brauche Rat -  kneifen, kratzen

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wichtel

Guest
Wir haben ein Problem und benötigen professionellen Rat, und/oder Rat aus eigener Erfahrung. Unsere Tochter- jetzt 2 ½ - war und ist immer noch ist ein sehr aktives, eigensinniges, selbständiges, leidenschaftliches und vorwiegend in der Gruppe dominantes Kind. Im Alter von etwa einem Jahr konnte sie laufen und damit erste körperliche Kontakte zu anderen – meist gleichaltrigen .- Kindern selbständig aufnehmen. Umarmungen gipfelten dann stets in leidenschaftliches Beißen und Drücken bis an die Schmerzgrenze des anderen Kindes. Im Laufe der Zeit, als die orale Kontaktaufnahme nicht mehr so im Mittelpunkt stand, wechselte ihr Tun in plötzliches Zuschlagen oder Kratzen.
Aus einer scheinbar harmlosen Situation heraus werden Kinder, die sich dicht in ihrer Nähe befinden plötzlich attackiert .
Ich habe schon sehr früh darauf geachtet, mit ihr in soziale Kontakte zu treten durch verschiedene Gruppen Spiel, Turnen, Schwimmen, Pekip, Privatgruppe), und hatte vermutet, daß das häufige Zusammensein mit anderen Kindern ihr Sozialverhalten fördern und zur Selbstverständlichkeit würde.
Nun laufen mein Mann und ich bei Gruppenbesuchen wie ein Schatten hinter ihr her, um Schlimmstes zu verhindern. Das Verhalten unserer Tochter hat bei einigen Eltern – vorwiegend den Müttern – dazu geführt, uns in Gruppen nicht gerade beliebt zu machen, den es stößt nicht nur in erster Linie auf Unverständnis und Sorge um das eigene Kind. Ich möchte meine Tochter aber auch bewußt nicht aus der Gruppe herausreißen, um sie nicht in die Rolle der Außenseiterin hineinzumanövrieren.
Mein Mann und ich setzen uns aktiv mit dieser Problematik auseinander und haben schon die gesamte Palette durchlaufen von Gelassen aber Bestimmt über Ermahnungen bis zum Wutausbruch. Auch, wenn unsere Tochter in vielen Verhaltensweisen überdurchschnittlich weit entwickelt ist - oft fragen wir uns , ob sie überhaupt begreift, was sie da tut.
Ihr selbstbewußtes, eigenwilliges Auftreten wird ihr – gerade als Mädchen – sicherlich in vielen späteren Lebenssituationen förderlich sein, und wir möchten ihre naturgemäßen Anlagen nicht unterdrücken, aber andere dabei zu schädigen ist natürlich tabu in unserer Erziehung.
Vor etwa drei Wochen kam unser Sohn zur Welt. Wir haben sie früh darauf vorbereitet, und Babies sind seit einem Jahr ohnehin für sie ein faszinierendes Objekt. Bewußt lege ich ihn in ihren Arm und lasse sie körperliche Nähe spüren, indem ich für den Notfall direkt daneben sitze. Sie verhält sich ihm gegenüber liebevoll und fürsorglich bis – ja bis sich plötzlich ihr Gesichtsausdruck schlagartig verändert und ich unseren Sohn noch schnell genug an mich und aus der Situation ziehen kann. Trotz Sicherheitsmaßnahmen zieren schon einige Kratzspuren seine Stirn. So geht es also nicht weiter. An einer Lösung des Problems ist uns auch deshalb gelegen, da unsere Tochter in einem halben Jahr in den Kindergarten kommt.
Wir hoffen auf Ratschläge. Also, meldet Euch. Danke.
 
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IlkaM.

Guest
Hallo wichtel,

wie oft ist Eure Tochter denn in solchen Gruppen? Was macht sie sonst noch so tagsüber? Kann sie gut mit sich alleine spielen? Ist sie - bei aller Aufgewecktheit - eher ein ruhiger oder eher ein hibbeliger Typ? Was macht ihr besonders Spaß? Worauf freut sie sich?
 
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Sonja

Guest
Hallo Wichtel!

Ich denke, dass ein Kind im Alter Deiner Tochter diese Verhaltensweise schon beweußt einsetzt. Sicherlich ist ihr nicht immer ganz klar, wie sehr sie jemanden weh tun kann, aber sie weiß wohl doch schon was sie tut. Da Du aber nicht schreibst, dass sie ungern in diesen Gruppen ist, oder insgesamt Probleme im Sozialverhalten hat, ist die Frage, was sie mit diesem Tuin bewirken will!

