Diagnose AD(H)S Teil 1
Guten Morgen!
Die Diagnostik des AD(H)S wird sehr unterschiedlich gehandhabt und dauert auch unterschiedlich lange.
Das liegt zum Einen an den mangelnden personellen Ressourcen: Die SBZ's und Kliniken haben zuwenig Personal, das auch noch speziell geschult werden muss. Die Krankenkassen zahlen nur geringe Beträge für den nichtapparativen Teil der Diagnostik, so dass dies für eine niedergelassenen Praxis kaum finanzierbar ist.
Zum Anderen ist die Fortbildung recht aufwändig und zeitintensiv, man muss schon ein Steckenpferd draus machen, sonst wird es nichts. Und daher gibt es auch nicht so viele niedergelassenen Praxen, die eine sehr gute Diagnostik anbieten.
Oft wird dann eine Mischung angeboten: Die Patienten bekommen möglichst viele Untersuchungen gemacht, die die krankenkassen bezahlen und müssen für den niochtapparativen Teil etwas dazu bezahlen.
Aber auch in diesen Praxen wird die Wartezeit immer länger, es gibt einfach zu wenige.
Bedenkt bitte auch: Eine Praxis oder Klinik oder ein SBZ, die solch eine Diagnostik anbietet, sollte auch die Therapie anbieten - Training und VT. Das können aber noch zu wenige leisten, und dann lassen sie es ganz.
Für einegute Diagnostik ist schon ein hohes Maß an Eigeninitiative erforderlich, leider noch.
Und die derzeitige politische Lage lässt da nicht auf Besserung hoffen, also müssen wir selbst aktiv werden.
Gruß von Ute
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Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V.
Diagnostik und Therapie bei ADHS
(Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung)
3. DIAGNOSTIK
3.1. Zielsetzung
Sichern der Diagnose
Differentialdiagnostische Abgrenzung
Erfassen der qualitativen und quantitativen Ausprägung der individuellen Symptomatik
Erkennen individueller Umgebungsbedingungen (Aggravationsumstände und Ressourcen)
3.2. Zusammenstellung diagnostischer Verfahren
3.2.1. Anamnese: Familiensituation, Erkrankungen in der Familie - auch Verhaltensauffälligkeiten und Lern-Leistungs-Karriere-Besonderheiten, Alkohol-, Nikotin-, Drogenabusus, psychiatrische Erkrankungen; Schwangerschaft, Geburt, Entwicklung, Vorerkrankungen, derzeitige sonstige Beschwerden; Exploration der Eltern - (älteren) Kinder/Jugendlichen - Erzieher/Lehrer zu Sozial-, Lern-, Leistungsverhalten, Persönlichkeitsstruktur; Fremdbeurteilung von Sozial- und Lernverhalten, Leistungen auch durch Zeugnisse.
3.2.2. Klinischer Untersuchungsbefund: Ganzkörperuntersuchung, neurologische und motoskopische Untersuchung, Beurteilung des Hör- und Sehvermögens.
3.2.3. Verhaltensbeobachtung: während der Untersuchungen und der Exploration
3.2.4. Videoaufzeichnungen
3.2.5. ADHS-spezifische Fragebögen: Conners, VBV (Verhaltensbeobachtungsbogen im Vorschulalter), FBB-HKS (Fremdbeurteilungsbogen Hyperkinetische Störung) (jeweils für Eltern und Erzieher), u.a.
3.2.6.Testpsychologische Untersuchungen: Entwicklungs-, Intelligenztests, Aufmerksamkeitstests, u.a.; Rückgriff auf Vorbefunde von Frühfördereinrichtungen, Schule u.a. oft möglich
3.2.7. Apparative Diagnostik:
EEG (auch mit evozierten Potentialen)
Bildgebende Verfahren (SPECT, PET, NMR)
3.3. Bewertung einzelner diagnostischer Verfahren
Exploration: Die Diagnose lässt sich aus der Lebensgeschichte des Patienten ableiten. Die Exploration der Eltern, (älteren) Kinder/Jugendlichen, Erzieher/Lehrer ist die wichtigste diagnostische Maßnahme und unverzichtbar, um die Kernsymptome des ADHS, die komorbiden Störungen und deren Entwicklung und Auswirkungen in der Biographie zu erkennen.
Klinischer Untersuchungsbefund: Unverzichtbar zum Erhalt eines umfassenden Eindrucks vom Patienten. Gibt Hinweise auf physische Beeinträchtigungen, auch solche, die verhaltensbeeinflussend sein können (z.B.
Ekzem, Atemwegsallergien, Hör- und Sehschwäche). Neurologisch häufig Koordinationsstörungen. Auffälliges Verhalten während der Untersuchung (Kooperationsfähigkeit, Gestik, Mimik, Sprache, Geräusche).
ADHS-spezifische Fragebogentests: Sie focusieren die Erfassung auf bestimmte diagnosetypische Verhaltensweisen. In diesen Grenzen erlauben sie eine standardisierte Diagnostik, teils auch mit Abgrenzung von Subtypen (VBV, FBB). Sie können die ausführliche Exploration nicht ersetzen; die Information aus den Fragebögen kann aber bei der Exploration zu gezielten weiterführenden Fragen genutzt werden.
Testpsychologische Untersuchungen: Sie sind dann indiziert, wenn differentialdiagnostisch als Ursache für eine ADHS-(Teil)-Symptomatik umschriebene Leistungs- oder Verhaltensstörungen (wie Intelligenzdefizit, Lese-Rechtschreib- oder Rechenstörung, dissoziales Verhalten) in Frage kommen. Oft kann auf Vorbefunde von Frühfördereinrichtungen, Schule u.a. zurückgegriffen werden. Ansonsten ist eine abschätzende Beurteilung der intellektuellen Leistungsfähigkeit und des Aufmerksamkeitsverhaltens in der Schule durch die Lehrerbeurteilung und die Noten in den Zeugnissen möglich. Betrachten der Schulmappe und der Hefte (Ordnung, Führung, Schrift, Einteilung) geben Hinweise auf Störungen der (visu)motorischen Koordination (Schrift), Aufmerksamkeit (Flüchtigkeitsfehler) und auf Lese-Rechtschreib-Schwäche.
Videoaufzeichnungen: Optional. Hilfreich zur diagnostischen Beurteilung und für das Elterngespräch, auch für die Überprüfung des Therapieerfolgs. Demonstrierbar für die Eltern dabei die Auffälligkeiten in Mimik, Gestik und Körpersprache, die Aufmerksamkeitsabbrüche, das unangepaßte Verhalten des Kindes und die eigene elterliche Reaktion.
Apparative Diagnostik: EEG-Untersuchungen sind erforderlich, wenn aufgrund anamnestischer und klinischer Auffälligkeiten ein Anfallsleiden vorliegen könnte. Sonstige apparative Diagnostik ist wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten.