Info -  Presse: Wie gesund sind unsere Kinder?

David

Armer Irrer! *g*
Wie gesund sind unsere Kinder? - Eine Mammutstudie soll jetzt die großen Wissenslücken hierzu beseitigen

Von Philipp Grätzel von Grätz

Wie gesund sind Kinder und Jugendliche in Deutschland? Wie viele übergewichtige Kinder gibt es? Beeinflußt der soziale Status das Auftreten von Übergewicht bei Jugendlichen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Ernährung eines Kindes und dem Auftreten von chronischen Erkrankungen?

"Wir können diese Fragen im Moment nicht beantworten." Man nimmt Dr. Bärbel-Maria Kurth von der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin ohne weiteres ab, daß sie dieses Eingeständnis deprimiert.

Nicht, daß es überhaupt keine Daten zur Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland gibt. Die Mortalitätsstatistik zeige, daß Deutschland in Europa mittlerweile zu dem Drittel der Länder mit der geringsten Säuglings- und Kindersterblichkeit gehöre, so Kurth. Gute, repräsentative Informationen liefern außerdem die Melderegister für Infektionskrankheiten und das Kinderkrebsregister in Mainz. "Vielmehr gibt es dann nicht mehr", konstatierte die Wissenschaftlerin auf einer Veranstaltung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Berlin.

Wie prägt das soziale Umfeld die Gesundheit von Kindern?

Es gebe keine Informationen über chronische Erkrankungen, über Allergien oder zum Thema Übergewicht. Man wisse gar nichts über die Zusammenhänge zwischen Kindergesundheit und sozialem Umfeld, Zahl der Geschwister oder Bildungsstand. Und vor allem tappe man bei den Kindern aus Migrantenmilieus völlig im Dunkeln.

Kurth bedauert, daß die Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U9 nicht auswertbar seien, wenn man repräsentative Informationen suche. Denn: "Je höher die Nummer hinter dem U desto geringer wird der Anteil von Kindern aus den niedrigeren sozialen Schichten".

Weil das so ist, hat man am RKI im vergangenen Jahr den Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) begonnen, der bis zum Jahr 2006 klären soll, wie es um die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zwischen null und achtzehn Jahren hierzulande wirklich bestellt ist - ein Mammutprojekt, das von nicht weniger als fünf Bundesministerien finanziell unterstützt wird.

Bis 2006 sollen insgesamt 18 000 Kinder und Jugendliche beziehungsweise deren Eltern befragt und untersucht werden. Viertausend sind bereits erfaßt. "Wenn wir das durchziehen, dann gibt es nirgendwo auf der Welt bessere Informationen zur Jugendgesundheit als in Deutschland", so Kurth.

Die Hälfte der Kinder wird in einem Zentrum untersucht

Der Aufwand ist immens: Per Zufallsstichprobe werden aus dem Melderegister die Namen von 18 000 Kindern gezogen, deren Eltern dann zweimal angeschrieben werden. Etwa die Hälfte der so Angeschriebenen kommt der Bitte nach, sich in einem der 150 über das ganze Land verteilten Untersuchungszentren einzufinden. Im Zentrum wird das Kind gemessen und gewogen, die älteren müssen auf ein Ergometer steigen.

Die Ernährungsgewohnheiten werden genauso abgefragt wie die Arzneimittelanamnese. Alle Kinder müssen eine Blutentnahme über sich ergehen lassen. Die Eltern erteilen Auskunft über das Umfeld, über eigene Erkrankungen, das eigene Körpergewicht und das der Verwandtschaft. Analysiert werden auch die Hör- und Sehfähigkeit und die motorische Koordination der Kinder. Bei dem obligaten Hausbesuch wird die Lärmbelastung gemessen, eine Hausstaubprobe genommen, und das Trinkwasser untersucht.

Geschulte Mitarbeiter besuchen Familien, die nicht reagieren

Wer auch nach dem zweiten Brief nicht antwortet, der erhält Besuch von eigens dafür geschulten Mitarbeitern des "Kinder- und Jugendsurvey", so der offizielle Name des Projekts. Fruchtet auch das persönliche Gespräch nichts, dann wird vor Ort zumindest ein sogenannter Nonresponder-Fragebogen ausgefüllt, der dazu dient, den sozialen Status der jeweiligen Familie abzuschätzen. So soll verhindert werden, daß es zu einer Verzerrung der Ergebnisse kommt, weil sich die sozialen Milieus zwischen denen, die auf die Briefe antworten und denen, die es nicht tun, unterscheiden.

Offizielle Auswertungen gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine. Auf Nachfrage allerdings rückt Kurth doch mit ein paar Trends heraus, die sich nach etwas mehr als einem halben Jahr Studiendauer bereits abzeichnen: Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus und, mehr noch, Migrantenkinder seien wohl die großen Verlierer im Survey, so Kurth. Ob Übergewicht, psychosoziale Störungen oder chronische Erkrankungen: In den meisten Kategorien führen sie die Statistiken an.

Bei der Kindergesundheit gibt es kein West-Ost-Gefälle mehr

Der Unterschied zwischen Ost und West dagegen hat sich praktisch nivelliert. Nicht einmal beim Asthma finde man noch das unmittelbar nach der Wiedervereinigung so charakteristische West-Ost-Gefälle. Am meisten erstaunt ist Kurth jedoch darüber, wie verbreitet OTC-Präparate bereits im Kindesalter sind. Vor allem Beruhigungsmittel scheinen Kindern viel häufiger verabreicht zu werden, als das gemeinhin angenommen wird.

Weitere Informationen unter www.kiggs.de

Quele: Ärzte Zeitung, 10.03.2004
 
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