Hallo am Abend an Elchen, Gankerl, Natascha, Fay, Kuschki, Flower und Anke,
vielen Dank für eure Antworten. Das war sehr interessant für mich und hat mir auch geholfen, meine eigene Reaktion richtig einzuordnen. Wie ich es verstehe, sehen wir das alle ganz ähnlich, nur mit unterschiedlichen Schwergewichten und in anderen Worten.
Ich hole einfach mal ein bisschen aus, wenn’s euch nicht langweilt…
Vorab muss ich sagen, dass es sich bei dieser Nachbarsfamilie um sehr nette Leute handelt. Ich mag vor allem die Frau sehr gern. Das sind auch überhaupt keine „Asozialen“, sondern im Gegenteil. Und der Junge ist auch kein Dummer, sondern ein sehr intelligentes Kerlchen – Markus - mit herausragender Mathe-Begabung.
Markus ist aber ein superschwieriges Kind, das unfähig ist, sich anzupassen. Er hat die gesamte Familie unter Kontrolle, auch seinen älteren Bruder. Und die Mutter ist ihm gegenüber hilflos. Sie ist viel zu weich, um ihm Grenzen zu setzen. Ich sehe auf die Familie harte Zeiten zukommen, aber das ist ja ne andere Geschichte.
Markus hat ein großes Talent, Leute zu manipulieren. Zum Beispiel schafft er es beim Fußballspielen immer, dass mein Sohn, wenn sie an einem Berg spielen, unten steht, wo er dem Ball hinterherlaufen muss, wenn er ihn nicht hält. In der Grundschule gab es mal eine Szene, dass mein Sohn ihn angerempelt hat und Markus ist zu Boden gestürzt und hat geschrien: "Aua, mein Herz! Er hat genau mein Herz getroffen!" ;-) Alle Mitschüler waren voller Mitleid, und meiner stand doof da. Nun ja. Dies nur, um die Beziehung der beiden darzustellen. Meiner ist eher ein bisschen stoffelig und meistens gutmütig. Allerdings längst nicht immer ein Engel. Allerdings auf andere Art. Mein Mann nennt auf seine Art, die Dinge plastisch zu machen, den Markus oft „eine linke Bazille“, und ich musste ihn schon mehrere Male davon abhalten, dem Kind an den Kragen zu gehen. ;D Is ja nur ein Kind.
Als ich mit der Mutter nun joggen war, erzählte sie mir, dass mein Sohn eben den Markus so fest geschlagen hat, und ich sagte: Das kann nur zwei Gründe: entweder hat Markus ihn zuerst angegriffen und meiner hat fester zugeschlagen als beabsichtigt, oder es ist etwas wirklich Schlimmes vorgefallen. Wegen Streitereien um einen Fußball wäre das nicht passiert. Außerdem hab ich ihr gesagt, dass ich es nicht okay fand, dass sie gemeinsam mit ihrem Sohn meinen zusammengestaucht hat. Da wäre ich gern dabei gewesen. Das will sie auch beim nächsten Mal so machen. Wenn die Kinder alleine streiten – okay. Da misch ich mich nicht ein. Aber wenn ein Erwachsener dabei ist, muss das Gleichgewicht stimmen, finde ich.
Bei dem Gespräch mit meinem Sohn wurde er sehr blass und schilderte die Situation sehr nüchtern, ohne mich anzuschauen. Ich muss ehrlich sagen, ich war zutiefst gerührt. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass ich nun nicht in Lobeshymnen ausbrechen darf. Also habe ich meinen „pädagogisch wertvollen“ Text heruntergeleiert: „Du weißt ja, wir hauen nicht, und Konflikte kann man auch…“ usw. Und dann habe ich gesagt: Und jetzt gib mir mal ein Küsschen und danke, dass du mich so verteidigt hast, und hab ihn in den Arm genommen.
Danach habe ich die Mutter angerufen und auch sehr sachlich das Gespräch mit meinem Sohn wiedergegeben, sie war erschrocken und wir beide waren uns einig, dass das Thema damit erledigt ist. Wenn der Kinderstreit anders abgelaufen wäre, hätte ich mir durchaus vorstellen können, dass ich meinem Sohn eine Entschuldigung dem Markus gegenüber abverlange. Das fand ich aber in dem Fall nicht nötig.
Die Mutter meinte noch: Ja ja, solche Ausdrücke haben die Kinder eben.
Das sehe ich allerdings anders. Ich habe meinen Sohn noch mal in einem vertrauten Moment gefragt, was denn das schlimmste Wort oder der hässlichste Ausdruck war, den er je zu einem anderen Kind gesagt hat. Nach einigem Zögern – „darf ich wirklich?“ – meinte er: „Wichser. Aber nur einmal.“ Da hab ich streng geguckt, und gut war.
Liebe Grüße an euch!
AnnKathrin