Strandgut

A

AnnKathrin

Guest
Ich war ein paar Tage an der Nordsee. Das ist schön, im Sand zu liegen, das Meer zu hören, Algen zu riechen, nichts zu tun zu haben, den Gedanken freien Lauf zu lassen und zu beobachten...

... die beiden alten Leutchen, er stützt sich auf einen Stock, sie geht voran, nimmt dann irgendwann das andere Ende vom Stock und so gehen sie gemeinsam, den Stock zwischen sich wie ein starkes Band...

.... das bildhübsche junge Mädchen, das selbst im Sand die hochhackigen Stiefel trägt, obwohl es furchtbar unpraktisch ist, und sie beoachtet die beiden Typen, die sich an den kleinen Nordseewellen im Wellenreiten versuchen. Sie machen das nicht wirklich gut, aber sie lachen dabei und blicken immer wieder zu ihr, die im Sand sitzt und sich ständig die Haare zurückstreicht. Für wen sie sich wohl entscheiden wird?....

... die junge Familie... er übergewichtig, zupft ständig an der Badehose herum, während er mit seiner kleinen Tochter Drachen steigen lässt... sie ganz schlank, lächelnd, weiß die Zeit zu nutzen, während er sich mit dem Kind beschäftigt....

... das mittelalte Pärchen, das sich vielleicht über eine Kontaktanzeige kennengelernt hat, beide mit Vergangenheit, keine unbeschriebenen Blätter... aber glücklich im Moment, Arm in Arm, spazieren sie am Strand entlang, genießen sich, er drückt ihr einen Kuss auf die Wange...

... die auffallend dicke junge Frau, der die Verliebtheit aus den Augen strahlt und sie richtig attraktiv macht, während sie sich von ihrem Freund, groß, schlank bebrillt - er wirkt wie einer , der immer schüchtern war, und nun am Ziel ist und sein Selbstbewusstsein findet - fest in den Arm nehmen lässt und im Arm wiegen, als wollte er sie nie mehr loslassen...

...die Familie mit den drei Kindern... die Eltern erklären dem ältesten Sohn, warum er kein Eis bekommt. Dafür lässt sich die Mama aber dann von allen dreien im Sand einbuddeln, während der Papa fotografiert und dem "Kopf" der Mama am Ende einen Kuss gibt, während die Kinder um sie herumtanzen und ein Fähnchen setzen....

... die junge Mami, die mit ihren Eltern in Urlaub gefahren ist, damit die sich auch mal um das Kind kümmern... sie hat sich die Jeans hochgekrempelt und wirkt ganz jung und auf der Suche, während sie ihre Dreijährige an der Hand hält und kichernd vor den Wellen davonläuft und ab und zu dem braungebrannten Mann mit dem Lenkdrachen zulächelt...

Und ich liege da auf meinem Strandlaken und schaue um mich und warte, dass die Wehmut kommt. Oder die Sehnsucht. Aber das passiert nicht. Ich denke: Wissen die denn alle, dass die sich nur in einem Abschnitt ihres Lebens befinden? Dass es JETZT gut ist, oder auch nicht, und dass sich alles verändert? Ich kenne einige dieser Szenen aus eigenem Erleben, und doch trauere ich nicht nach. Das war damals gut, heute ist es weg und als Schatz abgespeichert.

Eines Tages werde ich auch wieder am Strand spazieren gehen. Ich werde das zulassen und genießen, was in mir ist. Und ich werde keine Zeit und Lust haben, andere zu beobachten...
 

Angel

Aktives Mitglied
Das war ZEN!
So sollte es immer sein... Die Vergangenheit ist vorbei, die Zukunft noch nicht da. Im Jetzt leben und es voll wahrnehmen...
Leider vergesse ich das zu häufig.

angel
 

cheyenne

Aktives Mitglied
hallo annkathrin,

schön geschriebenes posting. und deine abschlußaussage kann ich nur unterschreiben... diese gedankengänge kenne ich nämlich auch.
 
A

AnnKathrin

Guest
Hallo,

vielen Dank für euer Feedback. Das freut mich sehr, wenn das andere nachempfinden können bzw selbst kennen.

Anke, ich bin im Alltag von Parkbänken und Wäldern umgeben ;-) Einmal im Jahr brauche ich mindestens das Meer - und nicht das Mittelmeer oder die Ostsee, sondern wirklich die Nordsee. Nur dort fühle ich mich so schwerelos. Das ist natürlich kein beständiger Dauerzustand. Dazu gibt es viel zu viel zu regeln und zu organisieren, aber Innehalten hilft, die Konzentration wiederzufinden.

Angel, ich weiß nichts über Zen. Das würde mich aber interessieren...

Cheyenne, schön, dass du das auch so kennst.

LG

AnnKathrin
 

Wolkenschieber

Dive now, work later!
Hey AnnKathrin, hey Anke

ich kenne auch nur Zehn oder Zehen, aber nicht Zen.
Nur so wie ich das sehe, brauchst Du das gar nicht bei Deiner Dramaturgiefähigkeit (?).

Mir geht leider die Fähigkeit ab, solche Art von Beobachtungen anzustellen.

