wer kann mir Links, Literatur oder Ansprechpartner geben, damit ich mich im Vorfeld informieren kann, was auf mich zukommen könnte?"


Wenn Sie werdende Eltern sind und mit der Diagnose Down-Syndrom konfrontiert werden oder die Möglichkeit dazu besteht, kann ich Ihnen nur ans Herz legen, sich von niemandem unter Druck setzen zu lassen und sich bei der Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung die nötige Zeit zu nehmen.

Informieren sie sich trotz allem Stress und aller Drängelei von Ärzten, dem Partner, Verwandten usw. erstmal genau über die Behinderung. Sie haben diese Zeit und werden in ihrer Situation ohnehin kaum Gedanken und Kraft an etwas anderes verlieren wollen.

Lesen Sie aktuelle (!) Fachliteratur, klicken Sie sich durch die Down-Syndrom-Seiten im Internet, lesen Sie möglichst viele Erfahrungsberichte, sowohl zum Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom, als auch über die Abtreibung eines derart behinderten Kindes und das Leben danach.

Suchen Sie - wenn Sie möchten geht das auch anonym - Kontakte zu anderen betroffenen Eltern, z.B. in Gesprächsforen wie www.harald-schallert.de oder über die kostenlose und unverbindliche Down-Syndrom-Mailingliste von www.down-syndrom.de. Lassen Sie sich z.B. über örtliche Vereinigungen der Lebenshilfe e.V. Besuche bei einigen Familien vermitteln, die ein Kind oder sogar mehrere Kinder mit Trisomie 21 haben und reden Sie mit den Eltern, Geschwistern und Großeltern über das Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom, erleben Sie Kinder mit Down-Syndrom „life“ (auch wenn das Überwindung kostet!!) und machen Sie sich so sich ein realistisches Bild.

Sie werden eine 100%tige Entscheidung treffen müssen, obgleich Sie natürlich auch die Option haben, Ihr Kind zu Pflegeeltern zu geben oder zur Adoption freizugeben. Auch in diesem Fall müssen sie eine Entscheidung treffen und damit leben können. Ein Kind auf Probe werden Sie nicht haben. Informieren Sie sich darum auch über diese Möglichkeiten der Abgabe des Kinder zu Pflege- oder Adoptiveltern, z.B. beim städtischen Jugendamt.

Herzliche Grüße und alles Gute!!!
Sabine

Wer eine ausführlichere, aktuelle und leicht verständliche Lektüre zum Thema "Down-Syndrom" lesen möchte, dem empfehle ich den Besuch von www.down-syndrom.de und dort den Link "Malen von Bildern". Die Einleitung dieser Arbeit befasst sich auf den ersten Seiten mit allgemeinen Infos zu Trisomie 21.

Ansonsten ist meiner Ansicht folgendes Buch als Erstlektüre gut geeignet:

"Kinder mit Down-Syndrom"
von Karen Stray-Gundersen

Auch zahlreiche in Buchform veröffentlichen Erfahrungsberichte betroffener Mütter (z.B. „Dagmar“ und „Liebe auf den 2ten Blick“) beschönigen nichts, lassen keines der Probleme aus - aber auch keine der Sonnenseiten, die das Leben mit einem Kind mit Trisomie 21 mit sich bringt.

Eine informative Seite über andere chromosomal bedingten Behinderungen und Erkrankungen ist z.B. www.leona-ev.de!
 
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