Eigene Kurzgeschichten

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eisherz2004

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:sonne Selbstgeschriebene Kurzgeschichten :sonne

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Schnee (Autor: Walter Schäfer)

Iris, meine kleine Tochter, hatte sich so sehr auf den Schnee gefreut!
Nun war er da und nicht zu knapp!

Gegen zwei Uhr Nachts hatte es langsam und geheimnisvoll angefangen zu schneien. Ich wurde von der absoluten Geräuschlosigkeit im Haus plötzlich wach und stand auf. Alles wirkte so dumpf auf einmal.
Wie von einem Magneten angezogen ging ich hinüber zum Wohnzimmerfenster und traute meinen Augen nicht. Es war ein wunderbarer Anblick im Licht des Vollmondes! Schneeweiß und bizarr ragten die Äste der Bäume in den nächtlichen Himmel. Unter ihnen eine unberührte, weiße Fläche, die Straßen waren nur noch zu erahnen.
Andächtig öffnete ich die Balkontür und trat hinaus in das wirre Schneetreiben.
Schneeflocken schmolzen kalt auf meiner ungeschützten Haut.
Von absoluter Ehrfurcht gepackt stand ich, nur mit meinem Schlafanzug bekleidet, mit nackten Füßen in 20 cm hohem Schnee auf unserem Balkon.
Irgendwie kam ich wieder zur Besinnung, klopfte mir den Schnee aus den Haaren bevor ich zurück ins Wohnzimmer ging und stieg die Treppen hinauf ins Kinderzimmer.

Leise flüsterte ich meiner kleinen Tochter Iris ins Ohr: „Es schneit, es schnei-heit!"
Sie schlug schlaftrunken die Äuglein auf und blinzelte mich an.
„Papaaa, weißt Du waas? Em, em, ich bin sooo müde.....! Geh wieder schlafen, der Schnee ist doch nur in meinem Traum.“
„Komm Schatzi, steh auf und zieh dich warm an, ich hole schon mal den Schlitten raus aus der Garage.“
Da schlug Iris endlich ihre Augen auf und sprang mir unvermittelt in die Arme!
Ich hob sie von ihrem Hochbett und trug sie die Treppe runter ins Wohnzimmer vor die Balkontür.
Als Iris all den Schnee sah, es schneite mittlerweile so kräftig, das man, außer einer dichten, weißen Wand, nichts anderes mehr sehen konnte, sprang sie aus meinen Armen und tanzte wild und völlig hellwach, durch die ganze Wohnung.
Ich sagte: „Sei bitte leise, Mami schläft noch, wir wollen sie doch nicht wecken!“

Wir wuschen uns, putzten die Zähne und packten uns anschließend warm ein, bevor es nach draußen ging.
Handschuhe, Schal, Mütze, all das lag bereits seit gestern auf der Garderobe, da ich den Wetterbericht gehörte hatte.

Ach, wie war es doch herrlich diese vor Freude funkelnden Augen zu sehen.

Auch Iris stand, als wir den Hof betraten, wie vom Donner gerührt der weißen Pracht gegenüber.

„Du Papi?“

„Ja mein Engel?“

„Ziehst Du mich ganz weit mit dem Schlitten?“

„Ja, bis ich nicht mehr kann, versprochen!“

Es war gar nicht so einfach das Garagentor zu öffnen. Der Schnee lag sicher einen halben Meter hoch davor.
Aber dann hatte ich es geschafft!
Iris saß auf und ich zog sie die Auffahrt hinauf, wobei ich bereits ganz schön ins Schwitzen geriet.

Immer wieder jauchzte und lachte sie glücklich hinter mir und ab und zu bekam ich einen Schneeball an den Kopf, ich lachte mit.

Der Schnee knirschte unter meinen Stiefeln, die immer tiefer im lockeren Schnee einsanken.

„Leise rieselt der Schnee.“ An diesen Satz mußte ich denken, als dicke Flocken an meinen Augenbrauen hängen blieben.

Die herumstehenden Autos waren nur noch als große, unförmige, weiße Hügel auszumachen. Sträucher, Hecken, Mülltonnen und kleine Bäume bildeten eine wellenförmige, einzigartige Schneedecke.

Ich zog Iris auf dem Schlitten einmal um den ganzen Häuserblock, dann konnte ich nicht mehr.
Mein Gott! Soviel Schnee hatten wir hier ja noch nie!

