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Reproduktionsmedizin - 5.5.2 Umgang mit Familiengr?ndungsart gegen?ber dem famili?ren und sozialen Umfeld

5.5.2 Umgang mit Familiengründungsart gegenüber dem familiären und sozialen Umfeld

 

Gegenüber dem familiären und sozialen Umfeld gingen die meisten Paare offen mit der Art der Familiengründung um, weil sie sich durch Gespräche mit Dritten psychisch und emotional entlasten konnten (I.1/2/3/5/8/10w/11w/14w/15). Einige Paare klärten ihr Umfeld über die Kinderwunschbehandlung nur auf, um dieses zu informieren. Sie erwarteten dabei keine Unterstützung, sondern beabsichtigten vielmehr, dass ihre Entscheidungen für eine reproduktionsmedizinische Behandlung akzeptiert und nicht boykottiert wurden und werden (I.6/7/12-15). Ein anderes Paar informierte seine Familienmitglieder, da diese eine Familiengründung erwarteten und wegen der Kinderlosigkeit des Paares Fragen stellten (I.4). Zwei Paare entschieden, auf jegliche Nachfragen aus dem Umfeld bezüglich des unerfüllten Kinderwunsches und der Unfruchtbarkeitsbehandlung ehrlich zu antworten. Sie beabsichtigten damit, ihre positiven Sichtweisen auf die Reproduktionsmedizin darzustellen und zu zeigen, dass sie hinter diesem Weg stehen (I.5/6). Das Paar, das sich mithilfe der DI seinen Kinderwunsch erfüllte, sah die Einweihung des sozialen Umfeldes als notwendig an, weil sein Kind bereits aufgeklärt worden war. Es wollte Irritationen seitens des sozialen Umfeldes vermeiden, wenn das Kind im Alltag unbedarft mit der Art der Familiengründung umgehe. Auch KinderärztInnen, KindergärtnerInnen und Personen, die dem Kind nahe standen (z. B. BabysitterInnen), informierten sie über die anonyme Samenspende (I.15). Alle Paare tauschten sich darüber hinaus mit anderen Betroffenen aus, sei es in Kinderwunschforen, persönlichen Treffen oder institutionalisierten Kinderwunschstammtischen, weil sie dabei besonders viel Verständnis, Empathie und Anteilnahme erfuhren (I.1-15).

Ein Paar weihte das Umfeld erst ein, nachdem eine Schwangerschaft eingetreten war. Es fügte hinzu, dass ein offener Umgang mit der Art der Familiengründung außerdem einfacher sei, wenn finanzielle Verhältnisse gesichert seien. Dadurch könne das Versagen beim Kinderzeugen kompensiert werden (I.2). Bei einigen Paaren gab es ein auslösendes Moment, das eine Aufklärung nötig machte: So tauchten bei der Familie des Mannes einer Interviewpartnerin Fragen nach den Gründen ihres schlechten Gesundheitszustandes auf, als sie unter dem Überstimulationssyndrom litt (I.11m). Eine Befragte konnte einen privaten Termin aufgrund der Behandlung nicht wahrnehmen und hätte eine Notlage erfinden müssen (I.9w). Bei einigen InterviewpartnerInnen löste der steigende Stress der Behandlung aus, dass sie sich gegenüber dem Umfeld mitteilten, um sich psychisch zu entlasten (I.9/11/15).

Einige Paare gaben an, dass sie besonders zu Beginn der Behandlung Hemmungen hatten, offen mit der Familiengründungsart umzugehen, wobei folgende Begründungen angeführt wurden: Eine Befragte entschied, keine Personen im familiären oder sozialen Umfeld zu Behandlungsbeginn zu informieren, weil davon niemand selbst ungewollt kinderlos oder in reproduktionsmedizinischer Behandlung war (I.9). Das gleichgeschlechtliche Paar verschwieg dem sozialen Umfeld die private Samenspende bis zum Eintritt der Schwangerschaft. Es befürchtete negative Reaktionen, was es damit begründete, dass Familiengründungen in ihren Partnerschaftskonstellationen selten vorkämen. Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften stammten meist aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen (I.14w). Männer, die ihre eingeschränkte Zeugungsfähigkeit als Versagen interpretierten, gingen weniger offen mit der Thematik um (I.4m/11m) bzw. verarbeiten ihre diesbezüglichen Probleme individuell (I.11m/13m). Dies änderte sich bei einem Mann (I.13m), nachdem er in einer Psychotherapie seine Schuld- und Minderwertigkeitskomplexe verarbeitete und sich mit anderen betroffenen Männern im Rahmen eines Kinderwunschstammtisches ausgetauscht hatte.

Einige Paare entschlossen sich für eine Tabuisierung der Art der Familiengründung gegenüber Teilen des familiären und sozialen Umfeldes: So thematisierte ein Interviewpartner die Pläne zur Kinderwunschbehandlung innerhalb seiner Familie nicht, weil er annahm, dass kein Interesse bestand, wobei die Gründe für diese Annahme unklar blieben (I.1m). Zwei Paare verschwiegen die Behandlung gegenüber entfernten Bekannten, weil sie negative Reaktionen befürchteten und die Familiengründung als private und intime Angelegenheit ansahen (I.7/12). Drei InterviewpartnerInnen sagten entfernten Verwandten nichts von der Behandlung, um Nachfragen über den Behandlungsverlauf sowie den Aufbau einer dadurch entstehenden Druckkulisse zu vermeiden (I.9/12/14w).