Kirchentag in Dresden
Marie, Anna, Maries Freundin (ihre Klassenkameradin und ebenfalls Konfirmantin), deren Mutter (meine Nachfolgerin im Kirchengemeinderat) und ich fuhren gemeinsam nach Dresden zum 33. Evangelischen Kirchentag. Wir hatten mit der Massenunterkunft einerseits Glück, weil wir ein ganzes Klassenzimmer für uns alleine bekamen, andererseits Pech, weil sich die Schule in Riesa befand und wir viele Stunden nur im Zug verbrachten.
Über die Schule mussten wir sehr staunen, wie auch über vieles andere in Dresden und Riesa an und in den öffentlichen Gebäuden. Es gibt in unserem Musterländle Baden-Württemberg nicht eine Schule, die ich kenne, die vergleichbaren Standart vorzuweisen hätte. Vorhänge, Teppichboden, Edelstahl, frisch gestrichene Wände außen und innen, neue Tafeln und Toiletten...Wir erblassten erstmal völlig unchristlich vor lauter Neid! Und ich dachte wieder einmal voller Wut an die Wutbürger in Stuttgart, die sich nichts selber gönnen wollen, obwohl ihr Bahnhof unterirdisch hässlich ist und der neue unterirdische einfach nur himmlisch wäre.
Desgleichen erfuhren wir es auch auf kirchlicher Ebene. Obwohl man gesagt bekam, wie wenig Menschen im Osten der Kirche angehören (4%), entnahmen wir der Kirchenzeitung (die doppelt so dick wie unsere ist, häufiger erscheint und auch noch in Farbe gedruckt war!!!) dass das Gemeindeleben vielfältig gestaltet wird und Geld offenbar keine Rolle spielt.
Wir beschlossen dann, nicht länger neidisch zu sein. Wir versuchten uns einfach daran zu freuen, dass der Aufbau des Ostens so schöne Früchte trägt und wer weiß: Vielleicht kann er ja dann in ein paar Jahren dem Westen helfen runtergekommene Schulen und Kirchen zu renovieren. Anlass zu dieser Zukunftsfantasie gab auch die Bibelarbeit mit Dr. von Hirschhausen, der eine Studie zitierte, wonach Menschen hilfsbereiter wären nachdem sie selber beschenkt worden waren.
Da Dr. Hirschhausen Arzt und Kabarettist ist, fiel die Bibelarbeit wissenschaftlich-lustig aus. Es war eher eine Show. Es hat uns das Frühstück und ein paar Stunden Schlaf gekostet einen Platz bei seiner Bibelarbeit zu ergattern, zumal anschließend in dieser Halle Angela Merkel angekündigt war. Wir gehörten zu den großen Glückspilzen, die noch in die Halle reinkamen und sogar ziemlich weit vorne Papphocker fanden. Hinterher stand von Hirschhausen zwei Meter neben uns und war in ein Gespräch mit einem Bekannten vertieft. Es reizte mich zu sehr und ich musste ihn einfach stören für ein ganz besonderes Autogramm: ich bat ihn auf dem Gottesdienst-Besuch-Nachweis meiner Tochter für die Bibelarbeit zu unterschreiben, so wie das eigentlich nur Pfarrer sollen. Er tat es gerne.
Von unserer Bundeskanzlerin nahmen wir "nur" Bilder mit. Die Kinder drängte es nach ihrer Ansprache ins Zentrum Jugend wo sie unbedingt noch Henna-Tattoos machen lassen wollten von indischen Frauen. Ich wäre aber auch so nie auf die Idee gekommen von Frau Merkel ein Autogramm zu holen wie von Hirschhausen...
Die Tage zuvor hatten die drei Mädchen ein anderes Programm wie wir zwei Frauen. Ja, das trauten wir uns einfach, der Kirchentag kommt trotz seiner über 100 000 Teilnehmer so harmlos daher, dass man seine Kinder getrost alleine laufen lassen kann. Irgendwie haben wir sie immer wieder gefunden. Zum Beispiel bei Aura Dione standen die Kids ganz vorne, wir Damen bevorzugten währenddessen Klezmer-Musik.
Den geregelten 5-Stunden-Schlaf und die Action von frühmorgens bis spätnachts kann ich jetzt noch zwei Tage ausgleichen und dann geht es ab nach Paris. Bin gespannt, wie lange ich das alles noch unbeschadet genießen kann. Bis jetzt jedenfalls geht es mir noch prima!