und das sagt die Evolutionsbiologie dazu:
Einsam einschlafen ist nicht
Das Geschaukel im Kinderwagen signalisiert den Kindern, "da ist noch einer, wenn ich jemanden brauche". Herumgefahren zu werden beruhigt Kinder deshalb und sie schlafen im Kinderwagen oft besonders gut ein. Aber zufrieden sind Evolutionsbiologen mit diesem Liegendtransport noch nicht. Wir modernen Eltern glauben, dass unsere kleinen Lieblinge eigentlich "Lieglinge" sind. Doch das ist falsch: Babys können zum Beispiel nur auf kurze Distanzen - etwa 18 bis 25 Zentimeter - scharf sehen. Liegen sie im Kinderwagen ist das Gesicht der Bezugsperson viel zu unscharf, um es zu erkennen oder die Mimik wahrzunehmen.
"Tragling" statt "Liegling"
Wissenschaftlich gesehen sind unsere Kleinen "Traglinge" - sie wollen herumgetragen werden. Zwar hat die Evolution den Frauen Taille und Hüften beschert, auf denen ein Baby seitlich fast wie auf einem Sattel sitzen kann. Doch anstrengend ist das Tragen auf die Dauer trotzdem - jedenfalls in unserem Kulturkreis.
Der tägliche Kampf ums Einschlafen
Das Einschlafen im Kinderzimmer macht dagegen meist noch mehr Probleme als das Schlafen im Kinderwagen: Das Zimmer ist schön hergerichtet, die Vorhänge zugezogen, alles ist ruhig und still - und trotzdem wollen die Kleinen nicht schlafen. Evolutionsbiologen überrascht das Verhalten nicht: Dunkle, einsame Zimmer sind nicht das, was Kinder diesen Alters erwarten: Sie wollen Teil einer sozialen Gemeinschaft sein. Sie erwarten, dass die Bezugspersonen als schützende Personen im Hintergrund dabei sind. Die Ruhe signalisiert für sie hauptsächlich eines: verlassen sein. Unsere hilflosen "Frühgeburts"-Babys fühlen sich im einsamen Bettchen schlichtweg in ihrem Leben bedroht. Logisch, dass ein Baby lautstark den Versuch unternimmt, den Kontakt zu den Eltern wieder herzustellen.
Die Mär vom Durchschlafen
Kein Einzelbett
Eine Schimpansenmutter baut jeden Tag ein neues Schlafnest für die Nacht. Sie würde niemals auf die Idee kommen, für ihr Kind ein eigenes Nest zu bauen.
Die Eltern dagegen sehnen sich die Zeit herbei, wenn das Baby endlich durchschläft. Doch Evolutionsbiologen müssen auch hier widersprechen: Auch wenn die äußeren Bedingungen stimmen, also Bezugspersonen in der Nähe sind, schlafen Babys nicht durch. Das stört allerdings nur Eltern in den westlichen Kulturen. In Gesellschaften, die ihre Kinder ursprünglicher betreuen, ist es ganz normal ist, dass Kinder mit acht Monaten noch zehn Mal in der Nacht aufwachen und gestillt werden.
Immer kuscheln - und wo bleibt die Selbstständigkeit?
Sozialaffe
Es gibt bei Affenforschern den Satz: "Ein Affe ist kein Affe". Er beschreibt die Abhängigkeit der Primaten von Sozialkontakten und Artgenossen. Alleinsein ist kein Leben für einen Affen, weil es den Tod bedeuten kann.
Wenn man ein Schimpansenbaby fragen könnte, ob es sich schon einmal einsam gefühlt hat, würde es vermutlich antworten, dass es Einsamkeit nicht kennt. Wir hingegen lernen sehr früh das Gefühl des Verlassenseins kennen - es ist sogar Bestandteil moderner Erziehung. Bei der Erziehung von Kleinkindern in westlichen Industriegesellschaften wird an allererster Stelle Selbstständigkeit gefördert. Eltern ist sehr wichtig, dass kleine Kinder so früh wie möglich alleine zurecht kommen sollen. Eine völlig neue Idee in der Evolution: Tausende von Eltern-Generationen haben engsten Kontakt zu ihren Kindern zugelassen, und plötzlich nimmt im 20. und 21. Jahrhundert die Idee überhand, Kinder sollen schon im Kleinkindalter alleine zurechtkommen. Da stößt der "Tragling" an seine Grenzen, denn auf das Alleinsein in diesem Alter hat uns die Evolution nicht vorbereitet.
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