Wir waren jetzt für ein paar Tage am Mittelmeer und hatten keine Mittel mehr. :ausheck

So haben wir übers Meer gesehen, den vielen schönen weissen Booten hinterhergeguckt
ein Bier getrunken und gewartet bis die Sonne über dem Meereshorizont unterging.
Ein bischen träumen, sinnieren und manchesmal musste ich auch leider üble
Urlaubserinnerungen runterschlucken ... :angryfire

So und nun kommt der Alltag.

Mal sehen und lesen was der Urlaub so bei vielen Paaren enthüllt und zerrissen hat ...

Mit lieben Grüßen aus Essen

Ralph
 
U

User1

Guest
@AnnKathrin
soweit wie Du bin ich leider noch nicht...
Aber..., je mehr ich darüber nachdenke, desto näher komme
ich Deinen Gedanken..., um dann, vielleicht schon bald, auch
am Strand zu liegen und es genau so sehen zu können, wie Du es
jetzt schon sehen kannst..., losgelöst !!!

Ja, ich mag Sie auch..., die Nordsee.

Gruß
Mick
 
A

AnnKathrin

Guest
Ralphi, wenn ich eure Familie beobachtet hätte, hätte ich euch vielleicht richtig eingeschätzt als *Ehepaar mit neuem Versuch auf gemeinsamen Weg und zickiger pubertierender Tochter* oder vielleicht falsch als *gelangweiltes Ehepaar, wo die Frau dem Mann ins Ohr zischt: noch ein Bier und heut abend gibts wieder keinen Sex* ;-) Du steckst wohl mitten in einem "Abschnitt". Ich hoffe für dich, dass es ein guter ist und lange bleibt...

Mick, mein Nochmann war auch allein im Urlaub. Er hatte auch seine Art von Zen. Er durfte unangemeckert Leichtathletik gucken, Bier in rauen Mengen trinken (der Inbegriff der Erholung! ;-) )und auf der Couch oder am Seeufer herumliegen. So gut ist es ihm in all den Jahren mit mir nie gegangen. Keiner hat ihn zum Spaziergang aufgefordert, hat ihn gedrängelt "nu schwimm doch auch mal" oder ihm gar ein Fahrrad unter die Nase geschoben. Na ja, ein bisschen hat er mich schon vermisst. Beim nächsten Mal nimmt er lieber eine Unterbringung mit Vollpension, zumindest aber ein Zimmer mit Spülmaschine :D

Dabei waren unsere Urlaube in unseren guten Jahren wirklich schön. Als wir noch die Welt entdecken wollten und uns dabei vor allem in Nordeuropa aufhielten. Und auch die ersten Jahre mit Baby am Nordseestrand, wo uns unsere Liebe zum Kind zusammengeschweißt hat und unerschöpflichen Gesprächsstoff lieferte.

Vor einigen Jahren auf Texel spürte ich die Veränderung deutlich. Ich war im Urlaub - sonst jedes Mal das Highlight des Jahres - und da dachte ich, was tust du eigentlich hier? Was macht dir eigentlich Spaß? Was soll daran schön sein, am Strand zu liegen? Ich war unfähig, irgendeine Freude zu empfinden, und wusste nicht, dass es der Beginn einer - später diagnostizierten - Depression war. Wenn ich mir heute die Fotos anschaue, frage ich mich, warum es kein anderer - mein Mann zum Beispiel - gemerkt hat. Ich sehe darauf teigig und blass aus, den Blick wütend, leer oder bekümmert, niemals lächelnd, die Schultern herabhängend... Ich weiß noch, dass ich damals dachte, das bleibt jetzt deine Stimmung... das wars mit der Lebensfreude. Die findest du nie mehr wieder. Aus dem Rückblick war es wieder nur ein "Abschnitt".

Genau wie das Jahr danach an der Ostsee. Als die Traurigkeit einer Wut und Gereiztheit gewichen war und wir in einem Wohnwagen an der Ostsee standen. Und ich dachte in dem beengten Quartier, dass es mir die Kehle zuschnürt, meinen Mann so dicht und und ständig und ohne Regeneration an meiner Seite zu haben. Dabei war er wie immer, nur ich konnte es kaum noch neben ihm aushalten. Ich fühlte mich schuldig für meine scheinbar ungerechtfertigte Abneigung und wollte ihm nicht weh tun, konnte aber nicht anders. Auch nur ein "Abschnitt", aber damals wusste ich schon: Es wird was passieren.

Ich würde gerne lesen, wenn ihr auch solche Abschnitte in eurem Leben erkennen könnt...

Liebe Grüße

AnnKathrin
 

Wolkenschieber

Dive now, work later!
Hey AnnKathrin,

wo ist denn die lebenslustige, (manchmal) zynische junge Dame geblieben ???

Wo ist denn Dein Temperament, wenn es um :firedevil :angryfire :firedevil :angryfire :firedevil :angryfire

geht ????

Jetzt mach mal bloss nich schlapp :kisses

Abschnitt ??? Was soll das denn heissen??? Das ist das Leben.

Du wirst uns als altes, jung verliebtes Paar sehen !!!

So will ich Dich auch sehen. Jung geblieben und ein bischen ((zu)viel) verrückt ...

Mit verrückten Grüßen aus Essen

Ralph
 
A

AnnKathrin

Guest
*gg*

Geht schon wieder.

Danke, Ralphi :kisses

AnnKathrin
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