Knastbericht
Meine lieben Freunde in Freiheit,
ich fühle mich allein und verlassen, und eure Beiträge sind Balsam für meine Seele. Eure herzliche Anteilnahme ist wie ein prasselndes Kaminfeuer in einer kleinen Hütte, während draußen trojanische Pferde wüten und frostige Gefühlskälte Cyberland im Griff hält.
Nach und nach mache ich mich mit dem Gefängnisalltag vertraut.
Es gibt hier verschiedene Möglichkeiten, einer sinnvollen Arbeit nachzugehen. Zum Beispiel eine Bäckerei, in der man kleine Brötchen backen kann, und eine Weberei, in der feine Intrigen gesponnen werden. Manche arbeiten auch draußen im Garten und graben anderen eine Grube.
Mich haben sie in einen fensterlosen Raum gesteckt, an dessen Decke eine nackte Glühbirne baumelt. Um mich herum stehen Kisten und Kartons mit den Bestsellern der letzten fünf Jahre, und mein Arbeitswerkzeug ist ein schwarzer Edding. Der Wärter :chinese hat mich angewiesen: „Streich alle bösen Wörter!“ Und so verbringe ich Stunde um Stunde in Eintönigkeit, nur unterbrochen von den mir stündlich zugeflüsterten beleidigenden Worten meines Peinigers :chinese , die nur ich hören kann und die mein Herz stetig verhärten. Aber ich weiß, ich habe diese Behandlung verdient, denn ich habe Schlimmeres getan.
Man will mich hier resozialisieren :angst , und zu diesem Zweck soll ich einmal täglich eine Sprachtherapeutin mit psychologischer Zusatzausbildung aufsuchen. Die erste Sitzung war ein voller Erfolg. Ich wurde mit verschiedenen Drähten verkabelt, wie bei einem EKG. Und dann warf sie mir Worte zu, zu denen ich assoziieren sollte, und die Regel war, dass ich kein böses Wort sagen durfte, sonst würde ich für jedes einen kleinen Stromschlag erhalten. Das klappte auch ganz gut. :] Sie sagte „Maus“ und ich sprudelte heraus – klein, grau, Käse, Katze… Und so ging das eine ganze Weile, immer neue Worte warf sie mir zu, ich ließ meiner Phantasie freien Lauf, und am Ende sagte sie „Stephan“.
Eine halbe Stunde später lag ich auf der Intensivstation. Sie haben eine gute medizinische Betreuung hier. Da kann man nicht meckern.
Die anderen hier sind ganz okay. Stellt euch vor, ich habe Collo getroffen. :-D Sie genießt hier großes Ansehen, weil sie einen schwungvollen Schwarzmarkthandel mit alternativen Nicks betreibt.
Gerüchteweise habe ich vernommen, dass MasterX und seine Kumpels verhaftet werden sollen :angst , und eine Zeitlang habe ich immer wieder zum Hochsicherheitstrakt geschaut, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Aber sein Verfahren ist wegen Geringfügigkeit eingestellt worden.
Manchmal schaue ich zwischen den Gitterstäben hinaus auf die Straße und sehe Manu vorbeiflanieren. Dann höre ich das Johlen und Schreien der Wärter :lough1 , die mit Ferngläsern an den Bürofenstern stehen. Mir hat Manu eine Kusshand :kiss zugeworfen, und ich habe mich mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern in die kleine Ecke hinter der Gemeinschaftstoilette zurückgezogen und gedacht: Was hat sie, was ich nicht habe?

Aber ich will mich nicht in Selbstmitleid flüchten, versuche, mich abzulenken, und greife zu meiner Lieblingslektüre, den Forumsregeln, die ich bis zu meiner Entlassung auswendig lernen möchte.
Im Aufenthaltsraum wurden Formblätter an alle Insassen verteilt, eine Umfrage von allgemeinem Interesse. „Wie gut seid ihr bestückt?“ und „Wie sagt ihr noch zu Mumu?“ Diesen Fragen werde ich mich in den einsamen Stunden der Nachtruhe widmen. 8) Und ich will mir viel Mühe bei der Beantwortung geben. Mein Führungszeugnis soll makellos sein.
Vielen Dank euch allen, die ihr hier gepostet habt. Ich vermisse euch. Ihr seid klasse. :maldrueck
Liebe Grüße
AnnKathrin :traene