Außer Rand und Band: Wenn Babys ohne Ende schreien

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EngelchenC67

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Brüll-Alarm im Kinderzimmer :
Wenn Babys über Stunden schrill schreien, gehen manchem die Nerven durch. Wie dem Schweizer Bergsteiger Erhard Loretan: Der Kletterer, der alle Achttausender der Welt bezwang, war mit seinem Sohn allein zu Haus, als der lange und heftig schrie. Gereizt schüttelte Loretan sein Kind kurz, aber heftig und verursachte ein Schleudertrauma, an dem der Junge starb. Damit es soweit nicht kommt, bieten Schrei-Ambulanzen gestressten Eltern und Kindern ihre Hilfe an.

Manche Babys schreien deutlich mehr als andere. Sie werden deshalb Schreibabys, 24-Stunden-Babys oder Babys mit starken Bedürfnissen genannt. Nach gängiger Definition ist das ein Säugling, der mindestens drei Stunden täglich, an mindestens drei Tagen in der Woche, mehr als drei Wochen lang anhaltend und ausdauernd schreit. Scheinbar ohne Grund: Die Windel ist frisch, gefüttert ist das Kleine. Deshalb ist zunächst eine gründliche Untersuchung beim Kinderarzt angesagt. Doch stellt der fest, dass organisch alles in Ordnung ist, wird es schwierig für die Eltern. Denn als Ursache für die Brüll-Konzerte nennen Fachleute alles mögliche: Langeweile, Drei-Monats-Koliken, Störungen der Schlaf-Regulation oder eine Überforderung des Kindes durch zu viele Eindrücke.

Den Stresspegel senken
Wenigstens vor der Sinnesflut lässt sich das Baby schützen, wenn die Eltern genau auf dessen Gesten achten, so rät Mauri Fries in ihrem Buch "Unser Baby schreit Tag und Nacht": Das Abbrechen des Blickkontakts durch das Kind bedeute etwa: "Mama, mach bitte eine Pause! Ich kann noch nicht so schnell alles aufnehmen von dem, was Du mir zeigst." Zugleich ist es für die Eltern wichtig, den eigenen Stresspegel zu senken, bevor die Nerven ganz versagen. Hilfe finden sie in Schrei-Ambulanzen, die es in mehreren Städten gibt. Wie der Anlaufstelle in Berlin, die Paula Diederichs leitet. Dort redet die Sozialpädagogin zunächst mit den Eltern über deren Lebenslage, angestaute Gefühle und verschiedene Wege der Entspannung. "Je stärker der Erschöpfungszustand, desto schwieriger erscheint einem alles", warnt Diederichs mit Blick darauf auch in ihrem Buch "Unser Baby schreit so viel". "Selbst einfache Anforderungen, denen man sonst spielend gerecht wird."


Nach ihrer Erfahrung leiden die betroffenen Eltern am meisten darunter, jedes Zutrauen in die eigenen mütterlichen und väterlichen Instinkte verloren zu haben. Dabei kann die Eltern gerade das Wissen um ihre intuitiven Fähigkeiten von dem Gefühl entlasten, alle Handlungen rational durchdenken und die gesamte Entwicklung ihres Kindes bewusst und perfekt steuern zu müssen, wie Mauri Fries unterstreicht. Häufig sei den Eltern ihre innere Stimme ein besserer Kompass als äußere Prinzipien. Doch nicht alles liegt in der elterlichen Verantwortung. Schlaf finden zum Beispiel ist etwas, was das Kind selber lernen muss. Allerdings können die Eltern es beim Ruhigwerden unterstützen. Etwa mit einer Baby-Massage, wie Paula Diederichs sie zeigt: Dabei wird mittels sanfter Streicheleinheiten so massiert, dass sich das Baby aus seiner steifen Krampf- und Schreihaltung löst und zu einer entspannten Position findet. Muttis und Vatis wiederum können Atemübungen machen, damit sie wieder zu mehr Ruhe und innerem Ausgleich finden. Und dem Kind den emotionalen Halt geben können, den es dringend braucht.

Medical Tribune Onlinebericht
 
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