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Mafa
Guest
Regisseur Dieter Wedel und sein neuer Film "Papa und Mama"
(ZDF, 1. Teil: Montag 02.01.2006, 2. Teil: Mittwoch 04.01.2006 jeweils um 20.15 Uhr)
Kommen Anwälte ins Spiel, bricht der Krieg los
"Papa und Mama" - Mehr als eine Scheidungsgeschichte
Was ist Glück? Was ist Liebe? Wie sieht eine glückliche Beziehung aus? Dieter Wedels Film sucht Antworten auf diese Fragen. Er zeigt einfühlsam und packend, wohin Sprachlosigkeit in Beziehungen führt: vor den Scheidungsrichter.
Er kritisiert das aktuelle Scheidungsrecht und geldgierige Anwälte, die noch mehr spalten anstatt nach einver nehmlichen Lösungen zu suchen. Er schildert die Verzweiflung der Kinder, wenn sich Eltern scheiden lassen.
Der neue Wedel-Film deckt ein großes gesellschaftliches Defizit auf: die mangelnde Kommunikation unter Menschen. Ein Film voller Emotionen, der berührt und doch nie den Humor verliert.
Auf verschiedenen Ebenen in verschiedenen Tonarten wird das Thema Scheidung variiert. Da gibt es den Staranwalt, dessen Frau ihn völlig überraschend mitsamt den Kindern verlässt, das ältere Ehepaar, das nach Jahrzehnten der Gemeinsamkeit sich trennt, weil der alternde Mann noch einmal Bestätigung braucht. Und schließlich – düsterstes Ende des Spektrums – den in die Ecke Getriebenen, der nur noch blind um sich schlägt und keinen anderen Ausweg mehr sieht als den Gattenmord.
Die Hauptstränge der Geschichte, einfallsreich miteinander verflochten, werden aus der Perspektive der Kinder erzählt, die mal sieben sind, mal dreizehn, mal siebenundzwanzig – aus der Sicht derjenigen also, die auf dem Schlachtfeld der ehelichen Auseinandersetzungen zwischen alle Fronten geraten und wohl am meisten unter der Scheidung leiden. Gleichgültig, wie alt sie sind – für sie wird die Trennung der Eltern zu einer Art "Vertreibung aus dem Paradies".
Interview mit Autor und Regisseur Dieter Wedel
Warum haben Sie einen Film zu dem Thema Scheidung gedreht?
Da mittlerweile jede zweite Großstadt-Ehe geschieden wird, dürfte es kaum ein Thema geben, das mehr Menschen bewegt und angeht; sicherlich auch die, die im Augenblick über solch einen Schritt nachdenken. Eine Figuren-Konstellation, bei der es eindeutig wäre, warum einer der Partner sich scheiden lassen will, bei der also klar ist, wer der gute Unschuldige und wer der böse Schuldige ist, hätte mich nicht interessiert. Ich wollte vielmehr zeigen, wie vernünftige, sympathische Menschen, die guten Willens sind, die es unbedingt vermeiden wollen, in aller Öffentlichkeit schmutzige Wäsche zu waschen, in einer solchen Situation sich verhalten und wie sie damit umgehen. Plötzlich stellt man fest, dass die Liebe im grauen Alltag verblasst ist; vielleicht ist sie noch nicht ganz gestorben, jedenfalls sind die "Blütenträume" nicht gereift. Man nähert sich der Vierzig oder ist knapp drüber; man hat den Eindruck, dass das Leben wie Sand zwischen denn Fingern zerrinnt und es nichts gibt, um es aufzuhalten. Es hat keinen großen Knall gegeben, nur eben diese schleichende Entfremdung: Man will noch mal einen neuen Anfang wagen; vielleicht auch den Partner aufrütteln, ihm einen Schuss vor den Bug setzen. So fängt es sehr häufig an. Problematisch ist, dass dem, der geht, bewusst ist, dass er ein Versprechen, einen Vertrag bricht. Also hat er ein schlechtes Gewissen. Also fängt er an, Argumente zu sammeln, die das eigene Verhalten rechtfertigen. Und schon – trotz allen guten Willens - eskaliert die Situation. Der Krieg beginnt.
