Hallo cordu, dieses Phänomen ist bei einigen Kindern zu beobachten. Zudem hat die Concerta bewusst eingebaute Wirk-Schwankungen, die sich am Biorhythmus des Patienten anpassen sollen. Hat bein meinem Sohn, 13J. lange gut funktioniert. Zum Glück hat er sie nie verweigert. Dann ließ die Wirkung durch sein Wachstum nach. Da ich selbst mit Ritalin SR Retard 20mg (wird leider nur noch an Privatversicherte verschrieben, es gibt einen Ersatz für Deutschland und heißt ähnlich, Wirkung etwas anders) bestens zurecht komme, hab ich den Kinderarzt darauf angesprochen, ob er diese ihm auch verschreiben könnte. Hat er gemacht. Seitdem fühlt er sich damit besser, weil der Wirkstoff über diese Retard konstant über den Zeitraum x abgegeben wird, im Gegensatz zur Concerta. Es ist möglich, dass das die sog. "Nebenwirkungen" sind, von denen Du sprichst.
Was für Nebenwirkungen hat er ?
Wenn er mit sich und seiner Umgebung mit Medikation besser klar kommt als ohne, bessere Leistungen in der Schule zeigt, sein Sozialverhalten weniger auffällig ist und er durch eine kontinuierlich verbesserte Konzentration eine für sich bessere Lebensqualität erzielt, dann hat er für die Zukunft bessere Möglichkeiten. ER muss damit gut klar kommen, nicht wir Eltern, ob er die Medikamente braucht oder nicht. Erfährt das Kind gleich zu Anfang, es würde Drogen nehmen (Drogen berauschen und machen körperlich abhängig, MPH macht nicht abhängig, sondern ohne MPH falle ich in meinen alten Zustand zurück, was ich nie wieder möchte!!), glaubt das Kind den Eltern oder wem auch immer und entwickelt eine Abneigung davor. Lilly7022 kann mich ja mal ohne MPH erleben und dann wieder mit. Sie würde mich wohl anflehen, diese "Droge" wieder zu nehmen ;-) Mit solchen Bezeichnungen würde ich sehr vorsichtig in Gegenwart meiner Kinder (wenn sie noch sehr klein sind) umgehen, weil sich das Unterbewusstsein sofort darauf einstellt, im negativen Sinne. Und MPH ist für die meisten Kinder und Erwachsenen heute immer noch der Wirkstoff Nr. 1.
Wer ihnen diesen Wirkstoff trotz möglicher Nebenwirkungen (ich muss immer viel trinken, ist ja gesund ;-)), verweigert, weil selbst Angst davor oder irgendwelche angeblichen Horrorstorys darüber gehört hat, dann räume ich heute damit sofort auf!!
Wer Methyphenidat nicht selbst eingenommen hat, kann tatsächlich nicht mitreden. Ich werde es bis ins Greisenalter nehmen und erfreue mich mit fast 40 organisch bester Gesundheit. Natürlich wäre ich auch froh, wenn ich es nicht nehmen müsste, keine Frage, aber dann würde ich gar nicht mehr klar kommen, geschweige denn meine wenigen Berufschancen auch noch verlieren. Wir Eltern müssen bei aller Skepsis bei MPH an die Zukunft unserer Kinder MIT Medikation ebenso denken, wenn es sich nicht in der Jugend wirklich verwächst. Das halte ich für sehr fraglich, ob wirklich 2/3 aller betroffenen Kinder danach ohne Symptome sind. Es kehrt sich meistens nach innen, kann gut verborgen werden, oder das Kind ist in der Lage, sich in späteren Jahren äußerst diszipliniert zu verhalten, also sich zu organisieren und Struktur im Leben schaffen. Klappt aber nicht immer.
Was dann?
