brauche Rat -  Schlagendes Kind

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ritavera

Guest
Guten Tag miteinander,
wir haben da mal eine Frage: Wir haben ein 7 Jähriges Kind, das oft schlägt. Wir haben so ziemlich alles versucht. Auf kognitive Weise scheinen wir ihn nicht zu erreichen. Wir haben versucht, seinem Frust und seinen Gefühlen eine Sprache zu geben. Wir haben versucht, ihm Möglichkeiten aufzuzeigen, was er machen kann, wenn er wütend wird… Weglaufen, in einen Boxsack schlagen… Vergebens… Wir haben gedroht. Wenn du noch einmal schlägst, dann… Bringt alles nichts. Kurz, seine Frustrationsgrenze bleibt tief. Ja, und wenn wir zu hart mit ihm sind, dann macht er in der Nacht ins Bett, obwohl er das ja eigentlich schon lange nicht mehr tut…

Wir wissen nicht mehr weiter und wären froh, wenn ihr uns da weiterhelfen könnt.
Rita und Beat
 

Ilona

Moderator
Teammitglied
Hallo
Das Schlagen kann viele gründe haben.
In welchen Situationen tritt es den auf und wen schlägt er.
Schlägt er andere Kinder und wenn ja in welchen Situationen.
Schlägt er Erwachsene? Wenn ja in welchen Situatinen.

Wenn ein kind z.B. andere Kinder schlägt kann es sein, dass er selber geschlagen wird und alle anderen Wege nichts bringen. Das problem hatte mein Großer z.B. eine zeit lang. Ein Mädchen hat ihn geärgert. Er ging ihr aus den Weg sie rannte ihn aber hinterher.
Abhilfe brachte ihm dann nur wenn er zu einem Erzieher oder Lehrer gegangen ist. Nur es war nicht immer einer in der Nähe und irgendwann war seine tolleranzgrenze überschritten.
Natürlich fand ich es auch nicht gut aber ich konnte verstehen warum er es gemacht hat.

Eltern schlagen ist in dem Alter meistens ein zeichen von magelnden Respekt aber auch eine niedrige tolleranzgrenze kann der Grund sein. Hört ein kind generell wenn man es um etwas bittet liegt es normalerweise nicht am mangelnden respekt. Eine niedrige tolleranzgrenze kann auch wieder verschiedene ursachen haben wo ich mich dann aber an einen Spezialisten wenden würde. An erster Stelle würde da bei mir der Kinderarzt stehen, der dann gegebenenfalls einen weiter vermittelt.

Alles in allem Fehlen mir hier aber leider zu viele Informationen um einen wirklichen Rat zu geben. Aber vielleicht konnte ich ja mit meinen Beispielen ein wenig weiter helfen.
 

Dr. Dolittle

Moderator
Teammitglied
Hallo ritavera,

was denkt Ihr, warum Euer Kind so eine niedrige Frustrationgrenze und ein so hohes Aggressionspotential hat. Bevor Ihr das nicht herausbekommen habt, werdet Ihr die Situation auch nicht verbessern können. Er hat einen Grund, sich so zu verhaltem. Wenn Ihr ihm das Verhalten verunmöglicht, staut sich bloß alles auf und macht ihn krank, bzw. er läuft im wahrsten Sinne es Worte über. Irgendwie muß der Druck ja raus.

Wenn Ihr nicht ausreichend an ihn rankommt, sucht Euch Hilfe. Vertraut er sich jemandem anderem vielleicht eher an? Es gibt diverse Erziehnungsberatungsstellen und auch solche speziell für Bettnässer, die Fälle wie Euren häufiger sehen.

Geht seinen Problemen auf den Grund - aber nicht durch Denken, sondern durch Mitfühlen.

Liebe Grüße

Dr. Dilittle
 

Maju

Namhaftes Mitglied
Neuere Studien belegen, dass aggressives Verhalten aggressiv macht.
Der Vergleich mit dem überkochenden Topf (Druck muss abgebaut werden, sonst staut sich etwas an...) ist ein Mythos, der sich wegen seiner bildreichen, schlichten Logik hartnäckig hält.

Neuere Erkenntnisse besagen, dass man immer noch aggressiver wird, wenn man seine Wut voll auslebt (Boxsack). Es gilt deshalb diesen Kreislauf zu durchbrechen, es zu lernen die Wut zu beherrschen. Das schraubt sich sonst immer weiter hoch.

Ich würde mir da den Rat eines Fachmanns holen. Der kann nach den Ursachen forschen und passende Übungen oder Therapien empfehlen. Und falls einer bloß meint: "Melden Sie den Jungen eben im Fußballverein an, damit er sich austoben kann.", dann sollte man misstrauisch werden. Auch Fußball kann Aggressionen fördern.
 