Was will sie erreichen? Nun, wenn ich mir durchlese, was sie erreicht, scheint sich da doch eine Art roter FAden durchzusziehen: Aufmerksamkeit. Ihr geht Ihr hinterher, passß auf, was sie macht. Auch beim Bruder setzt Du dabei, damit nichts passiert. Es kann durchaus sein, dass sie gerade auch weil sie so lebhaft und sozial interessiert ist, es einfach braucht im Mittelpunkt zu stehen. Bei allen, auch bei den Eltern! Und mit dem Krtzen hat sie eine Methode gefunden, dass zu erreichen. Das Ihr schimpft, nimmt sie dabei in Kauf.

Überlege Dir einmal zusammen mit Deinem Mann, ob ich mit meinem Gedankengang richt liegen könnte!

Falls ja, würde ich versuche Eure Reaktionen auf ihr Verhalten zu verändern. Und zwar für sie negativ. Wer beißt und kratzt darf nicht mehr bleiben, muss nach Hause oder in einer anderen Ecke der Spielgruppe allein spielen. Zu Hause muss sie dann in ihr Zimmer. Bei uns hier in den USA kennen die Kiner auch das sog. Time-out. Also für ein paar Minuten irgendwo hinsetzten, gar nichts machen. Rausgenommen werden aus der Situation. Versucht Euch zu überlegen, was für Eure Tochter das passende wäre.

Schreib doch mal, ob Du damit etwas anfangen kannst!

Viele Grüße

Sonja Knippenberg
-Moderatorin-
 
W

wichtel

Guest
Hallo, Ilka!
Also, es sind in der Woche eine Kinderschwimmgruppe (da kommt sie nicht zum Kratzen, weil sie mit sich selbst beschäftigt ist), eine Turngruppe,( da ist es schon etwas brenzliger), eine Gruppe, in der Musik gemacht wird (weil da immer was passiert, ist sie vorwiegend abgelenkt), eine private Spielgruppe - wir treffen uns, seit unsere Kinder 6 Wochen alt sind ca. alle 2 Wochen – (da kann es echt zur Sache gehen, aber andererseits hat sie mit diesen Kindern auch ein engeres Verhältnis), eine weitere private Spielgruppe, die sich mal alle 2 Monate trifft (auch brenzlig). Immer dort, wo ein Miteinander erforderlich ist, geht es zur Sache.
Die nicht privaten Gruppen dauern etwa eine Stunde. Sie geht gerne dorthin, ist unternehmungslustig.
Mit sich alleine spielen fängt gerade erst mal an. Vorher hing sie nur an meinem Rockzipfel.
Sie zieht sich jetzt auch schon mal in ihr Zimmer zurück. Alleinspielphase ca. 10-15 Minuten.
Ansonsten will sie immer mit mir od. anderen verfügbaren Bezugspersonen etwas gemeinsam machen, sucht eher Gesellschaft, als alleine zu sein.
Sie hat auch ruhige Momente, aber eher würde ich sie als Energiebündel bezeichnen und öfter hibbelig. Z.B. beim Essen werden 1 bis 2 Bissen genommen, dann muß sie wieder herumlaufen bis zum nächsten Happen.
Es muß ständig was neues passieren und entdeckt werden – oft ganz schön anstrengend. Aber als Baby war sie auch schon so. Ein Schreibaby, das uns noch bis 23.00/24.00 h auf Trab hielt - Mademoiselle Pausenlos.
Ihr Bruder (3 Wochen) scheint eher ein ruhiger, zurückhaltender Typ zu sein, zumindest jetzt noch.
Vorlesen und Bilderbücher ansehen war und ist bei unserer Tochter immer wieder angesagt
Ansonsten Herumtoben (sie hat viel Bewegungsdrang), mit Puppen spielen und sie und uns versorgen, z.Zt. erstes Doktorspielen und Verarzten, Einkaufspiel. Spaß macht ihr auch, „Auswendiggelerntes“ aufzusagen.
Wir können es oft nicht fassen. Sie kann wortwörtlich die Kurzgeschichten eines ganzen Einschlafbuches auswendig rezitieren. Ein Lied oder ein Gedicht ein paar Mal aufgesagt, und sie wiederholt es.
Ich versuche aber in ihren Tagesablauf auch etwas Ruhe reinzubringen, als Gegengewicht zu ihrer Power.