Was hat Sie bei Ihren Recherchen überrascht?
Dass der Trennungsgrund bei den meisten nicht ein Seitensprung des Partners war oder eine neue lodernde Verliebtheit, sondern die Sprachlosigkeit in der Ehe, die mangelnde Kommunikation. Sprachlosigkeit scheint mir ein großes gesellschaftliches Thema zu sein. Wenn immer weniger Menschen fähig sind, ihre Befindlichkeiten zu artikulieren, ihre Probleme zu formulieren, erschreckt mich das. In "Papa & Mama" versuche ich, die Sprachlosigkeit zwischen den Ehepartnern, aber auch zwischen den Generationen, zwischen Eltern und Kindern, zu thematisieren.
Der Film spielt in einer noblen Kanzlei für Scheidungsrecht. Der Staranwalt wird schließlich selbst verlassen und fällt tief - auch finanziell. Halten Sie das Scheidungsrecht für ungerecht?
Es gab eine Scheidungsrechtsreform 1977, davor waren eindeutig die Frauen benachteiligt. Danach waren es die Männer, was nicht zu mehr Gerechtigkeit führte. Das ist inzwischen etwas abgefedert worden. Heute ist der Besserverdienende - wenn Kinder da sind - häufig jeder Erpressung ausgeliefert. Dieses Druckmittel wird oft genutzt. Es kann natürlich auch so sein, dass der Besserverdienende die Frau ist. Es gibt in keinem Lebensbereich eine Garantie, dass Sie ihren Lebensstandard halten können: Wenn Sie Ihren Job verlieren, wenn Sie krank werden, wenn Sie in Pension gehen, dann versucht die Gesellschaft, das abzufedern. Aber sie gibt Ihnen doch nicht die Garantie, dass sie Ihren Lebensstandard halten. Lediglich bei der Scheidung gibt es das. Das verletzt das Gleichheitsgebot: Wer weniger verdient, hat eine Besitzstandsgarantie.
Was ist Ihre Kritik am aktuellen Scheidungsrecht? Was sollte daran geändert werden?
Ich bin kein Jurist. Ich glaube, es ist auch nicht Aufgabe eines Autors, zu wissen, wie die Welt gefälligst zu sein hat. So etwas fände ich anmaßend. Vor der Scheidungsreform 1977 waren die Frauen eindeutig benachteiligt, danach die Männer, was nicht zu mehr Gerechtigkeit geführt hat. Matthias Matussek hat darüber zwei heftig diskutierte Bücher geschrieben. Danach, habe ich den Eindruck, wurde versucht, manches im Scheidungsrecht abzufedern, aber natürlich ist es immer noch so, dass der Besserverdienende beinahe jeder Erpressung durch denjenigen, der die Kinder betreut, ausgeliefert ist. Dazu kommt diese Absurdität: Der Besserverdienende muss plötzlich zwei Haushalte finanzieren und obendrein mehr Steuern zahlen. Höhere Ausgaben mit geringerem Netto-Einkommen zu bewältigen, schafft niemand.
Das Scheidungsrecht ist aber nicht der Hauptschuldige am Unglück der Menschen ...
Wenn sich zwei Menschen scheiden lassen, ist auch selten ein anderer Partner der Grund. Fast immer wird über mangelnde Kommunikation, über Sprachlosigkeit berichtet. Da könnte man natürlich darüber nachdenken, ob das nicht ein gesellschaftliches Problem ist. Die Unfähigkeit, Probleme zu artikulieren und auszusprechen, ist ein häufiger Trennungsgrund. Der, der geht, hat immer ein schlechtes Gewissen. Da ist es normal, dass man Argumente für das eigene Verhalten und gegen den anderen sucht. Kommen dann Anwälte ins Spiel, bricht der Krieg los.
