Hallo,
das sogenannte "Fachchinesische" war gar keins, sondern eine willkürlich aneinander gereihte Auflistung von erfundenen Begriffen. Sexagenarians sind auf Englisch Leute zwischen 60 und 70; Septagenarians sind zwischen 70 und 80 und Octogenarians sind zwischen 80 und 90. Co-education ist auf Englisch die gemeinsame Erziehung von männlichen und weiblichen Jugendlichen, was ich zweckentfremdete als "nebenher erziehen" und Syndrom ist einfach nur Syndrom. Ich meinte einfach nur das, was Großeltern mit ihren Kindern gerne machen, wenn sie sie mit Schokolade füttern: Sie wissen besser, was für Kinder gut ist, was schlimmer wird, je älter die Kinder werden.
Ich zwinge mich dazu, zu glauben, dass es das war, was den Antragsteller hierhin trieb. Immer wenn ich daran zweifele, zwinge ich mich dazu, zu glauben, dass er einfach mal kräftig Dampf ablassen wollte, gegen diese Feministinnen da draußen, die Mann und Kind in seinen Augen angeblich zu einem Gegensatz gemacht haben, gegen eine Situation, in der jede Umarmung einem Mann das Leben ruinieren kann, und Kinder in seinen Augen deshalb nicht mehr das bekommen, von dem er glaubt, dass sie es dringend brauchen.
Verunsichert, wie er sich am Anfang darstellte, war er keinesfalls: Er muss sich schon länger mit der Thematik befasst haben, denn anders lässt sich nicht erklären, dass er plötzlich, wie aus der Pistole geschossen, Links und Analysen der Notwendigkeit von Männern in der Kindererziehung liefern und dazu auch sagen konnte, was Betreuern in Kinder- und Jugendcamps als Abstand abverlangt wird. Und alles, was er schreibt, ist eine einzige Rechtfertigung dafür, warum dass, was er tut, wie er es tut, so richtig ist.
Warum gehe ich noch einmal darauf ein? Um meine Gedanken zu ordnen. Es ist genau diese Thematik, die mir in meinem Beruf die größten Schwierigkeiten bereitet: Mein Büro wird immer dann eingeschaltet, wenn es irgendwo in einer Institution um Missbrauchsvorwürfe geht, und jedesmal ist es, als wandele man auf des Messers Schneide: Da sind Erzieher und Eltern, die das Buch gelesen, den Film gesehen, den Therapeuten gesprochen haben, und deshalb glauben, Kindesmissbrauch auf den ersten Blick erkennen zu können. Da sind Beschuldigte, bei denen man nie genau weiß, ob ihre Äußerungen eine naive Verkennung der Realitäten des 21. Jahrhunderts oder veritable Rechtfertigungen sind, und die, wenn sie schuldig sind, unter keinen Umständen ein direktes Geständnis abliefern, weil sie darauf bauen können, dass ihr Anwalt vor Gericht die Aussagen der jungen Opfer auseinander nehmen wird, weil in dieser aufgeheizten Situation auch immer im Raum steht, dass ein Kind von wohlmeinenden Erwachsenen zu einer bestimmten Aussage manipuliert worden sein könnte. Missbrauchsprozesse sind ein Teil der Rechtssprechung, die die Rechtssprechung an ihre Grenzen bringt, denn wenn es um Kinder geht, gibt es meist nur Aussagen, aber selten forensische Beweise.
Gerichtsprozesse decken zudem nur einen kleinen Teil von Missbrauch ab, nämlich jenen, in dem sich ein Mensch an oder in Gegenwart eines anderen Menschen sexuell betätigt hat, wobei es bei Kindern keine Rolle spielt, ob dies mit oder ohne deren Einverständnis geschehen ist.
Dabei ist dieser Bereich des Missbrauchs noch vergleichsweise einfach zu erkennen, wenn man sich dabei an die modernen Ermittlungsstandards hält. Sehr viel schwerer wird es in jenem Bereich der Missbrauchsthematik, in dem keine sexuelle Handlung statt gefunden hat: Er ist nur sehr schwer, wenn überhaupt, nachweisbar, weil niemand in den Kopf eines anderen Menschen hinein schauen kann: Wann ist die Kinderliebe eines Menschen (es gibt auch pädophile Frauen; allerdings ist dieser Bereich weitaus weniger erforscht und statistisch erfasst) nur dies, und wann ist sie die Liebe zu Kindern, von der wir unsere Kleinen fern halten sollten? Es ist ausgesprochen schwer, das von außen zu sagen. Smilie hat Recht mir ihrer Aussage, dass Pädophile die Nähe zu Kindern suchen - genauso wie heterosexuelle Männer und Frauen die Nähe zum anderen und homosexuelle Menschen zum gleichen Geschlecht suchen. Schon allein da stecken wir nicht drin, weil wir nicht im Kopf der Menschen drin stecken. Noch weniger stecken wir da drin, was dieser Mensch möglicherweise tun wird: Wird aus dem "Es ist doch nichts dabei, wenn ich den Kindern nahe bin" vielleicht irgendwann ein "Ein bisschen anfassen muss doch wohl erlaubt sein"? Wir stecken da absolut nicht drin. Es passiert, gemessen an der Gesamtzahl der Pädophilen selten, aber es passiert, und niemand kann sagen wann es bei wem passiert. Deshalb möchten wir unsere Kinder davor bewahren, und deshalb möchten wir nicht, dass fremde Leute unsere Kinder umarmen und knuddeln, denn wenn es um Pädophile, also um Menschen mit Liebe zu Kindern aus sexuellen Motiven geht, dann kann man sich nicht sicher sein, dass diese Umarmungen von Seiten der Kinder nicht als Signal missverstanden werden, einen Schritt weiter zu gehen, was allerdings nicht bedeutet, dass der Betreffende sich damit auf den Weg zum Serienmörder begibt. Das Problem ist, dass im Bereich der menschlichen Sexualität Nähe als Annäherung missverstanden werden kann, und dass Zum-Täter-Werdende das Bewusstsein, Schuld zu begehen, wegrechtfertigen, womit sich der Kreis meiner Argumentation schließt, und ich zum Antragsteller zurück kehre: Bei mir ist der Verdacht entstanden, dass seine Äußerungen dazu gedacht sind, sich Munition für den Moment zu verschaffen, in dem er gefragt wird, was er da mit den Kindern tut. Dieser Verdacht ist momentan nicht mehr als dies, und seine Äußerungen können durchaus auch die beschriebene naive Verkennung der Realität sein. Doch die schulische Realität, die er beschreibt hat so nie existiert, und ich habe Zweifel daran, dass die Realität der vielen Kinder, die seine Nähe so stark suchen, dass er sich nicht einmal mehr hinzusetzen wagt, existiert.
Leider bleibt in solchen Fällen nur der Verdacht, und es bleibt der Augenschein, gemessen am üblichen Verhalten eines im Erziehungsbereich Tätigen, der mir in solchen Fällen sagt, dass die Abweichung vom üblichen Verhalten ausreichend ist, um mich zu der Ansicht zu bringen, dass es besser ist, wenn diese Person nicht mehr im Erziehungsbereich arbeitet.
Viele Grüße,
Ariel