Hallo, Sonja! Danke für Deinen Beitrag. Heute hatte ich schon wieder zweimal das Problem, daß unsere Tochter unseren Sohn mit Kratzern zugerichtet hat. Ich habe sie laut und deutlich vor die Tür geschickt und nach ein paar Minuten zu Rede gestellt, als ihr Brüllen etwas nachgelassen hatte. Ich glaube, das ist der einzige Weg, wenn wir konsequent dabeibleiben und auch – für die Gesamtsituation zwar schade – auf der Stelle das Kind aus der Gruppe rausziehen, den Besuch der Gruppe ggf. nach so einem Vorfall beenden.
Übrigens, daß wir „wie ein Schatten“in Gruppen hinter ihr herlaufen, wird sie als solches nicht interpretieren. Beim Turnen müssen wir ohnehin aus Sicherheitsgründen, wie alle Eltern in der Nähe unserer Kinder sein. In Spielgruppen befinden wir uns nicht weit von den Kindern, so daß jederzeit Kontaktaufnahme möglich ist (aber leider manchmal doch so weit, daß ein Treffer ins Gesicht des anderen Kindes unvermeidbar ist).
Ich denke gerade – vielleicht ist es gut, wenn die Kinder unter sich alleine sind (allenfalls eine Erzieherin dabei, die eine Fremdperson ist und nicht das eigene Elternteil).
Es ist richtig, daß unsere Tochter auch mal gerne im Mittelpunkt steht, aber , ich glaube zu beobachten, daß sie in mancher Situation sich eher umringt in Form von in die Enge getrieben fühlt, wenn z. B. sich eine ganze Verwandtschaft um sie schart. Dann reagiert sie selbst wie „aufgekratzt“.
Was ich auf keinen Fall möchte, ihr Tun, dadurch, daß ich es ständig als negativ focussiere, für sie umso interessanter zu machen. Daher auch der anfängliche Versuch, es mit „Gelassenheit“ in die Bahnen zu lenken.
 
W

wichtel

Guest
Hallo Ilka!
Schau mal etwas weiter unten unter Sonjas Beitrag, denn da steht meine Antwort auf Deinen Brief. Gruß, Wichtel
 
W

wichtel

Guest
Oh, da ist was schiefgelaufen, Ilka. Ich dachte , die Antwort stünde direkt unter Deinem Beitrag. Aber ich bin ja neu hier im Forum und kann noch was lernen. Gruß, Wichtel
 
I

IlkaM.

Guest
Hallo wichtel,

ja - Eure Tochter scheint ja wirklich ein rechtes Energiebündel zu sein :)

Und Ihr bemüht Euch auch nach Kräften, diese Energie nicht "verpuffen" zu lassen, sondern sie anzuregen, ihr Bahnen und Ziele zu geben. Schwimmen, Turnen, Musik, Spielgruppen - das ist eine Menge, was Ihr Eurer Tochter bietet, und hier möchte ich auch mal eine Frage aufwerfen.

Könnte es sein, dass das alles einfach zuviel ist? Nicht zuviel, um die Energie Eurer Tochter aufzufangen - aber zuviel für so ein doch noch sehr junges Kind, um den Überblick zu behalten und sich vor allem auf einer sozialen Ebene, um die es Euch ja momentan geht, zurechtzufinden.

Sie erlebt ja durch die Woche immer unterschiedliche Menschen um sich herum, keine Gruppe ist wie die andere. Statt 3 oder 4 Kinder in ihrem Alter zu kennen, kennt sie - ja, wie viele? 20? Mehr?

Um soziales Verhalten zu lernen, ist ein einigermaßen fester und übersichtlicher Kreis an Leuten aber wichtig. Kinder entwickeln durchaus eigene und dynamische Gruppenstrukturen, Beziehungen, Hierarchien - Freundschaften und Abneigungen. Aber sie müssen die Gelegenheit dazu bekommen. Und die, so fürchte ich, hat Eure Tochter nicht, wenn sie sich jeden Tag auf eine neue Gruppe einstellen muss. Was dann fehlt, ist die "innere Verarbeitung", die Möglichkeit, sich auch nach der Gruppenzeit gedanklich mit dem Erlebten auseinanderzusetzen, zu reflektieren (denn das tun die Kleinen durchaus, wenn ihnen der Raum dafür gelassen wird) und - ihrem Alter und ihrer Entwicklung gemäße - Handlungsstrategien zu entwickeln.

