Mathieu Carrière Rede vom 08.06.2002 an der Gedächtniskirche in Berlin
...stellt euch vor, die Mutter wohnt auf dieser Seite von der Strasse und ich wohne auf der anderen Seite von der Strasse. Ich sehe jeden Morgen, wie das Kindermädchen die Kinder in den Kindergarten bringt, und ich darf das nicht.
Wir müssen natürlich endlich auch die bestehenden Gesetze umsetzen. In Frankreich kommen umgangsverweigernde Elternteile in Beugehaft. In Amerika werden umgangsvereitelnde Eltern in Zwangsmediation geschickt. Wir kämpfen zusammen, aber wir müssen friedlich kämpfen und wir müssen dadurch mehr Leute auf unsere Seite ziehen. Wir müssen an die Öffentlichkeit. Gegen Familienterrorismus gibt es drei Regeln: Hartnäckigkeit, konsequent sein und Distanz bewahren. Sich nicht hineinziehen lassen in die Provokation der anderen Seite.
Wir müssen durch diesen Kampf für die Gleichberechtigung die Kinder und die Elternteile schützen, die krank gemacht werden. Und das geht nur, indem wir die Fähigkeit beweisen, uns in den anderen hineinzuversetzen. Nicht nur immer an unsere eigene Verletzung denken. Nicht nur immer an unser eigenes Elend denken, sondern fähig sein zu sehen, dass es dem Anderen vielleicht noch schlechter geht. Dann können wir gemeinsam auf einer Vertrauensbasis miteinander für die gerechte Sache kämpfen. Wir müssen alle Verbände, die etwas damit zu tun haben, zusammenschliessen. Wir müssen triviale Öffentlichkeit herstellen. Wir müssen den Leuten zeigen, dass es Spaß macht, Kinder zu haben und Spaß macht, sie zu erziehen. Wir müssen lernen - meiner Ansicht nach - auch in der Trennung vereint zu sein, wenn es um die Kinder geht.
Ich habe gehört, daß die Richter sagen: "Ja - was nützt es denn, Zwangsgeld zu verhängen? Die zahlt ja doch nicht oder der zahlt ja doch nicht". Das heißt, die Urteile werden nicht exekutiert. In Amerika fliegt das FBI mit Hubschraubern ein, wenn ein Vater einen Monat nicht zahlt, oder eine Mutter. Hier wird die Sache auf die lange Bank geschoben. Otto Schily hat mir gesagt - nach einem verlorenen Schachspiel - "Es ist schwieriger in Deutschland das Sorgerecht und das Umgangsrecht zu reformieren, als im nahen Osten Frieden zu stiften".
Herr Innenminister: Wenn sie diese Wahl gewinnen wollen für ihre Partei, dann schreiben sie sich die Reformation des Familienrechts ins Programm. JETZT.
Diese 10 Mio Betroffenen, das sind rund 30% der Wähler. Es gibt in Deutschland 3 Mio Trennungskinder. Jedes Kind hat mindestens 2 Eltern. Das hat der liebe Gott so gewollt, und das ist gut so.
Leider ist meine afrikanische Freundin von mir nicht hier. Sie macht gerade ein Seminar über Traumafolgen in Ruanda, dem Bruderstaat von äh - Rheinand-Pfalz. Die Mutter ist mit einem Hammer erschlagen worden vom Nachbarn. Ich sollte ein Lied hier singen, für Mosambique, Angola, Ruanda Zentren eingerichtet, in denen Kinder, die durch Elternverlust oder Elternentbehrung traumatisiert werden, geholfen wird. So etwas gibt es in Deutschland auch noch nicht. In Afrika, in diesem hinterwäldlerischen Kontinent darf nicht e i n Elternteil über die Kinder bestimmen. Da bestimmt die ganze Familie mit. Wir dürfen ja auch die Geschwister nicht vergessen. Wir dürfen die Großeltern nicht vergessen. Wir dürfen die Freunde nicht vergessen. In Deutschland wird Sippenhaft verhängt, von dem ausgrenzenden Elternteil.
