Nachfolgend etwas Theorie:
Hälftige Betreuung bedeutet, dass die Kinder die Hälfte der Tage im Jahr bei einem Elternteil verbringen, die andere Hälfte beim anderen Elternteil. Die genaue Aufteilung der Tage ist Organisationssache. Dieses Modell hat erstaunlich viele Vorteile, aber auch einige Nachteile. Andere Namen sind "Wechselmodell", "abwechselnde Beherbergung", "gemeinsame oder geteilte Betreuung", "alternierende Obhut". Eine Variation ist das "Nestmodell", bei dem das Kind seinen hauptsächlichen Aufenthalt in einer Wohnung belässt, aber die Eltern wechselweise kommen und betreuen. Empfohlen wird es für sehr kleine Kinder.
Voraussetzungen:
Räumliche Nähe der Eltern (damit zum Beispiel Schulfreunde ohne größeren Aufwand kommen können). Bei älteren und sehr jungen Kindern sind auch Modelle mit grösserer Entfernung denkbar.
Akzeptanz der Kinder.
Genug Zeit beider Eltern, ihr Kind die Hälfte des Jahres zu betreuen.
Die Eltern müssen zumindest über Kinderthemen minimal kommunizieren (lernen) können. Geht das nicht, muss eine Mediation oder moderierte Gespräche vorgeschaltet werden.
Eine Elternvereinbarung, damit die Rahmenbedingungen klar sind und immer wieder ausdiskutiert werden müssen. Es genügt, wenn die Eltern so eine Vereinbarung formlos aufsetzen. Wenn das Jugendamt mitwirkt, um so besser.
Vorteile:
Die Kinder wachsen mit regelmässigen und gleichwertigen Kontakten zu beiden Elternteilen auf.
Der Hauptstreitpunkt "Unterhalt" verliert sehr viel von seiner Sprengkraft. Die Unterhaltsansprüche heben sich gegeneinander auf, Sonderbedarf wird entspechend der elterlichen Einkommenssituation aufgeteilt. OLG Frankfurt vom 25.02.2003, Aktenzeichen 1 WF 17/03: "Bei überwiegend gemeinsamer Betreuung ist kein Elternteil berechtigt, Unterhaltsansprüche des Kindes geltend zu machen, da der Lebensmittelpunkt des Kindes nicht feststellbar ist". Ebenso das OLG München vom 12. 8. 2002 (Az 26 UF 1103/02), in FamRZ 2003, Seite 248. Folglich kann auch keiner der beiden einen Unterhaltsvorschuss beanspruchen (Bayer. Verwaltungsgericht München vom 27.02.2002 (Az M 6b K 01.5340). Andere Oberlandesgerichte, namentlich das OLG Düsseldorf errechnen noch komplizierte Ausgleiche. Das BVerfG befasst sich momentan mit dieser Frage.
Bei beiden Eltern erlebt das Kind Alltage und Sonntage. Es gibt weder den Wochendpapa noch die Alltagsmama. Beide Eltern bleiben in der Verantwortung für ihre Kinder.
Beide Eltern sind gleich belastet und in die Kindererziehung integriert. Für beide Eltern ist Berufstätigkeit möglich.
Für die Kinder ist das Wechselmodell fast immer "das kleinste Übel", aber die beste aller Nachtrennungssituationen. Wenn die Eltern es schon nicht mehr unter einem Dach miteinander aushalten, dann ist diese Lösung für die Kinder oft die beste, auf jeden Fall besser als die in Deutschland standardmässig verordneten Wochenendbesuche alle 14 Tage.
Nachteile:
Kind braucht bei beiden Eltern seinen eigenen Bereich, am besten ein eigenes Zimmer - das macht das Wechselmodell insgesamt gesehen nicht billiger, sondern in der Summe teurer wie reine Einzelbetreuung. Auf der anderen Seite ermöglicht es beiden Eltern Berufstätigkeit, anstatt einen Elternteil als Haupt-Kinderbetreuer von Berufstätigkeit abzuhalten.
Absprachen und eine gewisse Kooperation zwischen den Eltern unbedingt nötig. Nichtkommunikation als Dauerzustand schliesst sich mit dem Wechselmodell aus.
