Viele Menschen ohne linguistische Vorbildung sind ja der Meinung, dass man das Deutsche so schreibt wie man es spricht (sie denken wahrscheinlich an das Engl. oder Frz. als extremes Gegenbeisp.), aber dem ist nicht so. Das merkt man, wenn man einen dt. Text in phonetischer Lautschrift vor sich hat. Auch diatopische (d.h. dialektale) Besonderheiten der Sprecher lassen das Prinzip ad absurdum führen (Die Franken entsonorisieren b zu p, die Sachsen sonorisieren p zu b, ganz zu schweigen vom Bayerischen...). Wie sollen Kinder mit sog. Migrationshintergrund sich die Dt. Sprache aneignen?
Es gibt Sprachen, wie z.B. das Italienische oder das Spanische, die wesentlich mehr als das Deutsche Aussprache und Orthographie in Harmonie gebracht haben, aber dort benutzt niemand eine solch absurde Methode, da nur die wenigsten Sprecher (abgesehen von Schauspielern, Nachrichtensprechern etc.) die Standardsprache wirklich verwenden, da Dialekte (insbes. in Italien) und Minderheitensprachen (insbes. in Spanien) sich auf die Artikulation der Standardsprache auswirken.
Fehler sollten sehr wohl in den Lernprozess integriert werden, aber dennoch tut man den Kindern keinen Gefallen, wenn man ihnen über einen langen Zeitraum die korrekte Schreibung vorenthält. 6 und 7-jährige Kinder verfügen über ein sehr großes Imitationspotential, das bei Lesen durch Schreiben verkümmert. Wir sagen "UNT", "NICH" oder "NIX", "IMMA" etc. Sollen wir die KInder wirklich 2 bis 3 Jahre lang so schreiben lassen? Ist es nicht besser, sie gewöhnen sich sofort an UND, NICHTS, IMMER (und glauben dann, dass sie auch so sprechen)? Die Schäden zu beseitigen ist wesentlich aufwändiger als sie ganz ohne Aufwand gar nicht erst entstehen zu lassen.
Der Papierkorb wartet schon auf eine pädagogisch-didaktische Seifenblase (mit fatalen Folgen für viele Kinder), an der am Ende niemand schuld gewesen sein will (vgl. Ganzwortmethode, notwendig beim Englischen mit seiner etymologisierenden Orthographie), sinnlos beim Deutschen, das eine Mischform aus etymologicher und phonologicher Orthographie besitzt. Eben die Mischform (+ dialektale oder migrationssprachliche Substrate) verbietet auch das radikale Konzept von Lesen durch Schreiben, zumal die Anlauttabelle gar nicht alle Laute hergibt und z.B. bei [f] (phonetisch): <f>, <v>, <ph> (graphematisch) völlig versagt (*FOGL, VOGL, *PHOGL ????). Gibt es andere Kulturnationen, in denen eine solch absurde Methode möglich wäre (abgesehen davon, dass sie Anfang der 70er J. ausgerechnet von einem Schweizer entwickelt worden war)? Pädagogik und Didaktik in Deutschland, getrieben von der ständigen Suche nach neuen Konzepten, auf welche dann die gesamte Lehrerschaft im 10- bis 15-jahres-Rhythmus vergattert wird, leiden massiv unter ADHS. Die leidtragenden sind wie fast immer die Kinder, insbesondere diejenigen mit Problemen (ADHS, LRS, Migrationshintergrund, bildungsfernes Elternhaus etc.). Über Rückmeldungen würde ich mich freuen.