Schwer atmend setzte ich mich vor unserer Garageneinfahrt hinter Iris auf den Schlitten und gab ihm einen Schubs. Uiii, jetzt ging es abwärts! Iris lachte lauthals, doch als wir unten ankamen sagte sie: „Papi? Gehen wir wieder nach oben, mir ist so kalt!?“
„Na gut mein Schatz, der Schnee liegt jetzt auch zu hoch, da kommen wir ja kaum noch durch. Wenn es hell wird bauen wir einen großen Schneemann ja?

Morgen ist Heilig Abend und wir haben noch so viel vorzubereiten.
Hilfst Du mir beim Plätzchen backen?“

„Ja, ja, ja!“ rief Iris und klatschte glücklich und voller Freude in die kleinen Hände.

>Ende<
 
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eisherz2004

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Goldener Oktober (Autor: Walter Schäfer)

Es ist noch früh!
Nebelschwaden ziehen träge und tief durch den friedlich schlafenden Ort bis hinunter zum Fluß.
Gestern war es heiß, über 35 Grad, heute soll es regnen. Ich freue mich darauf. Wer kann sie schon über längere Zeit ertragen, diese brütende Hitze.

Ich verlasse die kleine Pension durch den Hinterausgang und schlendere durch die, bei Tag, so malerischen Straßen des stillen Ortes.

Es ist Oktober, der heißeste Oktober seit ich denken kann.
Wenn es heute regnet bekommen wir einen Jahrhundertwein, den Besten, den es je gegeben hat. Ich überquere die Hauptstraße und stehe ohne Übergang auf der Wiese am Ufer des Flusses.
Die Weinberge auf der anderen Seite kann ich nur erahnen. Noch herrscht absolute Dunkelheit.
Das nahe, gurgelnde Wasser vor mir, läßt mich stehen bleiben, denn ich sehe nichts.
Es kann nicht mehr lange dauern bis zur Dämmerung. Schon erklingt vom Ort her ein erster Hahnenschrei. Doch von einem Sonnenaufgang ist nichts zu sehen.
Eigenartig irgendwie.
Ich mache kehrt und gehe zurück in den Ort hinein.
Ein noch fernes Grollen empfiehlt mir meine Schritte zu beschleunigen.
Ein Gewitter, hier zwischen den Weinbergen, ist viel gefährlicher als anderswo.
Ich schaue auf meine Armbanduhr.
Schon kurz vor acht, das kann doch nicht sein! Dann hätte sich ja der Hahn vorhin in der Zeit geirrt. Aber bei dieser Schwärze? Kein Wunder.

Ich sehe grelles Licht am Horizont! Die Luft knistert! Dann dieser urzeitliche Knall, nicht mehr weit!
Ein Hund rennt mit eingeklemmtem Schwanz ganz dicht an mir vorbei und versteckt sich irgendwo.
Es blitzt jetzt ganz nahe schon und ich höre fast gleichzeitig den fürchterlichen Donner, der mir mein Trommelfell zu sprengen droht.
Ich höre noch etwas! Es ist ein Rauschen, ein Rauschen wie das eines Wasserfalls.
Was kommt da auf uns zu? Hier wo ich stehe, vor dem einzigen Gasthauses im Ort, fällt noch kein Tropfen, aber es kommt näher, dieses Rauschen, immer näher.
Ich glaube eine noch tiefere Schwärze in der Dunkelheit zu erkennen, bekomme ein schlechtes Gefühl in der Magengegend. Geht das gut?
Im nächsten Moment reißt es mich von den Beinen und mir stehen alle Haare zu Berge!
Unweit meines Standortes ist ein gewaltiger Blitz in ein altes Haus eingeschlagen.
Wirbelnde Trümmer fliegen mir um die Ohren. Ich liege flach auf der Erde, schütze meinen Kopf mit beiden Armen.
Und dann kommt Sie, die Wasserwand.
Ich schnappe nach Luft, werde von den Wassermassen auf den Boden gepreßt.
Trotzdem kämpfe ich mich hoch und sehe gerade noch, wie das eben noch brennende Haus wieder in tiefer Dunkelheit versinkt.
Der Boden unter meinen Füßen vibriert beim nächsten Donnerschlag.
Die Erde scheint sich aufzutun, oder die Hölle?
So schnell ich kann renne ich zu dem vom Blitz getroffenen Haus, denn jemand ruft kaum hörbar um Hilfe. Eine junge Frau liegt unter zusammengebrochenem Häuserschutt und streckt mir flehend ihre Hände entgegen. Ich kämpfe mir einen Weg durch die Wassermassen, räume Trümmer von ihren Beinen und schreie sie an, ob noch jemand im Hause sei, aber sie schüttelt den Kopf. Sie ist verletzt, aber kurzerhand werfe ich sie mir über die Schulter und laufe, so schnell ich nur kann, zurück zum Gasthaus. Der Wirt steht in der offenen Tür und schaut mir entgegen. Er ist ein alter Mann, schlottert am ganzen Körper. Dennoch nimmt er mir die Frau aus den Armen und trägt sie ins Haus.
Als ich mich umdrehe, hört der wahnsinnige Regen mit einem Mal auf, so, als wäre er nie da gewesen und es wird schlagartig hell.
Es trifft mich wie ein Keulenschlag, als ich die Verwüstung sehe!
Die Straßen sind übersät mit ausgespülten Weinstöcken und lehmigem Matsch. Immer noch fließen ganze Sturzbäche durch die Straßen, überall gurgelt es.
Am gegenüberliegenden Ufer liegt bergeweise der ganze Ertrag an Weintrauben für dieses Jahr, von diesem kurzen, aber gewaltigen Unwetter geerntet.