Wenn ich damals im Kindesalter MPH bekommen hätte, wenn meine Diagnose aus 2002 schon 1977 erstellt worden wäre,
dann hätte ich mein Abi in den Abschlussprüfungen nicht so versäbelt,
dann hätte ich besseres Sozialverhalten unter mehr Konzentration schneller lernen können,
dann wäre ich sofort Studieren gegangen und hätte einen ganz anderen Berufsweg eingeschlagen,
dann wäre ich eine andere Beziehung eingegangen,
dann hätte ich schon damals ein viel intensiveres Leben,in dem ich stärker meiner selbst bewusst gewesen wäre, gelebt und ich würde heute nicht so intensiv mit den Spätfolgen eines sehr spät erkannten ADHS leben müssen, mit denen ich mich so gut wie es geht arrangiere.
Was erlebe ich:
Beruf falsch gewählt, jetzt das beste draus machen,
Depressionen,
Unverständnis,
Trennung,
Umzug,
Leben an der Null-Linie,
Kampf ums Überleben,
Einsamkeit
Ich erlebe zum Trost aber auch:
viele, viele gute Freunde,
gutes Personen-Netzwerk,
neue Chancen,
Mensch sein neu definieren,
Karate seit 5 Jahren,
Mitglied in einem symphonischen Orchester für Laien in der Violine,
verstärkte Spiritualität, denn ohne Gott würde ich nicht überleben,
Erkennen der eigenen Möglichkeiten und Grenzen,
Nutzen von Intuition und Kampfgeist,
tiefer und anders denken,
das Leben als Ganzheit zu betrachten.
Das dazu, wie ein Leben ohne Medikation und Therapie in der Zukunft auch für andere Kinder laufen kann!!
Darüber gilt es, sich als Eltern Gedanken zu machen:
Was tue ich meinem Kind möglicherweise zukunftsweisend Schlimmeres an, wenn sie die Medikation nicht bekommen?
Wenn mir ein Leben lang heute als Kurzsichtiger eine Brille verweigert wird, werde ich sicherlich chronische Beschwerden, z. B. Kopfschmerzen haben und das Geld für zerschlagene Glasscheiben aufbringen müssen, weil ich sie zu spät sehe...
Fazit:
Schauen, wie unser Kind besser zurecht kommt, mit oder ohne,
schauen, wie es sich nach außen hin verhält und so weiter.
Ohne Emotionen versuchen zu entscheiden, pragmatisch vorgehen, was sehe ich, was passiert, wie könnte das in der Zukunft für mein Kind aussehen?
Szenarios entwickeln. Können ASD-Menschen gut!
Dann haben langfristige Entscheidungen für unsere Kinder eine höhere Qualität.
Keine Entscheidungen treffen, wenn man selbst emotional am oberen Limit in solchen Situationen ist. Erst wieder zur eigenen Ruhe finden. Dann Entscheidungen fällen durch objektives Abwägen des Für und Wider. Eine Liste mit Pro und Contra kann helfen.
Als ADS-Mensch kann man positiv gesehen hyperfokussieren, also mit einem Mal doch äußerst konzentriert arbeiten, schreiben, lesen. Es muss nur interessant und spannend genug sein!! Wie das Thema hier... Sonst hätte ich nicht so viel und ausdauernd schreiben können.
Medikation: 3 x 20mg Ritalin SR 20mg
Nicht alles, was ich darüber geschrieben habe, muss Dich betreffen, es betrifft viele verunsicherte Eltern. Ungebildete Ärzte und Presseleute tragen leider viel dazu bei. :-(
Ich hoffe, dass Du Deinem Sohn helfen kannst, vielleicht hilft eine kontinuierlich wirkende Retard besser als das Concerta. Das könnte auf ihn auch seelisch stabilisierender wirken, weil sein Körper eine andere Tablette vielleicht besser annimmt. Nicht zu lange damit warten, der September ist noch weit weg.
Ich habe vor Kurzem etwas sehr Motivierendes und Erfreuendes gefunden: Siehe PDF-Anhang. Das macht uns zu etwas Besonderem.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!