Dr. Dolittle

Moderator
Teammitglied
Hallo ritavera, hallo Maju,

so ganz ohne Kontext möchte ich das nicht stehen lassen. Etwas komplexer sind die Zusammenhänge schon. @ Maju: Kannst Du etwas darüber schreiben, auf welche neueren Studien Du Dich beziehst? Kennst Du eventuell auch die Arbeiten von Sabine Herpertz? Die hat außer diversen Studien auch ein paar sehr schöne Übersichtsarbeiten zum Thema Aggression verfaßt. Von Karl-Heinz Brisch findest Du viele gute Studien und Artikel zum Thema kindliche Entwicklung unter Streßbelastung.

Ich versuche mal, bis dahin schon ein wenig Klarheit zu stiften. Aggressionen zu unterdrücken ("Wut beherrschen"), funktioniert nicht. Dadurch stauen sich die Aggressionen bloß an. Davon habe ich geschrieben und das ist AFAIK auch nirgends widerlegt worden. Ganz im Gegenteil wird mehr und mehr bekannt, wieviel dauerhafter psychischer Schaden entstehen kann, wenn keine Druckentlastung stattfindet. Daß Bettnässen viel mit aufgestautem Streß zu tun hat, gilt meines Wissens ebenfalls noch. Ziel bei der Lösung solcher Probleme ist für gewöhnlich, die Enstehung von Aggressionen, Frustrationen usw., also Streß allgemein bereits im Vorfeld zu vermeiden.

An dieser Stelle kommen wir zu den Ursachen, zu denen ich gar nichts geschrieben hatte. Das hast Du irgendwie in einen Topf geworfen. Gewalt führt zu mehr Gewalt. Das ist altbekannt. Daraus läßt sich aber keineswegs schlußfolgern, daß das Unterdrücken von Wut die Gewaltspirale durchbricht. Es verzögert und verlagert die Gewalthandlungen bloß.

Um aus dem Geschehen auszusteigen, braucht es emotionale Stabilität, Einsicht und alternative Handlungsmöglichkeiten. Das läßt sich trainieren. Die klassischen Anti-Gewalt-Trainings basieren auf solchen Prinzipien. Da wird daran gearbeitet, mithilfe verbesserter Selbstsicherheit und Entspannungstechniken die Ruhe zu bewahren, nicht gleich dem ersten Impuls zu folgen, die Situation sachlich einzuschätzen und aktiv nach (eingeübten) Handlungsalternativen zu suchen. In den Boxsack boxen hilft nicht immer, da es auch zum Hochtreiben der Wut genutzt werden kann. Meist hilft es aber schon und die Überspannung kann abgebaut werden. Dasselbe gilt für Sportarten wie Fußball, wobei viel vom Trainer abhängt.

Immer gilt, wer mit sich und seiner Umgebung im reinen ist, läßt sich gar nicht erst aus der Ruhe bringen. Kinder brauchen viel Selbstsicherheit und eine stabilisierende Umgebung, um überhaupt erstmal die Fähigkeit zu entwickeln, ihre Emotionen zu regulieren. Das ist nicht angeboren. Bei Kindern kommt darum verstärkt die Betrachtung der äußeren Einflüsse dazu. Es liegt in der Verantwortung der Betreuungspersonen, Kinder vor Gewaltefahrungen und auch übermäßigem Streß allgemein zu schützen. Von Kindern kann und darf nicht verlangt werden, ständig ihre Gefühle zu unterdrücken, weil ihre Umgebung sie einem Übermaß an Konflikten aussetzt. Unterdrückte Gefühle machen mittelfristig krank. Die Liste der bekanntermaßen daraus resultierenden Störungen ist lang. Die Folgen können ein Leben lang bestehen bleiben. Soweit sollte es niemals kommen. Gegenseitiges Verständnis ist der beste Weg, zur Lösung von Konflikten.

Liebe Grüße

Dr. Dolittle
 

Maju

Namhaftes Mitglied
Hallo Doktor,

ich lese vieles im Vorbeigehen, kann mir keine Namen von Studien merken und sammle grundsätzlich keinerlei Bücher mehr daheim. Was gelesen ist, muss weg. Ein Kern Wahrheit, das was einleuchtete und brauchbar ist, bleibt hängen -zumindest eine kurze Zeit. Ich kann mich nicht ernsthaft mit jemandem austauschen, der an die ganze Thematik wissenschaftlich herangeht und hinter jeder Kleinigkeit eine schwerwiegende Störung wittert.