Vielleicht schaffen wir es ja doch noch, ein paar Kroaten zu uns rüber zu ziehen. Die sind da hinten mehr als wir. Es ist so schade, weil die Untersuchungsergebnisse aller wissenschaftlicher Disziplinen seit 15 Jahren das selbe herausgefunden haben. Die Erkenntnisse sind da, nachgewiesen. Man muß sie zur Kenntnis nehmen. Das Wechselmodell ist richtig! 50 : 50 im Falle einer Trennung. Die Neuauflage des Gesetzes von 1997 ist ein smokescreen. ja ja, auch unverheiratete Eltern können das gemeinsame Sorgerecht ausüben, wenn sie beide einverstanden sind. Wir brauchen eine Lösungspraxis für die Fälle, in denen keine Einigung erzielt wird. Sonst bräuchten wir keine Gesetze.
Wir müssen auch in die Trivialmedien. Wir müssen die Frauenzeitschriften auf unsere Seite kriegen. Wir müssen die Bildzeitung auf unsere Seite kriegen. Wir müssen die Öffentlichkeit nicht nur sensibilisieren, sondern wir müssen auch melodramatisch auftreten in der Öffentlichkeit. Ohne lamurant zu sein und ohne aggressiv zu werden. Das ist nicht immer einfach, aber wir können wahrscheinlich von einander lernen. Deshalb sollten wir auch weiter Kontakt aufnehmen. Kontakt ist das Wichtigste bei so einer Sache. In den letzten 3 oder 4 Tagen habe ich von so vielen sogenannten Promies gehört, daß sie genau das selbe durchgemacht haben. Die meisten von ihnen haben es nicht geschafft, einen Langstreckenlauf durchzuhalten. Sie haben irgendwann gesagt: Es hat keinen Sinn. Das Kind ist weg. Es ist entfremdet. Ich kann nur überleben, wenn ich mich jetzt wieder in die Arbeit stürze.
Wir sollten weiterhin einen großen Teil unserer Arbeit für unsere Kinder, auch wenn sie nicht da sind, bereithalten und einsetzen. Denn unsere Kinder wissen, dass wir da sind, auch wenn wir sie nicht berühren können.
Es gibt 3 verschiedene Fälle von Trauma:
Das eine ist die Vaterlosigkeit. Man wird geboren, der Vater ist tot. Man hat nie einen Vater gehabt. J.C. ist mit 33 Jahren hingerichtet worden und hat sein ganzes Leben darunter gelitten, dass der Vater nicht da war.
Das zweite Modell ist der Vaterverlust. Wenn man einen Vater hat und ihn mit 2, 3 oder 4 Jahren durch Tot verliert. Das ist schrecklich, aber man kann trauern. Man hat ihn in sich. Er ist tot. Man kann das positive Vaterbild in sich behalten, bis zu seinem eigenen Tod, und man kann trauern.
Das dritte Trauma ist das Schlimmste: das ist das der Vaterentbehrung. Der Vater ist nicht tot. Man kennt ihn und er ist trotzdem nicht da. Warum? Bin ich selber schuld? Was habe ich selbst falsch gemacht? Kinder geben sich meistens die Schuld, wenn es Krach zwischen den Eltern gibt. Wir sollten unsere Kinder nicht für das bestrafen, was wir in unserem Leben versauen.
Ich habe einen sechsjährigen Sorgerechtsprozess in Amerika hinter mir. Ich dachte, das wäre die Hölle. Ich dachte, das wäre das Fegefeuer gewesen. Und dann komme ich nach Deutschland und merke, das es hier noch viel schlimmer ist.
Unsere Kinder sind froh, wenn sie uns sehen und sie dürfen uns dann nicht traurig sehen. Die Freude mit unseren Kindern zu teilen - in der wenigen Zeit, die wir mit ihnen haben - ist das Einzige was wir im Augenblick machen können, aber es ist sehr wichtig. Denn jedes einzelne Saatkorn, was in die Seele eines Kindes gelegt wird, kann eine Pflanze werden.
