Hallo,
ich kann sehr gut verstehen, dass Du enttäuscht bist. Nicht nur, dass die Aussage, die Du zitierst, komplett falsch ist, und dass auch noch leicht- nachweisbar-komplett-falsch, was für mich persönlich es immer noch viel schwerer macht, solche Behauptungen zu ertragen.
Ich würde sagen, dass für die meisten Menschen Anlässe wie dieser, der Hauptbeweggrund dafür ist, Mitglied einer Glaubensrichtung zu sein, und dafür Kirchen- oder Kultussteuer zu bezahlen (Kultussteuer ist die Kirchensteuer für Juden in Deutschland). Taufe, Konfirmation oder Kommunion, Brith Milah (Beschneidung) oder Bar und Bat Mitzwah (Konfirmation für Mädchen [Bat] und für Jungs [Bar]) sind wie Trauung und Beerdigung nicht allein nur religiöse Riten, sondern sozial tiefst verwurzelte Anlässe, deren Platz im Leben eines Menschen für viele so gut wie gar nicht wegzudenken ist.
Die Taufe, die Brith sind Feste, soziale Ereignisse, ja, aber vor allem sind sie Riten, die am Anfang des Lebens in den Glauben einführen, zum Teil der Gemeinschaft werden lassen, und die Werte für das kommende Leben definieren sollen. Sie sind die Grundlage des Glaubens, egal welcher Richtung; die Taufe, die Brith (ich erwähne Beides zusammen, weil Beide Glaubensgemeinschaften in Deutschland Steuern erheben, und beide Riten ähnlich starke Bedeutung haben) halten die betreffenden Glaubensgemeinschaften am Leben - ohne Taufe keine Protestanten. Mal abgesehen von der bereits erwähnten sozialen und emotionalen Bedeutung solcher Riten.
Man kann also schon allein auf Grund des gesunden Menschenverstandes davon ausgehen, dass Riten wie die Taufe im Basispaket enthalten und mit der Zahlung der Kirchensteuer abgegolten sind - mal abgesehen davon, dass das Kirchengesetz der evangelischen Kirche Bayern über die Taufe und die dazu gehörigen Ausführungsverordnungen klar festlegen, dass die Taufe kostenfrei ist, und auch nicht verweigert werden darf, so lange beide Erziehungsberechtigte dafür sind.
Ein Gebühr zu erheben ist zudem zutiefst unsozial: In den unteren Einkommensschichten kann sie ein Faktor sein, der Menschen davon abhalten könnte, ihr Kind taufen zu lassen.
Bei der Aussage der Gemeinde zur Kirchensteuer kann man indes nur hoffen, dass sie aus bloßem Unwissen heraus getroffen worden ist, wobei ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen kann, wie so etwas sein kann.
Natürlich bekommt nicht der Staat die Kirchensteuern, und natürlich kommt ein Teil davon, ein ziemlich großer sogar, in denen Gemeinden der Konfessionen der jeweiligen Kirchen- und Kultussteuerzahler an.
Denn der Staat, in Form der Bundesländer, erlässt auf der Grundlage von Artikel 140 des Grundgesetzes sogenannte Landeskirchensteuergesetze, in denen Höhe und Form der Steuer geregelt ist, und zieht dann über die Finanzämter bei den als Angehörige einer zur Erhebung von Kirchen- oder Kultussteuer berechtigten Glaubensrichtung gemeldeten Steuerzahlern die Kirchen- oder Kultussteuer ein.
Von diesem Geld, bei der evangelischen Kirche bundesweit 2008 immerhin 4,5856 Milliarden Euro, behält das jeweilige Bundesland einen Prozentsatz als Gebühr für den Einzug der Kirchen- oder Kultussteuer ein. Das sind im bundesweiten Schnitt drei Prozent des Gesamtaufkommens, mit dem Saarland und 4,5 Prozent an der Spitze und Bayern mit zwei Prozent ganz unten. Einige Weltanschauungsgemeinschaften ziehen deshalb ihre Kirchensteuern selbst ein; andere verzichten ganz darauf, und erheben Mitgliedsbeiträge in selbst bestimmbarer Höhe.
Unter anderem in Bayern gibt es zudem die Möglichkeit, ein zusätzliches Kirchgeld zu erheben. Wenn ich das richtig sehe, hat die evangelisch-lutherische Kriche in Bayern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und erhebt von ihren Mitgliedern Zusatzbeiträge in Höhe von je nach Einkommen bis zu 100 Euro im Jahr; das Kirchgeld ist direkt für die Gemeinde bestimmt, der die jweiligen Kirchgeldzahler angehören.
Eine der Rechtfertigungen, die auf den Webseiten einiger Memminger evangelischer Gemeinden genannt wird, dafür ist, dass der Kirchensteuersatz in Bayern mit acht Prozent niedriger ist als anderswo, und damit die Einnahmen geringer - was allerdings kompletter Humbug ist: Denn zwar nimmt man in den unteren und mittleren Einkommensklassen weniger ein, in den Höheren dafür aber umso viel mehr. Denn anders als anderswo erlaubt das bayerische Kirchensteuergesetz keine Kappung der Kirchensteuer ab einem bestimmten Einkommen (in vielen anderen Ländern können Steuerzahler die Kirchensteuer kappen, sobald das Einkommen eine bestimmte Höhe erreicht - der Kirchensteuersatz liegt dann bei nur um die 2,5 Prozent.
In Bayern werden in diesem Jahr übrigens insgesamt 67,3 Prozent der Kirchensteuereinnahmen für die Gemeinden ausgegeben; 54,5 Prozent gehen direkt dorthin - und das Kirchgeld komplett.
Viele Grüße,
Ariel