Wollten Sie sich mit der Kaste der Scheidungsanwälte anlegen?
Es gibt gute und schlechte Anwälte. Wir alle müssen ökonomische Rücksichten üben. Sogar im Krankenhaus ist das schon so. Ich kann es verstehen, wenn ein Anwalt sagt: "Versöhnen die sich, dann verdiene ich nur eine kleine Gebühr. Wenn der Krieg ein bisschen weitergeht, verdiene ich erheblich mehr." Man sieht im Film, es geht um eine große Kanzlei. Da laufen viele Menschen herum, es müssen Arbeitsplätze finanziert werden.
Die Sprachlosigkeit des getrennten Paares endet vor Gericht. Erst dort wird wieder geredet, dann aber kriegerisch ...
Es wird eigentlich nicht geredet, es wird über Anwälte kommuniziert. Die Sprachlosigkeit vorher ist ein gesellschaftliches Problem. Und sie ist in der Zweierbeziehung besonders gravierend. Ich habe während des Projektes an mir festgestellt, dass ich abends, wenn ich vom Drehen kam, auch zu Hause nicht mehr erzählen wollte, was an dem Drehtag passiert ist. Ich hatte mich dann genug geärgert, ich wollte das nicht noch einmal erzählen.
Obwohl ich am liebsten gar nichts mehr erzählt hätte. Aber ich bekam ja mit, wohin Sprachlosigkeit - auch aus Erschöpfung heraus - führt.
Warum haben Sie den Film aus der Sicht der Kinder erzählt?
Weil ich glaube, dass sie diejenigen sind, die am meisten und ganz unschuldig unter dem Scheidungskrieg leiden. Zwischen den Parteien werden sie hin- und hergerissen. Bei meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass Kinder, deren Eltern geschieden sind, später sehr häufig unter Beziehungsängsten litten, und dass sie die Scheidung, egal, wie alt sie selber damals waren, immer als so eine Art "Vertreibung aus dem Paradies" empfinden.
Welche Publikumsreaktionen auf "Papa & Mama" wünschen Sie sich?
Na, welche schon? Begeisterte Zustimmung! Wer wünscht sich die nicht? Gleichzeitig wünscht man sich natürlich auch kontroverse Dis kussionen über den Film. Man will ja zum Nachdenken anregen. Auf rütteln! Ganz ehrlich gesagt, denke ich über die Publikumsreaktion nicht nach. Wozu auch? Sie ist immer schwer voraussehbar. Und ich erfahre sie ja nach der Sendung sowieso. Warum soll ich mir also jetzt schon den Kopf darüber zerbrechen? Ich habe über etwas erzählt, was mich interessiert, verstört, erschreckt und manchmal auch amüsiert. Bei vielen meiner Filme hat ein großes Publikum ähnlich empfunden wie ich. Hoffen wir, dass es diesmal wieder so ist.
Das Problem jeder Beziehung ist ja wohl, dass keiner der Partner für seine Gefühle auf Dauer garantieren kann. Bei meinen Recherchen war es mir meistens möglich, die Argumentation beider Seiten zu be greifen. Einzige Ausnahme: wie man es fertig bringt, ohne Ausspra che, ohne jede Vorankündigung einfach auszuziehen, den Partner, den man ja mal geliebt hat, allein sitzen zu lassen, das ist für mich nicht nachvollziehbar.
Wie sieht für Sie eine glückliche Beziehung aus?
Im "Großen Bellheim" habe ich beschrieben, wie Will Quadflieg durch ein Fernglas das Nachbarhaus beobachtet. Seine Freunde glauben, er betrachte ein hübsches Mädchen. Dabei schaute er voller Wehmut einem alten Paar zu, das Abends vor dem Fernseher sitzt und sich zärtlich bei den Händen hält. Sehen Sie, die hatten es geschafft: eine glückliche Beziehung.
