banner-elternforen-1

Reproduktionsmedizin - 6.5 These - Antithese 3: Stabilisierung der Beziehungen innerhalb Familie?

6.5 These – Antithese 3: Stabilisierung der Beziehungen innerhalb Familie?

 

In These 3 (vgl. Kap. 3) wird die Annahme formuliert, dass sich die Art der Familiengründung, besonders in Inseminationsfamilien, destabilisierend auf familiäre Beziehungen auswirkt. Im Gegensatz zur These von Schweizer (2007) zeigt sich in dieser Stichprobe, dass die Entkoppelung von Liebe, Sexualität und Fortpflanzung bei den meisten Paaren keinen negativen Einfluss auf deren Beziehung ausübte. Wie auch Onnen-Isemann (2000, o. J.) empirisch nachwies, intensivierte sich die Paarbeziehung durch das gemeinsame Bewältigen der Behandlung. Zudem verfolgten die meisten Paare auch in dieser Stichprobe das Ziel, eine Familie mithilfe der Reproduktionsmedizin zu gründen, mit gleicher Intensität. Dass die Männer ihre Partnerinnen besonders unterstützten und bemüht waren, diese zu entlasteten, da die physische Last der Behandlung allein bei ihren Frauen lag, zeigte Onnen-Isemann in empirischen Studien und zeigt sich auch in diesem Sample (vgl. Kap. 2.2.2, 2.2.3, 5.5.1). Die Aussage von Widmer und Bodenmann (2008, vgl. Kap. 2.2.3), dass sich langfristiger Stress negativ auf die Partnerschaftsstabilität auswirkt, traf in diesem Sample nur auf wenige Paare zu. Die Paarbeziehung destabilisierte sich bei diesen InterviewpartnerInnen auch nur kurzfristig. So berichteten sie von einer Beziehungskrise, da Zweifel an dem gemeinsamen Kinderwunsch aufkamen oder der Wunsch nach einem zweiten Kind mithilfe der Reproduktionsmedizin unerfüllt blieb. Ein Paar und eine Interviewpartnerin nahmen psychologische Hilfe in Anspruch, um den psychischen Stress der Behandlung zu verarbeiten und gingen gestärkt aus der Therapie heraus, was sich positiv auf die Paarbeziehungen auswirkte. Nur in einem Fall (I.10) führten ein asymmetrischer Kinderwunsch und eine einseitige Bereitschaft zur Kinderwunschbehandlung dazu, dass sich das Paar trennte. Bei jenem Paar, das sich den Kinderwunsch mit DI erfüllte, hatte die asymmetrische Beziehung zum Kind hinsichtlich der genetischen Abstammung keinen negativen Einfluss auf die Paarbeziehung, da diese für beide Partner annehmbar bzw. ihm die soziale Vaterschaft wichtiger als die genetische war (vgl. Kap. 2.2.2, 2.2.3, 5.5.1).

Die Paare sahen in der Art der Zeugung keinen Faktor, der die Eltern-Kind-Beziehung beeinflusst. Entscheidend sei vielmehr das Vorhandensein eines Kinderwunsches sowie die Liebe zum Kind. Die Paare, die mithilfe der homologen IUS, IVF oder ICSI behandelt wurden, sahen die Erhaltung der Reproduktionstriade dennoch meist als förderlich für die Eltern-Kind-Beziehung an. Dies zeigte sich ebenfalls bei der Bewertung der Adoption: Angenommen wurde, dass sich genetische Faktoren auf die Charaktereigenschaften der Kinder auswirken. Das fehlende Wissen über die genetischen Wurzeln eines Adoptivkindes wurde als potenzielle Ursache betrachtet, die für Konflikte und Probleme in Adoptiveltern-Adoptivkind-Beziehungen verantwortlich ist (vgl. Kap. 5.3, 5.5.5.). Bei der DI-Familie maß der soziale Vater der genetischen Verbindung weniger Bedeutung bei und sah die Wahrnehmung der sozialen und rechtlichen Vaterschaft als konstitutive Elemente für die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung an. Dennoch war es dem Paar bewusst, dass sich diese segmentierte Elternschaft bzw. die Zeugung durch eine anonyme Samenspende im späteren Lebensverlauf des Kindes negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken könnte. Dies merkten auch die Alleinerziehende und das gleichgeschlechtliche Paar an (vgl. Kap. 2.2.2, 2.2.3, 5.5.1). Die Ergebnisse bestätigen tendenziell die Synthese 3: Die Paarbeziehungen und Eltern-Kind-Beziehungen werden durch die Art der Familiengründung nicht labil und eine fehlende genetische Abstammung bei einer DI hat möglicherweise nur im späteren Lebenslauf des Kindes einen negativen Einfluss auf die Eltern-Kind-Beziehung. Die meisten Paare hatten einen symmetrischen Kinderwunsch und standen gemeinsam hinter dem Weg, mithilfe der Reproduktionsmedizin eine Familie zu gründen, wodurch das partnerschaftliche Zusammengehörigkeitsgefühl meist gestärkt wurde. Hinsichtlich des Einflusses der Auflösung der biologisch-sozialen Doppelnatur auf die Paarbeziehung und Eltern-Kind-Beziehung muss berücksichtigt werden, dass nur drei zwei Paare und die Alleinstehende befragt wurden.