Die momentane Situation, bzw. das Verhalten Eurer Tochter, ist für alle Beteiligten unbefriedigend. Mein Rat wäre, Euch zumindest probehalber für einige Monate auf ein oder zwei Gruppen pro Woche zu beschränken. Wählt die, bei denen Ihr das Gefühl habt, Eurer Tochter macht es da besonders viel Spaß. Günstig ist sicherlich vor allem die, die sich schon seit der 6. Lebenswoche der Kinder trifft - da dürfte sie ja den engsten Bezug zu haben.

Zusammenfassend: Gebt Eurer Tochter Gelegenheit, soziale Bindungen aufzubauen. Dafür ist ein Weniger eindeutig Mehr! Du schaffst ihr ja auch schon Raum zum Entspannen - halte das auf jeden Fall bei! Sieh zu, dass sie mindestens einmal am Tag für mindestens eine halbe Stunde wirklich zur Ruhe kommt. Vielleicht in einem abgedunkelten Zimmer mit wenig Ablenkung, einem schönen Licht und einer schönen Musik? Gib ihr auch - so seltsam sich das vielleicht anhört - die Gelegenheit, sich mal ordentlich zu langweilen.

Und noch etwas: Mir ist aufgefallen, dass Du viel von "Strategien" redest, die Ihr gegenüber Eurer Tochter entwickelt (mal gelassen, dann wütend - Du gibst ihr ihren Bruder "bewusst" auf den Arm...). Macht das nicht! Reagiert und agiert so, dass es echt ist. Eure Tochter braucht die Aufrichtigkeit ihrer Eltern, um auch ihr eigenes Verhalten daran ausrichten zu können. Und sie wird es spüren, wenn Du ihr den Bruder zB nur mit einem ängstlichen Gefühl überlässt, oder wenn Du innerlich kochst, sie aber anlächelst. Kinder haben eine Antenne für sowas - sensible und aufgeweckte wie Eure Tochter allemal!

Liebe Grüße und wie imme gilt: Zieht Euch das raus, was Euch richtig erscheint und werft den Rest fort ;)
 
Z

ziege

Guest
Ach wichtel, ich kenne diese Problematik auch X( Hatte auch schon einen Beitrag dazu geschrieben. Mein Sohn ist 20 Monate alt und auch er ist quasi der Spielgruppen- Schreck.... Nicht immer benimmt er sich so aber doch schon häufiger. Ich kann gut nachempfinden wie Du/Ihr Euch dabei fühlt. Auch ich bin ständig auf der Hut daß er nicht zubeißt oder so. Aber ich glaube man kann nicht mehr machen als schimpfen und vielleicht das Treffen verlassen so daß Madame Ruhelos :) merkt daß es so nicht geht... Auch wir haben sehr viel Kontakt zu andren Kindern (2 private Spielgruppen, Turnen und jetzt noch Spielkreis), vielleicht ist es für kleine Kinder wirklich ZU viel was wir anbieten? Da werd ich mal drüber nachdenken... Für Euch alles Gute! Mein Kinderarzt hat übrigens gesagt, daß das ganz normal ist und sich von allein wieder legt (falls Dich das etwas beruhigt, ich fand das gut zu hören daß Louis nicht "unnormal" ist!).
 

Klingon Lady

In der Ruhe liegt die Kraft.
Ich kann mich mit meiner Meinung Ilka anschließen. Mir erscheint Eure Erziehungsmethode auch etwas zu "gewollt wissenschaftlich". Deine Beschreibung klingt als bekäme Eure Tocher zumindest von Euch nie normale menschliche Reaktionen zu spüren, sondern nur Taktik. Wenn sie meine Tochter wäre, würde ich es mal mit dem kategorischen Imperativ versuchen, nur eben umgekehrt. Kratzt sie ein Kind, ermutige das Kind, sie wiederzukratzen -- oder mach es selbst. Irgenwann wird sie dann schon begreifen, wie unangenehm das ist und daß niemand sie mehr leiden kann, wenn sie nicht aufhört damit.

Übrigens sind extreme Probleme mit Gleichaltrigen auch oft bei hochbegabten Kindern ein Symptom: http://www.spiegel.de/sptv/magazin/0,1518,288755,00.html
 
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