(c) ZDF 2005
(ZDF, 1. Teil: Montag 02.01.2006, 2. Teil: Mittwoch 04.01.2006 jeweils um 20.15 Uhr)
Kommen Anwälte ins Spiel, bricht der Krieg los
"Papa und Mama" - Mehr als eine Scheidungsgeschichte
Was ist Glück? Was ist Liebe? Wie sieht eine glückliche Beziehung aus? Dieter Wedels Film sucht Antworten auf diese Fragen. Er zeigt einfühlsam und packend, wohin Sprachlosigkeit in Beziehungen führt: vor den Scheidungsrichter.
Er kritisiert das aktuelle Scheidungsrecht und geldgierige Anwälte, die noch mehr spalten anstatt nach einver nehmlichen Lösungen zu suchen. Er schildert die Verzweiflung der Kinder, wenn sich Eltern scheiden lassen.
Der neue Wedel-Film deckt ein großes gesellschaftliches Defizit auf: die mangelnde Kommunikation unter Menschen. Ein Film voller Emotionen, der berührt und doch nie den Humor verliert.
Auf verschiedenen Ebenen in verschiedenen Tonarten wird das Thema Scheidung variiert. Da gibt es den Staranwalt, dessen Frau ihn völlig überraschend mitsamt den Kindern verlässt, das ältere Ehepaar, das nach Jahrzehnten der Gemeinsamkeit sich trennt, weil der alternde Mann noch einmal Bestätigung braucht. Und schließlich – düsterstes Ende des Spektrums – den in die Ecke Getriebenen, der nur noch blind um sich schlägt und keinen anderen Ausweg mehr sieht als den Gattenmord.
Die Hauptstränge der Geschichte, einfallsreich miteinander verflochten, werden aus der Perspektive der Kinder erzählt, die mal sieben sind, mal dreizehn, mal siebenundzwanzig – aus der Sicht derjenigen also, die auf dem Schlachtfeld der ehelichen Auseinandersetzungen zwischen alle Fronten geraten und wohl am meisten unter der Scheidung leiden. Gleichgültig, wie alt sie sind – für sie wird die Trennung der Eltern zu einer Art "Vertreibung aus dem Paradies".
Interview mit Autor und Regisseur Dieter Wedel
Warum haben Sie einen Film zu dem Thema Scheidung gedreht?
Da mittlerweile jede zweite Großstadt-Ehe geschieden wird, dürfte es kaum ein Thema geben, das mehr Menschen bewegt und angeht; sicherlich auch die, die im Augenblick über solch einen Schritt nachdenken. Eine Figuren-Konstellation, bei der es eindeutig wäre, warum einer der Partner sich scheiden lassen will, bei der also klar ist, wer der gute Unschuldige und wer der böse Schuldige ist, hätte mich nicht interessiert. Ich wollte vielmehr zeigen, wie vernünftige, sympathische Menschen, die guten Willens sind, die es unbedingt vermeiden wollen, in aller Öffentlichkeit schmutzige Wäsche zu waschen, in einer solchen Situation sich verhalten und wie sie damit umgehen. Plötzlich stellt man fest, dass die Liebe im grauen Alltag verblasst ist; vielleicht ist sie noch nicht ganz gestorben, jedenfalls sind die "Blütenträume" nicht gereift. Man nähert sich der Vierzig oder ist knapp drüber; man hat den Eindruck, dass das Leben wie Sand zwischen denn Fingern zerrinnt und es nichts gibt, um es aufzuhalten. Es hat keinen großen Knall gegeben, nur eben diese schleichende Entfremdung: Man will noch mal einen neuen Anfang wagen; vielleicht auch den Partner aufrütteln, ihm einen Schuss vor den Bug setzen. So fängt es sehr häufig an. Problematisch ist, dass dem, der geht, bewusst ist, dass er ein Versprechen, einen Vertrag bricht. Also hat er ein schlechtes Gewissen. Also fängt er an, Argumente zu sammeln, die das eigene Verhalten rechtfertigen. Und schon – trotz allen guten Willens - eskaliert die Situation. Der Krieg beginnt.