Das ist "nur" ein Elternforum, keine Arztpraxis. Hier bin ich zum Zeitvertreib, nicht weil ich jemanden heilen will oder könnte. Und ich gehe davon aus, dass der "schlagende Junge" kein krankhafter Fall ist, denn sonst hätte die Mutter wohl kaum den Rat von Laien gesucht. Als Vorsichtsmaßnahme riet ich ja zum Expertern, falls doch etwas schlimmeres vorliegt. Man muss das abklären, da können wir hier gar nichts helfen.

Was meine Theorie zur Aggression betrifft: Es kann noch so viele Studien geben, alte oder neue. Es leuchtet doch auch ohne Tests ein, dass derjenige, der sich nicht zu beherrschen lernt und bei jeder Kleinigkeit an die Decke geht, immer noch aggressiver wird. Es gibt einfach unterschiedliche Charaktere, es gibt aufbrausende Menschen. Soll man ihnen jetzt sämtliche Stressauslöser aus dem Weg räumen? Das kann ja wohl auch nicht der richtige Weg sein. Es führt nichts daran vorbei: jeder muss lernen ruhig zu bleiben, der eine mehr, der andere weniger.
 

Gerhard S.

fast-Alles-Versteher
Ich selbst bin mal von enem 5-Jährigen gehauen worden. Stelle mein Auto ab, steige aus - und zack! Hat der Knirps auf mich gelauert und einen grossen Ast dabeigehabt.

Meine Gefühle:
Das Schlagen selbst und auch die blauen Flecken haben mich nicht zornig gemacht. Bin selbst Vater und gehe grundsätzlich davon aus, dass Kinder niemals "böse" sind. Was mir aber richtig weggetan hatte: Diese scheinbare Grundlosigkeit. Der Junge erklärte mir nicht, warum er das macht(e) - oder aber, er wusste es selbst nicht (was sich später dann auch herausstellte).
Ich versuchte ein zaghaftes, neutrales Elterngespräch, ohne Vorwürfe. Wurde freundlich, aber bestimmt, abgewiesen.
Ich reagierte dann auf die Abweisung der Eltern des Jungen auf die Art&Weise, dass ich zukünftig dem Jungen keine Chance mehr liess, seinen Ast "anzuwenden". Mit der ganzen List und Tücke eines Erwachsenen trickste ich den Kleinen aus. Zum Beispiel lief ich vor dem weg, um's Auto herum, bin ihm die Puste ausging. Oder ich fing den Ast einfach auf und nahm ihn ihm weg und sagte deutlich dazu, dass ich das garnicht lustig finde und sowas auch mal wortwörtlich ins Auge gehen könnte.
Einmal habe ich den Kleinen nach erfolgloser Jagd auf mich ganz erschöpft zu seinen Eltern rübergetragen...
;-) :-D
 

Dr. Dolittle

Moderator
Teammitglied
Hallo Maju,

schau Dir bitte meinen ursprünglichen Eintrag vom 15.08.2012 nochmal in Ruhe an. Da schreibe ich nichts "wissenschaftliches" und auch nichts von irgendeiner "Störung", geschweige denn einer "schwerwiegenden Störung". Das "Wissenschaftliche" hast Du hineingebracht, als Du von "neueren Studien" und "neueren Erkenntnissen" geschrieben hast. Ich habe diesen Aspekt von Dir lediglich aufgegriffen und eine differenzierte Stellungnahme dazu geschrieben. Wenn Du mit "Studien" anfängst und eine Darstellung von mir als "Mythos" diskreditierst, forderst Du eine solche Antwort heraus und als Provokation war es ja wohl auch gemeint.

Wenn Du meine Beiträge sachlicher betrachten würdest, würde Dir auch auffallen, daß ich keineswegs "hinter jeder Kleinigkeit eine schwerwiegende Störung witter(e)". Es ist lediglich so, daß ich bevorzugt solche Anfragen beantworte, wo sich die Frage nach einer eventuell vorliegenden Störung stellen könnte. Der Übergang von "normal" zu "gestört" ist so gleitend wie willkürlich festgelegt. Da werfe ich mich nicht in die Brandung. Mich interessiert bloß, wie den Ratsuchenden, bzw. deren Kindern, am besten geholfen werden kann. So formuliere ich IMHO auch meine Antworten. "Heilen" kann übrigens niemand - das kann bloß die Natur. Selbst Ärzte können bestenfalls therapieren und auch das ließe sich nicht mittels eines Forumseintrags erreichen.