Goldener Oktober.
 
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eisherz2004

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Ein Völkchen für sich (oder einfach nur „schade“)

Ein Völkchen für sich (oder einfach nur „schade“) Autor: Walter Schäfer

Seit meiner Kindheit ist mir der Kölner Kaufhof ein Begriff! Schon im zarten Alter von 6 Jahren wurde ich immer wieder von meiner Mutter gegen meinen Willen zum Klamotten kaufen in den Kaufhof mit geschleppt. Gegen meinen ausdrücklichen Willen versteht sich. Das einzige, was mich aufrecht hielt war die Aussicht auf das riesige Eis zum Schluss.
Meine Mutter kaufte gerne im Kaufhof ein, er war ihr Lieblingsladen. Sie konnte stundenlang in den Kleidern wühlen und mich einfach daneben stehen lassen. Bedient und damit auch noch unterstützt von diesen äußerst netten Verkäuferinnen. Immer korrekt, zuvorkommend und scheinbar unendlich ausdauernd. Ein Völkchen für sich!
Mir ging das ganz gehörig auf den Zwirn. Ich ging fast ein vor Langeweile. So manches Mal hätte ich mir um ein Haar (gerne?!) in die Hosen gemacht, um diese Verbindung zu beenden. Deshalb entschloss ich mich ihnen gehörig auf die Nerven zu gehen. Ich suchte selbst die schönsten Abendkleider für sie aus, nahm sie von der Stange und hielt sie Ihr unter die Nase. Jedes Mal behauptete ich es sei das Schönste und sie solle es kaufen. Nach dem 4. oder 5. Mal begann sie fürchterlich mit mir zu schimpfen.
Schade -
Einfach nur schade, denn ich hatte es im Grunde nur gut gemeint und wollte der netten Verkäuferin doch nur helfen. Manchmal verfluchte ich sie alle. Aber im Nachhinein möchte ich sie doch nicht missen; es war eine wunderbare Zeit, denn die Welt war noch in Ordnung! – Spätestens beim Schlecken des Eishörnchens.

Jetzt bin ich fast ein halbes Jahrhundert alt und habe alle Höhen und Tiefen des Lebens durchgemacht.
Zwanzig Jahre leitete ich die Freie Tankstelle des Kölner Taxi - Rufes an der Ehrenstraße, hatte dort mit Mördern, Prostituierten, Zuhältern und Ganoven ebenso zu tun wie mit Polizisten, Geschäftsleuten, Ärzten und Akademikern gleichermaßen. Meine Lebenserfahrung basiert also auf dem wirklichen Leben, - dem Leben im ständigen Umgang mit Menschen.

Und so traf es sich recht gut, dass ich von meiner jetzigen Firma, bei der ich als examinierte Sicherheitsfachkraft und Betriebssanitäter tätig bin, ein neues Objekt übernehmen durfte. Begrenzt auf den Zeitraum von zwei Jahren.
Das es sich dabei um einen Teil der Kaufhof Hauptverwaltung handelte war mir nur recht. Wußte ich doch, dass es sich dabei um dieses „nette Völkchen“ handelte. Trotzdem ging ich mit aller Vorsicht an die Sache heran.