Was hat Sie bei Ihren Recherchen überrascht?
Dass der Trennungsgrund bei den meisten nicht ein Seitensprung des Partners war oder eine neue lodernde Verliebtheit, sondern die Sprachlosigkeit in der Ehe, die mangelnde Kommunikation. Sprachlosigkeit scheint mir ein großes gesellschaftliches Thema zu sein. Wenn immer weniger Menschen fähig sind, ihre Befindlichkeiten zu artikulieren, ihre Probleme zu formulieren, erschreckt mich das. In "Papa & Mama" versuche ich, die Sprachlosigkeit zwischen den Ehepartnern, aber auch zwischen den Generationen, zwischen Eltern und Kindern, zu thematisieren.
Der Film spielt in einer noblen Kanzlei für Scheidungsrecht. Der Staranwalt wird schließlich selbst verlassen und fällt tief - auch finanziell. Halten Sie das Scheidungsrecht für ungerecht?
Es gab eine Scheidungsrechtsreform 1977, davor waren eindeutig die Frauen benachteiligt. Danach waren es die Männer, was nicht zu mehr Gerechtigkeit führte. Das ist inzwischen etwas abgefedert worden. Heute ist der Besserverdienende - wenn Kinder da sind - häufig jeder Erpressung ausgeliefert. Dieses Druckmittel wird oft genutzt. Es kann natürlich auch so sein, dass der Besserverdienende die Frau ist. Es gibt in keinem Lebensbereich eine Garantie, dass Sie ihren Lebensstandard halten können: Wenn Sie Ihren Job verlieren, wenn Sie krank werden, wenn Sie in Pension gehen, dann versucht die Gesellschaft, das abzufedern. Aber sie gibt Ihnen doch nicht die Garantie, dass sie Ihren Lebensstandard halten. Lediglich bei der Scheidung gibt es das. Das verletzt das Gleichheitsgebot: Wer weniger verdient, hat eine Besitzstandsgarantie.
Was ist Ihre Kritik am aktuellen Scheidungsrecht? Was sollte daran geändert werden?
Ich bin kein Jurist. Ich glaube, es ist auch nicht Aufgabe eines Autors, zu wissen, wie die Welt gefälligst zu sein hat. So etwas fände ich anmaßend. Vor der Scheidungsreform 1977 waren die Frauen eindeutig benachteiligt, danach die Männer, was nicht zu mehr Gerechtigkeit geführt hat. Matthias Matussek hat darüber zwei heftig diskutierte Bücher geschrieben. Danach, habe ich den Eindruck, wurde versucht, manches im Scheidungsrecht abzufedern, aber natürlich ist es immer noch so, dass der Besserverdienende beinahe jeder Erpressung durch denjenigen, der die Kinder betreut, ausgeliefert ist. Dazu kommt diese Absurdität: Der Besserverdienende muss plötzlich zwei Haushalte finanzieren und obendrein mehr Steuern zahlen. Höhere Ausgaben mit geringerem Netto-Einkommen zu bewältigen, schafft niemand.
Das Scheidungsrecht ist aber nicht der Hauptschuldige am Unglück der Menschen ...
Wenn sich zwei Menschen scheiden lassen, ist auch selten ein anderer Partner der Grund. Fast immer wird über mangelnde Kommunikation, über Sprachlosigkeit berichtet. Da könnte man natürlich darüber nachdenken, ob das nicht ein gesellschaftliches Problem ist. Die Unfähigkeit, Probleme zu artikulieren und auszusprechen, ist ein häufiger Trennungsgrund. Der, der geht, hat immer ein schlechtes Gewissen. Da ist es normal, dass man Argumente für das eigene Verhalten und gegen den anderen sucht. Kommen dann Anwälte ins Spiel, bricht der Krieg los.