Das grösste Problem ist das Risiko von Elternkonflikten, sobald ein Elternteil feststellt, dass er durch Geiselnahme des Kindes mit vollen Unterhaltszahlungen belohnt wird.
Fehlannahmen:
"Die Mutter will nicht, deswegen geht es nicht". Es gibt durchaus einzelne Gerichtsentscheidungen, in denen Väter das Wechselmodell auf Amtsgerichtsebene gerichtlich gegen den Willen der blockierenden Mutter durchgesetzt haben und die Mutter damit leben gelernt hat. Falls die obengenannten Voraussetzungen gegeben sind, sollten Väter das Wechselmodell auf jeden Fall anstreben. Mütter und Gerichte sperren sich oft dagegen, denn ihre privilegierte Stellung beim Unterhalt weicht dadurch einer Gleichstellung. Ungleichgewicht wird zu Gleichgewicht. Gerade beim Wechselmodell offenbaren sich die wahren Beweggründe mancher Eltern, die Kinder für sich behalten wollen. Wäre wirklich das Kindeswohl statt Unterhaltsmaximierung zu eigenen Händen oberstes Gebot, könnten wesentlich mehr Trennungskinder im Wechselmodell leben, so wie viele Kinder in Nachbarnländern.
"Ein Kind braucht ein zu Hause". Notwendig ist lediglich, dass die Eltern die Unterschiede akzeptieren können, dass sie den anderen Erziehungsstil und den anderen Elternteil respektieren und nicht schlecht reden. Kinder kommen sehr gut mit verschiedenen Welten zurecht. Sie schaffen das auch in der Schule, bei Internatsaufenthalten, längeren Besuchen bei anderen Verwandten, in den Ferien. Kein Kind lebt immer nur in einer Umgebung.
"Kinder brauchen in erster Linie Ordnung und Regelmässigkeit" - Falsch. Wo gibts die schon im Leben? Sie brauchen starke Eltern, die hinter ihnen stehen.
"Keine gemeinsame Sorge, deswegen keine gemeinsame Betreuung" - Falsch. Das Sorgerecht hat nichts dem Betreuungsmodell zu tun. § 1684 BGB macht keine Vorschriften über das Sorgerecht oder die Zahl der Tage, die Kinder beim jeweils anderen Elternteil verbringen dürfen.
"Wechselmodell ist die Lösung". Falsch - es ist eine Möglichkeit unter vielen, die Kinder nach einer Trennung vor Schaden zu bewahren. Wenn es nicht funktioniert, muss man auf andere Lösungen umschalten. Manche Eltern vereinbaren zu Beginn eine Probezeit - für Eltern und Kinder. Wenn es scheitert, dann selten an den Kindern, die meist sehr gut mit dem Leben in zwei Haushalten zurechtkommen. Es sind die Eltern, die der Versuchung von Machtspielen, Missgunst, Kinder-herüberziehen und damit Unterhalt-allein-bekommen nicht widerstehen können.
Die Grenzen zwischen "gutem Umgang" und "Wechselmodell" sind fliessend. Die Kinder sollen sich auch an den Umgangswochenenden beim anderen Elternteil wohl und zuhause fühlen. Warum sollen sich die Kinder nicht auch noch an ein paar zusätzlich Tagen beim Papa wohlfühlen? Das Wechselmodell muss nicht halbe-halbe heissen. Eine exakte 50:50 - Regelung ist ohnehin nicht exakt einzuhalten. Es sollte eine Toleranzbreite vereinbart werden, Puffermöglichkeiten vorhanden sein: Omas, Opas, Tanten, Onkels und eventuell Freunde als Betreuungsmöglichkeiten eingestreut. Zuerst müssen die Zeiten erfasst werden, in denen die Kinder elterlicher Betreuung bedürfen. Darin eingeschlossen müssen auch die Ferien-, Schulfrei- und Kindergartenschliessungszeiten werden. Darauf basierend werden die festen Zeiten der betreuenden Eltern erfasst. Alle Planungen sind individuell, Verallgemeinerungen können im Einzelfall recht schädlich sein.
Edit: Quellenangabe:
http://www.trennungsfaq.de/umgang.html