Er war mir auf den ersten Blick sympathisch! Mein Kontakter, der Erste aus diesem „Völkchen“. Zuständig im Bereich des Kaufhof Facility Managements hier in Köln und damit auch zuständig für meinen Einsatz im Kaufhof. Ein Kölner würde sagen: „Dat es ene bessere Huusmejister.“ Aber sein ganzes Erscheinungsbild entspricht ganz und gar nicht dem eines klassischen Hausmeisters. Ganz feines Äußeres, ausgestattet mit Fingerspitzengefühl; also eher Diplomat? Aber er glänzte auch direkt mit Fachwissen; also doch eher besserer Hausmeister? Egal. Sein Auftreten war korrekt, zuvorkommend und bestimmt. Das gefiel mir. Das kannte ich doch. Am 18. Februar 2002 ein erstes Gespräch vor Ort am Objekt. Zum Schluss fragte er mich: „Kann ich mich auf Sie verlassen Herr Schäfer?“
Ich erwiderte darauf: Ja, das können sie! Ich fühlte innerlich wieder diese Verbindung, dieses unsichtbare, gegenseitige Band des Vertrauens und nahm mir vor diesen „Menschen vom Kaufhof“ nicht zu enttäuschen.

Nach und nach zogen „SIE“ ein in den angemieteten, jetzt renovierten, ehemaligen Sitz der Kölner Sittenpolizei und Mordkommission. Ein Neubau in der eigentlichen Hauptverwaltung erforderte bis zur endgültigen Fertigstellung wohl Platz. Mein Gott, es sah wirklich „mordsmäßig“ aus in diesem Haus in der Löwengasse. Über Jahrzehnte war wohl nichts gemacht worden. Aber jetzt wurde richtig angepackt!
Männer und Frauen aller nur denkbaren Handwerksgruppen gaben sich unaufhörlich die Türklinken in die Hand. Oft begleitet und immer unterstützt von meinem „Hausmeister“. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Nach und nach zogen aber auch immer mehr Mitarbeiter, immer mehr von diesem „netten Völkchen“ aus den umliegenden Dependancen hier ein.
In kurzer Zeit bemühte ich mich, alle diese „Kaufhofmitarbeiter“ mit ihren Namen anzureden. Es war mir einfach ein Bedürfnis; 101 waren es ganz genau.

Ich fertigte Telefonlisten, Schlüssellisten, überarbeitete die Schlüssel aller Bürotüren des ganzen Hauses und legte einen Schlüsselkasten an.
Dann war es geschafft!

Heute, wo ich diese Geschichte schreibe, bin ich 9 Monate in der Löwengasse 1.
Ich habe alle, ich betone >alle< Frauen und Männer dieses Hauses in mein Herz geschlossen!

Eben: Ein Völkchen für sich!

Nie habe ich so viele nette und zuvorkommende Leute unter einem Dach gesehen!
Ganz nach dem alten Werbeslogan: „Kaufhof bietet tausendfach....alles unter einem Dach“.

Aber treffend auch der neue Slogan „Ich freu` mich drauf“! –
Denn ich freu` mich täglich drauf, dieses nette Völkchen aufs neue begrüßen zu dürfen.

Schade –

Dass es nur für einen begrenzten Zeitraum ist. Aber wer kann sich heute in dieser egoistischen und herzlosen Zeit schon „sein Völkchen“ aussuchen? Das war früher doch anders (oder doch nicht?)

Einfach nur schade.
 
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eisherz2004

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An das Bahnhofsmanagement (Autor: Walter Schäfer)
Köln Hauptbahnhof



Liebe Frau Bodden,

wieder einmal kommt der Winter ins Land und es wird saukalt. Und weil es so saukalt wird, hat mein Papa gesagt, er möchte nach Sizilien fahren, weil es da immer gleichmäßig warm ist. Ich weiß zwar nicht, woher er das weiß, aber mein Vater weiß viel, was ich nicht weiß. Das weiß ich.

Jedenfalls hab ich zu ihm gesagt, daß ich nicht nach Sizilien fahre, weil ich Angst hab, da doch so viele Unfälle bei der Bahn passieren und das Fahren mit der Eisenbahn doch sehr unsicher ist. Da kotz ich vor lauter Angst sicher wie ein Reiher. Ich hab da eine saumäßige Angst vor.