Wollten Sie sich mit der Kaste der Scheidungsanwälte anlegen?
Es gibt gute und schlechte Anwälte. Wir alle müssen ökonomische Rücksichten üben. Sogar im Krankenhaus ist das schon so. Ich kann es verstehen, wenn ein Anwalt sagt: "Versöhnen die sich, dann verdiene ich nur eine kleine Gebühr. Wenn der Krieg ein bisschen weitergeht, verdiene ich erheblich mehr." Man sieht im Film, es geht um eine große Kanzlei. Da laufen viele Menschen herum, es müssen Arbeitsplätze finanziert werden.
Die Sprachlosigkeit des getrennten Paares endet vor Gericht. Erst dort wird wieder geredet, dann aber kriegerisch ...
Es wird eigentlich nicht geredet, es wird über Anwälte kommuniziert. Die Sprachlosigkeit vorher ist ein gesellschaftliches Problem. Und sie ist in der Zweierbeziehung besonders gravierend. Ich habe während des Projektes an mir festgestellt, dass ich abends, wenn ich vom Drehen kam, auch zu Hause nicht mehr erzählen wollte, was an dem Drehtag passiert ist. Ich hatte mich dann genug geärgert, ich wollte das nicht noch einmal erzählen.
Obwohl ich am liebsten gar nichts mehr erzählt hätte. Aber ich bekam ja mit, wohin Sprachlosigkeit - auch aus Erschöpfung heraus - führt.
Warum haben Sie den Film aus der Sicht der Kinder erzählt?
Weil ich glaube, dass sie diejenigen sind, die am meisten und ganz unschuldig unter dem Scheidungskrieg leiden. Zwischen den Parteien werden sie hin- und hergerissen. Bei meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass Kinder, deren Eltern geschieden sind, später sehr häufig unter Beziehungsängsten litten, und dass sie die Scheidung, egal, wie alt sie selber damals waren, immer als so eine Art "Vertreibung aus dem Paradies" empfinden.
Welche Publikumsreaktionen auf "Papa & Mama" wünschen Sie sich?
Na, welche schon? Begeisterte Zustimmung! Wer wünscht sich die nicht? Gleichzeitig wünscht man sich natürlich auch kontroverse Dis kussionen über den Film. Man will ja zum Nachdenken anregen. Auf rütteln! Ganz ehrlich gesagt, denke ich über die Publikumsreaktion nicht nach. Wozu auch? Sie ist immer schwer voraussehbar. Und ich erfahre sie ja nach der Sendung sowieso. Warum soll ich mir also jetzt schon den Kopf darüber zerbrechen? Ich habe über etwas erzählt, was mich interessiert, verstört, erschreckt und manchmal auch amüsiert. Bei vielen meiner Filme hat ein großes Publikum ähnlich empfunden wie ich. Hoffen wir, dass es diesmal wieder so ist.
Das Problem jeder Beziehung ist ja wohl, dass keiner der Partner für seine Gefühle auf Dauer garantieren kann. Bei meinen Recherchen war es mir meistens möglich, die Argumentation beider Seiten zu be greifen. Einzige Ausnahme: wie man es fertig bringt, ohne Ausspra che, ohne jede Vorankündigung einfach auszuziehen, den Partner, den man ja mal geliebt hat, allein sitzen zu lassen, das ist für mich nicht nachvollziehbar.
Wie sieht für Sie eine glückliche Beziehung aus?
Im "Großen Bellheim" habe ich beschrieben, wie Will Quadflieg durch ein Fernglas das Nachbarhaus beobachtet. Seine Freunde glauben, er betrachte ein hübsches Mädchen. Dabei schaute er voller Wehmut einem alten Paar zu, das Abends vor dem Fernseher sitzt und sich zärtlich bei den Händen hält. Sehen Sie, die hatten es geschafft: eine glückliche Beziehung.
(c) ZDF 2005