Wehgetan hat es wie fast jede Geburt, berichtet Pattie* ihrer Runde. Die Hand ihres Mannes habe sie „zerquetscht und verkratzt“. Das war vor zwei Tagen. Kaum aus der Klinik entlassen, sitzt die junge Wöchnerin am PC, um im Internet mitzuteilen, wie ihre Entbindung verlaufen ist.
*Deckname
Die Adressaten sind Frauen, sie treffen sich in speziellen Foren auf Seiten wie urbia.de oder babyzimmer.de. Jeden Tag, oft stundenlang. Pattie braucht nicht lange zu warten; die digitalen Glückwünsche kommen schneller an als jede Postkarte. So wie bei Karin: Sie hat heute Geburtstag. 45 Mitglieder bei elternforen.de gratulieren der schwangeren Floristin prompt. „Ich mache mir heute einen faulen Tag“, verkündet sie. Als sich die 22-Jährige nach zwölf Stunden ausloggt, hat sie 144 Beiträge geschrieben.
Hausfrauen und Mütter entdecken die digitale Kommunikation. Zwar wächst die Zahl der Männer im Internet wesentlich schneller als die der Frauen, wie der „(N)Onliner-Atlas 2003“ für Deutschland dokumentiert. Mit 58,8 Prozent prägen männliche Surfer noch immer das Datennetz. Aber in einigen Bereichen dominieren Frauen deutlich, wie die Kölner Psychologin Christiane Eichenberg festgestellt hat. Manche Chat-Räume sind nahezu reine Frauenzirkel. „Besonders die Gruppe der 25- bis 34-Jährigen besucht in der Mehrzahl gesundheitsrelevante Seiten oder solche, die mit Familie, Kindern oder Schwangerschaft zu tun haben“, erläutert Eichenberg ein Ergebnis ihrer Untersuchung.
Bereits morgens auf dem Weg zum Bad schalten viele den Rechner ein. Ihr virtueller Freundeskreis ist größer als der im realen Leben. Ohne Flatrate-Tarif wären sie pleite. Ihre schriftlichen Plaudereien handeln von knackigen Kerlen und gutem Sex, sie schreiben über Erziehungsprobleme und Osterdekoration. Ein „Nick“ (Deckname) garantiert Anonymität. „Er macht so lange, bis er zum Orgasmus kommt, dann ist Feierabend“, beklagt sich Bibera*. „Langsam komme ich mir vor wie ein Gegenstand.“ „Selbst schuld“, so ein lakonischer Kommentar im Forum. „Lässt du auf anderen Gebieten in deinem Leben auch alles mit dir machen?“ Ein andere Frau berichtet von einem Porschefahrer, der seine zwei Sprösslinge im Auto nicht angeschnallt habe. Als sie ihn vor dem Kindergarten zur Rede gestellt habe, sei seine Erklärung recht lahm ausgefallen: „Das ist ein Sportwagen, darin kann man keine Kindersitze befestigen.“ Klares Votum der anderen Frauen: „Zeig ihn an.“
Wer einmal heftig mitdebattiert hat, mag das Forum nicht mehr missen. „Es ist wie eine Sucht nach Menschen und Schicksalen“, gesteht Moka* – eine Parallelwelt mit Echtheitscharakter. Elchen* etwa schafft es, binnen einer Stunde 30 Mitteilungen zu unterschiedlichsten Themen abzusetzen. Sie ist zweifache Mutter und gleichzeitig die sprichwörtliche gute Seele des Forums.
Jeden Tag kommen 1000 Beiträge dazu. „Die Frauen bestimmen ihre Themen selbst“, beschreibt Michael Wamhof, Betreiber von elternforen.de, die Faszination. Manchmal bedeutet dies eine Premiere: etwa wenn die 25-jährige Ilona Dux zum ersten Mal ihre Gedichte veröffentlicht. Zwar nur in einem passwort-geschützten Bereich, aber für die junge Mutter war dies ein mutiger Schritt.