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Reproduktionsmedizin - 4.2 Forschungsdesign: Sampling, Basisdesign, Feldzugang

4.2 Forschungsdesign: Sampling, Basisdesign, Feldzugang

 

Kennzeichnend für qualitative Forschung ist das Prinzip des theoretischen Samplings, das sich durch eine unbekannte Stichprobengröße und die weitestgehend unbekannten Merkmale der Grundgesamtheit bzw. der zu Interviewenden charakterisiert. Die Auswahl und Zusammensetzung des empirischen Materials erfolgt im Prozess der Datenerhebung und -auswertung. Bei dieser schrittweisen Auswahl werden die Fälle nach konkret-inhaltlichen statt abstrakt-methodologischen Kriterien sowie nach Relevanz statt Repräsentativität ausgewählt.

In dieser Arbeit wurde die Sample-Struktur durch das konkret-inhaltliche Kriterium festgelegt, dass jene Paare ausgewählt wurden, die zur Zeit der Datenerhebung in reproduktionsmedizinischer waren oder diese bereits abgeschlossen hatten, unabhängig davon, ob sich der Kinderwunsch bereits erfüllt hatte oder nicht. Dadurch wurde gewährleistet, dass die Befragten das notwendige Wissen und die Erfahrung mit dem Gegenstand hatten. Schwierig war, das Feld möglichst weit zu erfassen und unterschiedliche Fälle einzubeziehen (etwa in Bezug auf die Art der in Anspruch genommenen Fortpflanzungstechnologien), um Aussagen über Verteilung von Sicht- und Erfahrungsweisen treffen zu können. Nach Ines Steinke (2003), Uwe Flick (2007) und Thomas Brösemeister (2008) kann dennoch ein einziger Fall als Kontrast des Untersuchungsbereiches wichtig sein.

Demografische Kriterien wurden erhoben, bei der Auswahl des Samplings aber nicht berücksichtigt, da sich die Fragestellungen nicht auf Zusammenhänge bezogen, etwa zwischen z. B. dem sozioökonomischen Status und der Art der Familiengründung. In dieser Arbeit wurden Fallstudien mit Vergleichsstudien kombiniert. Zunächst wurden die Einzelfälle genau beschrieben und rekonstruiert. Dabei wurden verschiedene typische Entscheidungs- und Handlungsstrategien der Paare im reproduktionsmedizinischen Behandlungsverlauf analysiert. Mithilfe einer Vergleichsstudie wurden dann mehrere Fälle im Hinblick auf bestimmte Erfahrungen im Rahmen der Kinderwunschbehandlung betrachtet. Die Auswahl der zu Interviewenden erfolgte mit Blick auf die für den Vergleich relevanten Dimensionen, welche in dieser Arbeit die individuellen Erfahrungen mit den Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung darstellten. Durch die Kombination von Fall- und Vergleichsstudie war es möglich, die Komplexität und Struktur der in den Vergleich einbezogenen Fälle zu berücksichtigen und komparative Analysen von Themen und Erfahrungen zu erfassen. Zudem wurde durch die Rekonstruktion des Einzelfalls versucht, sich nicht zu stark auf die zu vergleichenden Dimensionen zu konzentrieren, damit andere Aspekte nicht vernachlässigt wurden.

Zeitlich gesehen handelte es sich in dieser Untersuchung überwiegend um Momentaufnahmen, um die subjektiven Einstellungen und Sichtweisen zu ermitteln. Um diesbezügliche Entwicklungen oder Veränderungen im Behandlungsverlauf festzustellen, flossen auch Erfahrungen aus früheren Zeitpunkten in die Interviews ein. Zudem wurden retrospektive Daten – rückblickend vom Zeitpunkt der Forschung – erhoben, etwa zu den Kinderwunschmotiven, die sich möglicherweise lange vor Beginn der Behandlung entwickelten. Dadurch konnte analysiert werden, welche Bedeutung z. B. bestimmte Erfahrungen auf die subjektiven Sichtweisen hatten. Fraglich bleibt, wie heutige Sichtweisen die Wahrnehmung und Bewertung früherer Erfahrungen beeinflussen.

Um den Kontakt zu den Paaren herzustellen, die eine Kinderwunschbehandlung durchlaufen haben oder noch durchlaufen, wurde an die AdministratorInnen verschiedener Internetforen ein Anschreiben gesendet, in dem das Forschungsvorhaben erläutert wurde mit der Bitte, ein beigefügtes Anschreiben an die Forumsteilnehmenden in das jeweilige Kinderwunschforum zu posten. Darin wurde Anonymität zugesichert, die Untersuchungsfrage erklärt und das Erkenntnisinteresse deutlich gemacht. Alle kontaktierten AdministratorInnen stellten die Anfrage in das Forum. Daraufhin nahmen Paare sowie Einzelpersonen per Email Kontakt zum Interviewenden auf. Darin waren zum Teil Informationen zur Behandlungsart und zum -erfolg enthalten. Einige Personen waren jedoch nicht zu einem persönlichen Gespräch bereit. Da die Vergleichbarkeit der Interviews hinsichtlich der Interviewsituation und der Art der Datenerhebung gewährleistet sein musste, konnten diese Personen nicht in das Sample aufgenommen werden, weil telefonische Interviews oder schriftliche Befragungen anders konstruiert werden müssen und für die Fragestellung ungeeignet sind. Einige Interviews kamen nicht zustande, weil sich die Personen auf Anfrage nach einem Gesprächstermin nicht mehr meldeten. Der überwiegende Anteil der InterviewpartnerInnen stammte aus dem Kinderwunschforum http://www.wunschkinder.net. Eine Interviewpartnerin bot nach dem Gespräch an, die TeilnehmerInnen eines Kinderwunschstammtisches zu fragen, ob diese zu einem Interview bereit wären. Dabei wurde sie darauf hingewiesen, bei der Anfrage keine Frageninhalte weiterzugeben, damit gewährleistet ist, dass die InterviewpartnerInnen unvoreingenommen sind und sich nicht auf die Fragen vorbereiten. Durch die Teilnahme an einem Termin (20.02.2009) des Kinderwunschstammtisches konnten vier Gespräche, allerdings in einem begrenzten Zeitraum (ca. 19:00 bis 22:00 Uhr), geführt werden. Eine weitere Interviewpartnerin wurde aus dem sozialen Umfeld der Interviewerin vermittelt.