Zum Thema Kampf dem Familienterrorismus: Ich habe versucht den Terror, den ausgrenzende Eltern ausüben, zynisch mit dem offiziellen Kampf gegen den Terror zu vergleichen. Denn das, was da mit Flugzeugen und Bomben gemacht wird, wird leider hier bei uns mit Provokationen, Stimmungsumschwüngen und dem Verschanzen hinter angeblich geltenden Gesetzen getan.
Es gibt auch Licht am Ende des Tunnels. Im Kreise Hamburg sind jetzt verschiedene Urteile in den letzten Monaten gefällt worden, wo trotz Streit zwischen den Parteien das Wechselmodell durchgesetzt wurde. Es gibt also schon einige Väter, die sich der Sache annehmen. Man kommt heut zu Tage in Verfahren, wo der Richter beim ersten Termin die Akte nicht gelesen hat. (Zurufe) Wir dürfen aber die Richter nicht beschimpfen, wir müssen sie provozieren. Wir müssen sie auch nicht belehren. Wir müssen glaubwürdiger sein, als die Gegenseite. Der § 175 BGB ist vor - was weiß ich - 25 Jahren abgeschaffen worden. Vorher war Homosexualität strafbar, jetzt ist sie es nicht mehr. Ich glaube, das war richtig. Einigen geht es dadurch deutlich besser und letztendlich geht es uns allen dadurch besser. Die Todesstrafe ist abgeschafft worden. In den Ländern, in denen die Todesstrafe abgeschafft wurde, passieren weniger Verbrechen. In Lichtenstein haben die Frauen 1984 das Wahlrecht bekommen. - In unserem Land sind unverheiratete ausgegrenzte Elternteile immer noch ohne Wahlrecht! Da kommt man sich vor, wie in einem sadistisch geführten Kindergarten. Wir müssen stark bleiben für unsere Kinder. Wir dürfen uns nicht schaden. Wir müssen uns beschützen. Denn nur, wenn wir für uns sorgen, können wir auch für unsere Kinder sorgen, auch wenn wir sie nicht sehen. Die Kinder wissen, dass wir da sind, und sie müssen es wissen. Deshalb mache weiter und wenn du es alleine nicht schaffst, dann laß dich tragen. Wir müssen uns mal fragen, warum das denn in Deutschland so praktiziert wird. Warum werden die Leute in Deutschland vom Staat durch die Gesetzgebung davon abgehalten, Kinder zu kriegen? Damit es immer weniger Deutsche gibt? Vielleicht hat es damit was zu tun, dass andere Leute uns damit schwach halten. Ich weiss es nicht. Das ist vielleicht eine etwas paranoide These. Wo sollen denn unsere Fußballspieler in den nächsten 20 Jahren herkommen, wenn nicht aus den gesund aufwachsenden Kindern?
Ich glaube, dass da, wenn man mal die Repräsentanten dieser Republik befragt, dass dann die Hälfte dieser Leute betroffen sind. Sie geben es aber nicht zu. Wir müssen uns outen. Es ist peinlich, aber wir müssen zugeben, dass wir leiden, dass unsere Kinder leiden und das wir den Staat um Hilfe anflehen müssen.
Jeder Schwerverbrecher darf seine Kinder öfter sehen - wenn er verheiratet ist - als ein unverheirateter Nobelpreisträger. Unsere Kinder dürfen nicht dafür bestraft werden, dass die Eltern sich nicht das Ja-Wort gegeben haben.
Der Begriff "Vater und Mutter" ist aus der amerikanischen Gesetzgebung seit 15 rausgeschrieben. Der gehört auch bei uns raus aus dem Gesetz. Es gibt nur Eltern. Und zwar gleichberechtigte.Ich glaube, der Wurm liegt in den Vorurteilen der Rechtspraxis. Wir müssen auch den Mut haben, die Gesetze zu ändern, wenn sie uns schaden.