Ich brauch mal fachmännischen Rat, und ich glaub, hier bei euch bin ich richtig.
Meine Frau könnte, wäre sie im EF, hier Mitglied sein, denn sie hat ein ganz spezielles Verhältnis zu meinen Eltern - und ganz besonders zu meinem Vater.
Nachdem vor zwei Jahren unser Sohn geboren wurde, kam es schnell zum ersten Eklat: genaugenommen schon beim ersten Antrittsbesuch bei meinen Eltern mit schlafendem Säugling auf dem Arm. Meine Eltern waren schon angepisst, dass sie ihn in der Klinik nicht auf den Arm nehmen, sondern nur durchs Fenster sehen konnten (er lag auf der Säuglings-Intensiv), und jetzt hielt ihn meine Frau auf dem Arm und reichte ihn nicht herum (er schlief!). Bei der Verabschiedung kam es zu einem folgenschweren, aber typischen Wortwechsel: meine Frau sagte meinem Vater (sinngemäß): "Wir müssen reden - es gibt zu viele Spannungen zwischen uns!" - er sagte: "An mir liegt's nicht!". Sowohl meine Frau als auch ich verstanden ihn so, dass er damit (wie immer) ausdrücken wollte, meine Frau sei schuld (vielleicht auch ich, aber in erster Linie fällt der Part des Sündenbocks ihr zu). Meine Mutter behauptete später, er habe nur sagen wollen, es liege nicht an ihm, dass sie nicht miteinander reden könnten.
In den ersten Monaten seines Lebens bekamen meine Eltern den Kleinen praktisch überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Meine Frau machte (wie immer) irgendwann wieder mal einen Versöhnungsvorschlag: ein Treffen auf neutralem Boden - und erstmal nur mit einem von beiden. Die ersten Treffen nahm alle meine Mutter wahr - mein Vater kam nicht. Ganz allmählich kam ein kleiner Kontakt wieder in Gang, und natürlich verknallten sich meine Eltern über beide Ohren in ihr (einziges) Enkelkind.
Aber wie das so ist - je mehr Kontakt man mit ihnen hat, desto leichter bekommt man mit ihnen Streit. Der vorläufige Höhepunkt war das denkwürdige Wochenende kürzlich, von dem ich euch ja berichtet habe.
Mein Vater gibt sich nun alle erdenkliche Mühe, seine Antipathien und Vorurteile zu leugnen und bissige Bemerkungen über meine Frau herunterzuschlucken. Ich weiss, wie schwer ihm das fällt - ein grosse Opfer! Nur bewirkt es leider das absolute Gegenteil: meine Frau, aufgewachsen mit sexuellen Übergriffen in einem Alkoholikerhaushalt und in zwischenmenschlicher Kommunikation professionell ausgebildet, spürt natürlich auch die nonverbale Aggression. Aus Sicht meines Vaters ist jetzt aber sie dran schuld, weil sie nicht drüber weg sieht, sondern so sensibel ist, das trotzdem zu spüren.
Heute bekam meine Frau einen Brief von meinem Vater, in dem er sich für alle seine Verfehlungen der letzten 20 Jahre entschuldigt und um einen Neubeginn bittet.
Ich weiss, dass er es ernst meint - er leidet unter der Situation, und er hat Angst, nicht mehr viel von seinem Enkel zu erleben. Er zieht dieses Jahr mit meiner Mutter aus meinem Elternhaus aus in eine Altenwohnanlage, wo sie eine Wohnung gekauft haben (die wird grad gebaut). Kein Mensch weiss, wie lang er noch lebt - er selbst am wenigsten. Er leidet unter dem Konflikt und würde ihn gern beenden.
Meine Frau leidet auch drunter und würde ihn gern beenden. Das Problem ist, dass die Wurzel des Übels nicht in den ungezählten Anfeindungen, bösen Bemerkungen, Sticheleien oder auch im Fehlverhalten meiner Frau zu suchen ist, sondern in der tiefen, gegenseitigen Abneigung. Die beiden mögen sich nicht, sie haben sich einander nicht ausgesucht, und sie passen überhaupt nicht zusammen. Und während mir und meiner Frau das auch klar ist - vielleicht sogar meiner Mutter - leugnet mein Vater das rundweg und weigert sich hartnäckig, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen. Wenn er beschliesst, dass ab sofort jemand zur Familie gehört, dann wird der jetzt programmgemäss auch geliebt. Basta. Alles andere gilt nicht.
Meine Frau könnte mit einer ausgesprochenen Feindschaft und erklärtem Waffenstillstand gut zurecht kommen - glaube ich. Aber mein Vater nicht.
Mit einer geheuchelten Zuneigung, hinter der man ständig die Ablehnung spürt, kommt sie aber nicht klar.
Könnt ihr euch in die Situation hineinversetzen? Was würdet ihr mir - was würdet ihr meiner Frau raten, zu tun?