Ich will Ihnen jetzt keine Angst einjagen, doch so ausgereift kann das mit dem Eisenbahn fahren noch gar nicht sein. Ich weiß nicht, ob Sie nicht schon mal was von der Fliehkraft in Kurven gehört haben. Aber die Fliehkraft zieht die langen Züge immer in entgegengesetzter Richtung in Kurven aus den Schienen, als das der Zug eigentlich fahren will. Und deswegen sind ja auch schon eine ganze Menge Züge umgekippt und es war alles nur noch ein einziger Trümmerhaufen neben den Gleisen. Wenn ein Zug auf einer Brücke über einem Fluss umgekippt ist, fällt er natürlich ins Wasser und die Trümmer sind dann weniger. Aber kaputt geht der Zug auf jeden Fall, weil die Fliehkraft und nicht zuletzt auch die Schwerkraft daran schuld ist. Neulich ist Papi mit dem Auto in der Kurve auch hinten weg gerutscht und stand bei einem Bauern mitten im Gemüsegarten. Da war anschließend eine Mordssauerei an unserem Auto, vor allem die Tomaten an den Fensterscheiben haben viel Dreck gemacht. Aber das war immer noch besser, als wenn das in einem Wald passiert wär, da hätt` er unser Auto sicherlich aus den Baumkronen einsammeln müssen.

Ich weiß, das Eisenbahnzüge sehr schnell fahren können. Auch wenn sie so lang wie Würmer sind und immer den Schienen nachfahren müssen, weil sie sonst den Weg nicht mehr finden und sich total verfahren. Aber ich würde mich so einem Apparat nie anvertrauen, weil man halt nie genau weiß, wie lange so ein Zug am fahren bleibt. Wenn man sich vorstellt, dass man gerade durch so einen langen Tunnel in der Schweiz fährt und mittendrin stecken bleibt, oder es bricht ein Rad ab. Auch wenn es auf gerader Strecke ist. Und dann wird sich überschlagen. Und dann kommt der Zerschellungsvorgang. Wenn man den überlebt, wird man wahrscheinlich nass und holt sich vielleicht eine Lungenentzündung und schwimmt damit vielleicht mutterseelenallein im Meer, wenn man sich gerade an der italienischen Riviera befindet. Und dann ist kein Arzt da, aber vielleicht kommt ein Haifisch daher. Ich will das gar nicht ganz ausmalen, mir ist jetzt schon wieder schlecht.

Das wollte ich Ihnen aber alles gar nicht schreiben, weil mein Vater nämlich trotz allem nach Sizilien will, auch auf die Gefahr hin, das er sich im Meer eine Lungenentzündung holt und damit vielleicht von einem Hai gefressen wird. Und Lungenentzündung ist vermutlich ansteckend. Und ein Hai mit Lungenentzündung hätt im Überlebenskampf wahrscheinlich überhaupt keine Chance nicht. Um den tät es mir leid.

Ich hab zu meinem Vater gesagt, ich fahre nur dann mit, wenn wir mit so einem antiken Bummelzug fahren wie lange vor dem ersten Weltkrieg, mit deutscher Wertarbeit gemacht und der dadurch viel präziser ist und zuverlässiger, weil der viel intensiver auf den Schienen haftet als so ein modernes ICE – Teil und dafür aber nur etwas mehr Benzin verbraucht.
Aus Sicherheitsgründen sollten auch zwei Lokomotivführer mitfahren, damit der Andere weiterfahren kann, falls es einem schlecht wird unterwegs und der umkippt.
Wenn Sie mir das versichern können, dann fahr ich mit im Januar nach Sizilien, aber anders nicht, das können Sie sich aber ganz sicher sein!

Eine Bekannte von mir, eine ganz Ausgebuffte, der ich das erzählt hab, hat gesagt ich soll mich nicht so blöd anstellen, weil Zugfahren viel sicherer sei als Autofahren. Aber die glaubt wahrscheinlich , ich glaub alles und bin auf der Erbsensuppe dahergeschwommen.
Vielleicht können Sie mir sagen, wie das mit dem Eisenbahnfahren ist, das sollte aber bald sein, weil im Januar will es mein Vater schon packen mit Sizilien.

Dankeschön

Ihre Iris Schäfer
 
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