Hallo Stöpsel,
unten findest du einen Text von Uta Reimann-Höhn (
http://www.lernfoerderung.de), der dir erst einmal verdeutlicht, wie ein Kind schreiben lernt.
Ich persönlich arbeite in meiner Praxis oft über den Wortbildspeicher, dazu folgender Text. Gruß Ute
Speicherschwäche-Wortbildspeicher
Schubenz hat den Begriff der ,,Speicherschwäche" als ein Symptom der Legasthenie geprägt.
Sie ist sicher eine der wichtigsten Ursachen der überdurchschnittlichen Fehlerhaftigkeit aller schriftsprachlichen Leistungen legasthenischer Kinder. Es ist zu beobachten, dass Wort- und Silbenbilder von diesen Kindern vom ersten Schuljahr an trotz häufiger Darbietung nicht so rasch und mühelos im Gedächtnis gespeichert werden wie von Nichtlegasthenikern, daher auch nur mit großer Verzögerung wiedererkannt und mit noch größerer Verzögerung - wenn überhaupt - richtig reproduziert werden können.
Da das Wiedererkennen leichter ist als das Reproduzieren aus dem Gedächtnis, beeinträchtigt der schlechte Wortbildspeicher das Rechtschreiben mehr als das Lesen.
Neben der Wortbildschwäche besteht auch eine herabgesetzte Merkfähigkeit für das Auswendiglernen von Texten, für das Einmaleins und für Wörter, die nicht nur den unmittelbaren Kommunikationsbereich betreffen.
Auf die Rechtschreibung wirkt sich diese Speicherschwäche auf dreifache Weise aus:
1. Buchstabenauslassungen werden vom legasthenischen Kind nicht bemerkt, folglich liest es über sie hinweg.
2. Die Beharrlichkeit der ,,gewöhnlichen Rechtschreibfehler", die wohl alle Kinder machen, dauert bei Legasthenikern viel länger an und sie kommen in viel größerer Zahl vor. Dabei sind zu nennen: Verstöße gegen Groß- und Kleinschreibung, gegen die Regeln der S-Schreibung, der V-F-Schreibung und gegen die Regeln der Dehnungen und Kürzungen.
3. Legastheniker machen in hohem Maße Abschreibefehler, was von Lehrern oft als besonderes Zeichen geistiger Minderbemittlung interpretiert wird (,,er kann ja nicht mal abschreiben").
Das Lernen eines neuen Wortes erfolgt zuerst im Kurzzeitspeicher. Um erfolgreich zu sein, werden Wiederholungsschleifen in den Zeitspannen aufgebaut, in denen eine sichere Wiedergabe aus dem Kurzzeitgedächtnis zu erwarten ist: sofort – nach einer Minute – nach drei Minuten. Der Zeitabstand der letzen Wiederholung muss auf alle Fälle unter 5 Minuten liegen.
Ziel ist es, das Wortbild zu automatisieren. Automatisierte Vorgänge brauchen zu ihrer Aktivierung keine Aktivierungsenergie aus dem Kurzzeitspeicher. Sie verringern die Fehlerquote deutlich und erhöhen die Lesegeschwindigkeit.
80% aller legasthenen Kinder (Rosenkötter) können so schneller und sicherer lernen.
Die Kinder sind nicht mehr abhängig von orthografischen Konflikten und Regelkonflikten. Lernen im Bildgedächtnis macht den größten Teil der Regelableitungen überflüssig. Schreibgeschwindigkeit und Fehlerzahl hängen dann vom Grad der Automatisierung ab.
Ich verwende in meiner Praxis das Training des Worbildspeichers kombiniert mit einem Rechtschreibtraining (Marburger, REMO)– mit gutem Erfolg. Das Rechtschreibtraining ist ein Zugeständnis an die Schule und unser Gesellschaftssystem. Ein konsequentes Training des Worbildspeichers ab der ersten Klasse würde hier manches Problemn vermeiden. Besonders Kinder mit einer Hörverarbeitungsstörung könnten dann dem heute noch bis zu 80% auditiv geprägten Sprachenunterricht besser folgen und effektiver lernen.
Ein sehr gutes Buch zu diesem Thema, auch sehr gut verständlich geschrieben, ist:
Henning Rosenkötter: Neuropsychologische Behandlung der Legasthenie. Beltz Psychologische Verlagsunion, ISBN 3-621-27405-7
Uta Reimann-Höhn:
Wie lernt ein Kind eigentlich schreiben?
Vorschulische Phase
Bevor ein Kind in die Schule kommt, hat es schon grundlegende Erfahrungen gemacht, die ihm nützlich sind. Es kann Zeichen oder Logos einem Sinn zuordnen, zum Beispiel das Mac Donalds Logo dem Schnellimbiss. Und es hat mit großer Wahrscheinlichkeit schon Buchstaben abgemalt, um damit zum Beispiel seinen Namen zu "schreiben". Auch in Lesebüchern fahren Kinder gerne mit dem Finger die Buchstaben nach, um so zu tun, als würden sie die Geschichte selber lesen. Dabei schauen sie sich jedoch nur die Bilder an oder erzählen die Geschichte aus dem Gedächtnis nach.
Das Kind kann aber noch nicht einem Phonem (Laut) ein Graphem (eins oder mehrere Zeichen) selber zuordnen. Das lernt es erst in der Schule, zum Beispiel, dass das Phonem "sch" aus drei Buchstaben besteht.
Alphabetische Stufe
Der Erwerb der Schriftsprache funktioniert nach neusten Erkenntnissen stufenweise. Auf der ersten, für die Lese- und Schreibanfänger wichtigen alphabetischen Stufe, steht die phonologische Bewusstheit. Das bedeutet, dass das Kind in der Lage ist, die gehörten Phoneme lautgetreu aufschreiben zu können. Lautgetreue Wörter wie beispielsweise „Walde“, „oben“ oder „Datum“ werden Laut für Laut gehört und verschriftet.
Orthografische Stufe
In der nächsten Stufe, der orthografischen, werde einfach Rechtschreibregeln integriert. Das Kind muss sich hier Elemente merken, die von der eigenen Artikulation (Aussprache) abweichen. Mutter wird mit zwei „t“geschrieben, Koffer mit zwei „f“ oder Vater mit „V“. Dopplungen, Dehnungen und tz gehören auch in diesen Bereich. Um diese Leistung erbringen zu können, ist es notwendig, dass das Kind die lautgetreue Schreibung sicher beherrscht.
Morphematische Stufe
Dann wiederum folgt die morphematische Stufe, die die Fähigkeit beschreibt, bei der Schreibung der Wörter deren Struktur zu beachten. Dazu gehört die Erschließung des Wortstammes (Räuber kommt von Raub und wird deshalb mit „äu“ geschrieben, und die Fähigkeit zur Zergliederung der Wörter in ihre Wortteile (Staubsauger von Staub und saugen).
Wortübergreifende Strategie
Zuletzt kommt die wortübergreifende Strategie, die weiterführende sprachliche Aspekte wie Grammatik, Semantik oder wörtliche Rede umfasst.
Mit der Hamburger Schreibprobe, einem neueren diagnostischen Verfahren, kann man die Entwicklung des jeweiligen Kindes gut erfassen. Sie ist sowohl mit Einzelpersonen als auch in der Gruppe (Schulklasse) gut durchführbar.