Du schreibst: "Und ich gehe davon aus, dass der "schlagende Junge" kein krankhafter Fall ist, denn sonst hätte die Mutter wohl kaum den Rat von Laien gesucht." - Woher soll eine Mutter, vermutlich selbst Laie, wissen, ob ihr Kind ein "krankhafter Fall" ist? Ob ein Laie hier fragt oder gleich zum Arzt geht, ist sicherlich kein belastbares Kriterium hinsichtlich der Frage nach einer möglichen Pathologie. Ich ging und gehe übrigens auch nicht davon aus, daß der Junge ein "krankhafter Fall" ist, da ich in dem geschriebenen keine Hinweise dafür sehe.

Zu Deiner Frage: "Soll man ihnen jetzt sämtliche Stressauslöser aus dem Weg räumen? " - Nein, sicher nicht. Es darf das Kind nur nicht in Art und Menge überfordern. Um belastbar zu werden, müssen Kinder sich natürlich auch in stressigen Situationen behaupten.

Du schreibst weiter: "Es führt nichts daran vorbei: jeder muss lernen ruhig zu bleiben, der eine mehr, der andere weniger." - Auch dem kann ich uneingeschränkt beipflichten. AFAICS unterscheiden wir uns im wesentlichen hinsichtlich der Frage, auf welchem Weg dies erreicht werden kann. Du schreibst immer davon, man müsse sich "beherrschen" lernen. Ich setze halt einen Schritt weiter vorne an und halte es für erstrebenswert, den jeweiligen situativen Aspekt gar nicht erst als Anlaß für unmittelbare wütende Erregung wahrzunehmen.

Achtsamkeit wäre hierfür ein Schlagwort. Dabei geht es darum, die Dinge um sich herum - vor allem die belastenden - vorzugsweise neutral wahrzunehmen und erst nach einer sorgfältigen Betrachtung und gedanklicher Auseinandersetzung mit den verschiedenen möglichen Wertungen einer abschließenden Bewertung zu unterziehen. Wenn man dann tatsächlich der Meinung ist, daß Wut die beste Reaktion ist, ist das etwas völlig anderes, als wenn man seinem ersten Impuls folgend sofort in wütende Erregung gerät und dann bloß noch die Wahl hat, dies auszuleben oder mühsam wieder herunterzufahren. Falls Dich das interessiert, könnte ich Dir als netten Einstieg in das Thema, speziell für Eltern, "Die Kunst, gelassen zu erziehen." von Lienhard Valentin empfehlen. (Blick ins Buch: http://snipurl.com/24ql6v9)

Ich hoffe, die Wogen haben sich jetzt wieder etwas geglättet. Wir müssen ja nicht ständig einer Meinung oder uns sonstwie ähnlich sein, um friedlich miteinander auszukommen.

Viele Grüße

Dr. Dolittle (für Dich auch gerne einfach "Dolittle", ohne den Doktor;)
 

Maju

Namhaftes Mitglied
Danke für deine ausführliche Antwort. Ich provoziere manchmal richtig gerne, das gebe ich zu :-D Mir gefallen solche belebten Diskussionen einfach.

Meine Meinung wird letztendlich wahrscheinlich auf das Buch "50 psychologische Mythen" o.ä. zurückzuführen sein. Genauer weiß ich es leider nicht mehr.
 

Gerhard S.

fast-Alles-Versteher
Die TE mit ihrem 7-Jährigen gibt's auch noch.

Ich finde, die TE kann nicht mehr, oder wesentlich anderes, machen. Es gibt nur die aufgezählten pädagogischen Möglichkeiten. Langfristig wird es wirken, nicht den Mut verlieren.
Möglicherweise sieht der Junge auch Filme, die nicht für sein Alter geeignet sind (*)


Andere Eltern haben andere Methoden:
Postwendend mit dem Rohrstock was auf den Popo, Fernsehverbot, Konsole weg, kein E.I.S. mehr...


Zu (*) :
Ich bin entsetzt über den TV Kinderkanal.
Dort können Kinder sehen, wie gefoltert, gemordet und wegen Erbe vergiftet wird.
Damit die Filme ausgestahlt werden dürfen, sind sie in Zeichentrickfilme verpackt.
Ich finde das nicht in Ordnung!
 

Achim Dohr

Neues Mitglied
Hallo Ritavera,
Die Aggression Deines Kindes hat eine Ursache, die wir zur Zeit nicht kennen. Deshalb bringt das Diskutieren über eine Lösung auch meiner Meinung nach nichts. Zunächst benötigt man mehr Informationen: In welchen Situationen wird das Kind gegen wen aggressiv? Wer wird geschlagen? Immer die gleiche Person?. Erst wenn diese Informationen vorliegen, kann man versuchen, auf eine Ursache zu schließen. Hat man diese gefunden, ist die Abhilfe oft nicht schwer. Was hast Du denn beobachtet?

Viele Grüße
Achim Dohr
 
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